Verstecken braucht sich Winfried Wiendl wirklich nicht. Im Berufsleben war der 68-Jährige aus Untertheres bis in den Vorstand der Bonnfinanz AG aufgestiegen. Und wer wie er Präsident eines Golfclubs ist, des Schweinfurters nämlich, ist öffentliche Auftritte gewöhnt. "Doch um mich geht es hier überhaupt nicht", sagte Wiendl vergangene Woche zu dieser Redaktion. Er wolle, dass andere in den Mittelpunkt gerückt werden: die Pflegekräfte. Sie bekommen in seinen Augen nicht im mindesten die Anerkennung, die ihr Berufsstand verdient hätte.
Womit man doch wieder bei Winfried Wiendl selbst wäre. Denn er war es, der eine ungewöhnliche Idee hatte und sich seit 2018 mit viel Herzblut daran macht, sie umzusetzen: Wiendl hat mit eigenem Kapital eine Stiftung gegründet, die Pflegedank-Stiftung, "um einen Beitrag zur Sicherung der Pflege älterer und pflegebedürftiger Menschen zu leisten", so die Kurzfassung des Stiftungszwecks.
Ohne qualifiziertes Personal keine nachhaltige Versorgung
Seit vielen Jahren leben die 96-jährige Mutter des Stifters und weitere hochbetagte Verwandte von ihm in Seniorenheimen. Die Besuche bei ihnen haben Wiendls Bild von der Pflege entscheidend geprägt. Er beobachtet, dass es vielerorts zu wenige Pflegekräfte gibt und die Mitarbeiter schnell an ihre körperlichen und psychischen Grenzen kommen. Was zu hohen Personalfluktuationen in den Einrichtungen führe. Da ist dem Betriebswirt klar: Die Alten- und Pflegeheime können auf Dauer nur dann eine nachhaltige Versorgung der ihnen anvertrauten Menschen gewährleisten und ihnen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen, wenn sie keinen Mangel an qualifiziertem und motiviertem Personal haben.
Ganz ähnliche Aussagen könnten auch von Politikern kommen. Doch Winfried Wiendl will sich nicht in die Politik einmischen, es geht ihm nicht ums Philosophieren und Theoretisieren. Seine Absicht ist es nicht, Einfluss auf Arbeitsrecht oder Tarifverträge zu nehmen. Seine Stiftung möchte dem Pflegepersonal mit praktischer Hilfe unter die Arme greifen. In den vergangenen Monaten hat der Familienvater zahlreiche Heime der Region besucht mit folgendem Angebot im Gepäck: Wenn ihm die Heime plausible Pläne vorlegen, wie zum Beispiel die Arbeitspausen der Pflegerinnen und Pfleger so gestaltet werden können, dass sie tatsächlich der Erholung dienen, oder wenn sie gute Ideen haben, wie sich der Teamgeist stärken lässt, dann kann Geld aus seiner Stiftung an die Projekte fließen. Wiendl stülpt also den Heimen nichts über. Die Initiative für alles, was dem Wohl der Mitarbeiter dient, muss aus ihren eigenen Reihen kommen.
St. Bruno in Haßfurt: "Das war wunderbar"
Das Caritas-Alten- und Pflegeheim St. Bruno in Haßfurt gehört zu den Häusern, die beim Deutschen Stiftungszentrum in Essen, das Wiendls Stiftung wie 600 weitere gemeinnützige und mildtätige Stiftungen betreut, bereits erfolgreich Anträge gestellt haben. So hat "Pflegedank" zum Beispiel die Kosten für das gemeinsame Neujahrsessen von Bewohnern und Personal übernommen. So unspektakulär das klingen mag, so groß war doch die Freude bei den Angestellten. Sie sind es nämlich sonst selbst, die das Essen für solche Festivitäten von zu Hause mitbringen und alle sonstigen Vor- und Nachbereitungen stemmen. "Aber da haben wir einen Partyservice kommen lassen und kein Mitarbeiter musste arbeiten, das war wunderbar", blickt Heimleiterin Heike Ehlert zurück. Aus den Töpfen der Stiftung darf die St. Bruno-Belegschaft im Herbst eine Weinbergswanderung mit Einkehr in eine Heckenwirtschaft bestreiten und im Advent den Besuch eines Weihnachtsmarktes, jeweils ohne dass die Teilnehmer einen Cent zahlen müssen. Auf dem Bewilligungsbescheid aus Essen stehen Projekte im Wert von 4500 Euro.
"Ich war völlig geplättet, als Herr Wiendl im letzten Jahr mit seinem Angebot auf uns zugegangen ist", bekannte Heike Ehlert am Freitag im Gespräch mit der Redaktion. "Dass da jemand von außerhalb kommt und etwas für die Mitarbeiter tun will, das habe ich noch nie erlebt." Freilich gebe es immer mal wieder Spenden, die dem Heim und besonders den Bewohnern zugute kämen. "Aber dass wir als Personal so eine Anerkennung erfahren, das ist neu." Ehlert weiß, dass ihr Arbeitgeber, die Caritas, nicht das Budget für große Mitarbeiterfeiern oder Ausflugsfahrten hat und dass Ausgaben in diesem Bereich angesichts der schwierigen Situation in der Pflege auch schwer zu rechtfertigen wären. Da ist die Pflegedank-Stiftung ein Segen.
"Sehr große Wertschätzung für uns Mitarbeiter"
Reinhilde Schüll, die seit 33 Jahren in St. Bruno arbeitet, konnte es am Anfang auch kaum glauben, dass es einen edlen Spender gibt. "Das ist schon eine sehr große Wertschätzung für uns Mitarbeiter", freut sich die Pflegerin und Leiterin der psychosozialen Betreuung. "Dank der Stiftung können wir gemeinsame Aktivitäten entfalten, was die Gemeinschaft fördert und unser gutes Klima noch weiter verbessert." Pflegerin Annette von Marklowski-Dirschbacher, die fast 30 Jahre in St. Bruno beschäftigt ist, erkennt, dass die von der Stiftung ermöglichten Investitionen in das Wir-Gefühl bereits Früchte tragen. "Bei den Ausflügen kommt man mit Kollegen zusammen, mit denen man sonst kaum zu tun hat. Da trifft dann zum Beispiel die Pflegerin auf die Reinigungskraft und jeder merkt, dass der andere wichtig ist. Und dass wir alle zu einem Team gehören."
Auch anderswo ist die Freude über die Pflegedank-Stiftung groß. "Meine Mitarbeiter konnten es gar nicht fassen, dass da jemand kommt und gibt, ohne etwas zu nehmen", sagte am Donnerstag Hildegard Hückmann, die Leiterin des Hans-Weinberger-Hauses in Zeil, welches die Arbeiterwohlfahrt (AWO) betreibt. Auch hier ist man schon in den Genuss von Ausschüttungen der Stiftung gekommen. So bekommt eine Pflegekraft, die innerhalb eines Monats dreimal für verhinderte Kollegen einspringt, als Dank und Anerkennung einen Einkaufsgutschein. Und nach Absprache mit ihren Mitarbeitern hat Hückmann im Sommer zwei Betriebsausflüge so im Dienstplan verankert, dass jede Pflegekraft auf jeden Fall einmal teilnehmen kann. "Wir sind wirklich froh, dass wir uns beworben haben", stellte die Heimleiterin fest.
Der Stifter hofft auf weitere Spender
Zur Höhe des Stiftungsvermögens äußerst sich Winfried Wiendl nicht. Er hoffe, dass Spender das Vermögen noch deutlich aufstocken, sagte er aber. Schon im laufenden Jahr schütte Pflegedank Mittel deutlich in fünfstelliger Höhe aus, verriet der Betriebswirt. In vielerlei Hinsicht richtet der ehemalige Manager seinen Blick nach vorne: Er will die Pflegeeinrichtungen künftig verstärkt dabei unterstützen, Nachwuchs zu rekrutieren. Wenn sich Arbeitgeber zum Beispiel an Schulen präsentierten, seien die Alten- und Pflegeheime oft nicht vertreten. "Nicht weil sie nicht wollen, sondern weil ihnen einfach die Zeit fehlt, das zu organisieren." Da will der Betriebswirt durchaus höchstpersönlich Abhilfe schaffen und die Werbetrommel dafür rühren, dass Pflegeberufe krisensichere, sinnstiftende und mit vielen Perspektiven ausgestattete berufliche Alternativen sind. Woher er die Zeit nimmt, sich fortan viel stärker seiner Stiftung zu widmen, weiß der 68-Jährige auch schon: Nach 25 Jahren gibt Wiendl sein Präsidentenamt im Golfclub Schweinfurt auf. Als letzte große Aktion verantwortet er dort den Tag der offenen Tür. Was mit dem Erlös der Veranstaltung geschieht, steht schon jetzt fest: Er fließt in die Pflegedank-Stiftung.
Informationen über die Pflegedank-Stiftung Winfried Wiendl finden sich im Internet unter www.deutsches-stiftungszentrum.de/stiftungen/pflegedank-stiftung-winfried-wiendl. Wer den Stifter kontaktieren will, kann dies auch per Email tun: info@pflegedank-stiftung.de