Musikalische Herzen schlagen höher, wenn sie die gut 230 Stück umfassende Sammlung mittelalterlicher Instrumente im Schloss Wernsdorf (Lkr. Bamberg) entdecken. Sackpfeife, Drehleier, Krummhorn, Garklein-Flötlein, gotische Harfe, Pommer, Schalmei, Zimbal, Fiedel, Tamburello und mehr: Es sind allesamt spielbare Instrumente.
Sie machen auch den einzigartigen Klang der Capella Antiqua Bambergensis aus. Dieses auf mittelalterliche Musik spezialisierte Ensemble hat der Bamberger Musikwissenschaftler Professor Wolfgang Spindler 1983 ins Leben gerufen. Zusammen mit seinen Söhnen Andreas und Thomas, mit Schwiegertochter Anke und inzwischen auch mit Enkelin Nina hat er das Ensemble als Familienunternehmen der Extraklasse zu einem vielfach ausgezeichneten Klangkörper geformt. International renommierte Künstler und Künstlerinnen unterstützen die Spindlers bei Auftritten mit ihren verschiedenen Themenprogrammen.
Renaissance der mittelalterlichen Musik
Mehr als 1000 Jahre Musik und Geschichte werden so erlebbar: "Unser Vater hat die Renaissance der mittelalterlichen Musik eingeleitet", sagt Thomas Spindler. Sein Bruder Andreas, der Instrumente für Kunden in ganz Europa, Kanada und Japan baut, schwärmt von der Vielfalt der Instrumente im Mittelalter als "vielklingende Blumenwiese, heute ist die Anzahl eher ein wohlgeordneter Rosengarten".
Mittelpunkt einer solchen Blumenwiese ist das Schloss Wernsdorf im Landkreis Bamberg. Es ist seit nunmehr 25 Jahren feste Heimstatt der Capella und ein etablierter Kulturort mit Ausstrahlung auf Partner im In- und Ausland. Auf Initiative von Wolfgang Spindler erwarb die Familie die ehemalige fränkische Königsburg: "Es war ein ruinöses Gebäude", blickt der Senior auf einige Jahre Kärnerarbeit zurück, bis das Schloss bezugsfertig war.
Forschungs- und Bildungsprojekt
Im Kulturschloss Wernsdorf steckt nicht nur mittelalterliche Klanglust, sondern auch eine ganze Erlebniswelt samt digitalem Dokumentations-Zentrum "Alte Musik in Bayern" für Musikarchäologen und Musikwissenschaftler. Seit 2019 ist es zudem Sitz des Forschungs- und Bildungsprojektes "Arche Musica" für musikalische Erinnerungskultur und Antisemitismusprävention.
Wegen der besonderen Bedeutung dieses Projektes, das von den Brüdern Spindler und dem Israeli Danny Donner verantwortet wird, hat Felix Klein als Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus die Schirmherrschaft übernommen. Projektpartner sind die Nationalbibliothek des Staates Israel, die "Tel Aviv School of arts" sowie die jüdische Musikwissenschaftlerin Gila Flam aus Jerusalem.
Auf Grund seiner Alleinstellung in der musikalischen Erinnerungskultur wurde das Projekt 2025 von "Arche Musica" in die Europäische Vereinigung für die Bewahrung und Förderung jüdischer Kultur und jüdischen Erbes AEPJ aufgenommen, eines der wichtigsten europäischen Netzwerke auf diesem Gebiet, erklärt Thomas Spindler.
Einer der ersten zentralen Bausteine der Arche Musica war das digitalisierte und neu veröffentlichte "Jüdisch-deutsche Liederbuch von 1912". Auf der Leipziger Buchmesse wurde die Neuausgabe mit dem Preis für die "Beste Musikedition 2023" ausgezeichnet. "Die aktive Verwendung dieses wiederentdeckten Liederbuches in Musikvereinen und Chören ist ein wichtiges Ziel unseres Projektes", betont Thomas Spindler. Genauso bedeutsam seien die Schulprojekttage "Alef-Bet, das musikalische Alphabet der Erinnerungskultur", mit denen Schüler aus dem Bamberger Raum zu einer Begegnung mit jüdischem Leben eingeladen werden.
Ehrenamtliche Arbeit mit der Zauberharfe
Bei allem künstlerischen Erfolg und Renommee ist die Familie Spindler bodenständig geblieben. Und sozial engagiert. So hat Instrumentenbauer Andreas Spindler mit der Zauberharfe ein Instrument entwickelt, das man mit einem Bausatz selbst anfertigen und relativ einfach spielen kann. Solche Kurse wurden im Schloss Wernsdorf für bisher rund 700 Familien mit krebskranken Kindern und Geschwisterkindern durchgeführt. Nach der Corona bedingten Pause laufen diese Schulungen mit einem neuen Konzept wieder an: "Auf ehrenamtlicher Basis planen wir ab 2025 auch Zauberharfenspielstunden in bayerischen und thüringischen Kinderhospizen", so die Spindlers.
Auftakt ins Jubiläumsjahr des Kulturschlosses Wernsdorf, das seit 25 besteht, wird am Ostersonntag, 31. März, um 16 Uhr ein Osterkonzert der Capella Antiqua Bambergensis sein. Sie lässt mit ihren historischen Musikinstrumenten die Osterzeit des Mittelalters und der Renaissance wieder auferstehen. Wolfgang Spindler erinnert mit kurzen anekdotischen Geschichten an Osterbräuche in Franken. Karten sind unter www.capella-antiqua.de erhältlich.