Wie sähe unsere Welt aus, gäbe es nicht Menschen, die Verantwortung übernehmen? Zu denjenigen, die sich davor nicht scheuen, zählen Manfred Finster und Berthold Wolfschmidt aus Uchenhofen. Finster ist Ortssprecher und Vorsitzender des Obst- und Gartenbauvereins, Wolfschmidt steht an der Spitze des Sportvereins. Die beiden stehen stellvertretend für eine ganze Dorfgemeinschaft, die einer unverschuldet in Not geratenen Familie geholfen hat. Mit dem Erlös aus der Dorfweihnacht konnte und kann die Mutter ihrem schwerbehinderten Sohn Jonas (19) in einer baden-württembergischen Klinik zur Seite stehen, und vor allem: Damit wurde es der ganzen Familie ermöglicht, gemeinsam Weihnachten zu feiern.
Der 21. Mai 2013 war eigentlich ein Tag wie jeder andere. Jonas Thein, der damals eine Ausbildung zum Industriemechaniker in der Fränkischen in Königsberg absolvierte, fuhr auf dem heiß geliebten Traktor mit seinem Opa in den Wald. Ohne erkennbaren Grund wird ihm plötzlich schwarz vor Augen. Er verliert das Bewusstsein. Bestürzt bringt man ihn zum Arzt und schließlich ins Krankenhaus. Dort stellen die Ärzte die erschütternde und für alle schockierende Diagnose: ein Aneurysma, also eine geplatzte Blutader im Gehirn. Kein Tag wie jeder andere!
Eine Notoperation im Schweinfurter Leopoldina-Krankenhaus rettet ihm das Leben, und dann beginnt für den Jungen eine Leidenszeit, von der man nicht weiß, wie lange sie noch andauert. Als Folge der Gehirnblutung kann Jonas fortan weder sprechen noch gehen. Gestern noch der fröhliche Junge von nebenan, ist er urplötzlich an den Rollstuhl gefesselt und benötigt für alles und jedes die Hilfe seiner Verwandten. Um ihren Sohn zu Hause pflegen zu können, hängt Mutter Heike ihren Beruf in der Gastronomie an den Nagel.
Dabei stand Jonas doch mitten im Leben. Er träumte davon, einmal den Bauernhof seiner Großeltern zu übernehmen. Als eingefleischter Bulldog-Fan war der Hof sein Ein und Alles. An eine Fortsetzung der Lehre ist ebenfalls nicht mehr zu denken. Mit einem Schlag – soll man es Schicksalsschlag nennen? – hat sich für ihn und seine ganze Familie alles verändert.
Gelähmt bei vollem Bewusstsein
„Locked-In-Syndrom“ nennen Mediziner diese seltene Erkrankung. Bei vollem Bewusstsein des Schwerbehinderten – das Großhirn ist völlig intakt – lähmt sie den gesamten Körper. Seit dem Vorfall hat er nur noch minimale Bewegungsmöglichkeiten im Bereich der Augen und des Halses. Allein durch Augenzwinkern kann sich Jonas auf äußerst mühsame Art mit seinen Eltern unterhalten. Anhand einer vom Vater Jürgen Thein erstellten Tafel fügt der Gelähmte Buchstabe für Buchstabe zu Wörtern zusammen.
Seit dem 17. November ist er stationär im Hegau-Jugendwerk im baden-württembergischen Gailingen untergebracht. Bei der Klinik handelt es sich um eine hoch spezialisierte, bundesweite Modelleinrichtung speziell für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die nach einer neurologischen Erkrankung oder einem Unfall eine umfassende Rehabilitation brauchen. Bei Jonas wollen die Ärzte und Pfleger erreichen, dass der Patient lernt, seine Gesichtsmuskeln soweit zu beherrschen, dass er seine Gefühle mimisch ausdrücken kann. Einfach ausgedrückt, dass er zeigen kann, wenn er sich über etwas freut oder wenn er sich ärgert. Durch die geduldigen Übungen gibt es erste kleine Fortschritte. So kann Jonas jetzt seinen Kopf etwas nach rechts, links und hinten bewegen. Auf dieser Grundlage soll – so das therapeutische Ziel – eine selbstständige Kommunikation aufgebaut werden.
3850 Euro
Da Jonas unter extremen Schluckbeschwerden leidet und damit verbunden immer wieder Erstickungs- und Panikanfälle hat, war es für ihn sehr wichtig, dass seine Mutter Heike von Anfang an dabei war. Die Einrichtung hält zwar Rooming-In-Zimmer vor, aber die damit verbundenen Kosten werden nicht von der Krankenkasse übernommen. Das war einer der Gründe, der dazu führte, den Erlös der diesjährigen Uchenhöfer Dorfweihnacht der Familie zu spenden.
Es würde den Rahmen dieses Berichtes sprengen, wollte man all die Helfer nennen, die die Dorfweihnacht mit vorbereitet und durchgeführt haben. Die Leute vom „harten Kern“ der Organisation betonen immer wieder, dass es ganz viele fleißige Hände waren, die im Vor- und Umfeld der dörflichen Aktion tatkräftig angepackt haben.
Für den Weihnachtsbasar wurde wochenlang gestrickt, gebacken, Marmelade gekocht, gebastelt, genäht, gewerkelt und dekoriert. So entstanden zahlreiche kleine, feine Kunstwerke. Zudem lockten frisch gebackene Waffeln, deftige Bratwürste und heißer Apfelmostglühwein zahlreiche Gäste auf den Dorfplatz, wo erstmals am Dorfbrunnen eine schöne Krippe steht. Mit viel Herzblut, betonen die Organisatoren, waren alle bei der Sache.
Offizieller Veranstalter war der TSV Uchenhofen. Für dessen Vorstand war es keine Frage, den gesamten Erlös von 3850 Euro zu spenden. Dieses ungewöhnliche Weihnachtsgeschenk ermöglichte es, dass Jonas ein gemeinsames Weihnachtsfest im Schoß seiner Familie erleben durfte. Neben der Mutter, die ja ständig vor Ort ist, kamen Vater Jürgen, Schwester Franziska, Oma Renate Kraska und die Familie von Tante Manuela Käb hinzu. Weihnachten, geborgen im Kreis seiner vertrauten Verwandten, das war für Jonas wirklich ein Fest der Liebe.