Er war lange Zeit einer der bedeutendsten Politiker des Europäischen Parlaments: Von 2012 bis 2017 war Martin Schulz (SPD) Präsident des Europäischen Parlaments. Obwohl er danach in die nationale Politik wechselte und nun Bundestagsabgeordneter ist, bleibt er in der Wahrnehmung vieler Menschen eng mit dem Projekt eines Vereinten Europa verbunden. So ist er derzeit im Wahlkampf mit dem "Food-Truck" unterwegs. An diesem fahrbaren Stand werden Getränke und belgische Waffeln verteilt, während die Menschen mit dem Politiker diskutieren können. Rund 50 Menschen kamen in die Haßfurter Hauptstraße, um Schulz bei seinem Besuch zu sehen, mit ihm zu sprechen oder sich mit dem SPD-Politiker fotografieren zu lassen, der 2017 für das Amt des Bundeskanzlers kandidiert hatte, jedoch gegen Amtsinhaberin Angela Merkel (CDU) unterlag.
Dabei waren auch die SPD-Europaabgeordnete Kerstin Westphal sowie die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner. In Haßfurt begrüßt wurde Schulz vom SPD-Ortsvorsitzenden Stephan Schneider und von Bürgermeister Günther Werner (WG). Martin Schulz hob die Bedeutung der Europäischen Union hervor und rief dazu auf, eine demokratische Partei zu wählen – auch um Europa gegen eine aggressive Wirtschaftspolitik aus anderen Teilen der Welt zu verteidigen. In diesem Fall fand er deutliche Worte für US-Präsident Donald Trump, den er als "schändliche Persönlichkeit" bezeichnete. Schulz warf Trump vor, das Schicksal des Planeten sei ihm egal, wenn dieser unter anderem keinen Wert auf Klimaschutz oder einen fairen Welthandel lege. "Wenn die, die Menschenrechte und ökologische Standards achten, wirtschaftliche Nachteile haben, haben wir auf Dauer keine Chance", meinte der SPD-Politiker.
Um dem etwas entgegen zu setzen, rief Schulz auf, die "Europäische Idee" zu verteidigen. "Es gibt einen Ort, wo sich 28 Demokratien zusammengeschlossen haben", sagte er und bezeichnete die EU als ein demokratisches und soziales Projekt.
Was sind eigentlich EU-Themen?
Nachdem Schulz einige Sätze gesagt hatte, kündigte Stephan Schneider an: "Mit uns kann man reden und diskutieren", worauf Martin Schulz ergänzte: "Und Waffeln essen!" Damit war die gemeinsame Diskussionsrunde eröffnet. Eine Frau beschwerte sich über zu viel Bürokratie und sprach den von vielen Politikern versprochenen Bürokratieabbau an. Als Beispiel nannte sie Behördengänge im Haßfurter Rathaus, worauf Schulz entgegnete: "Wo erleben sie in Haßfurt europäische Bürokratie?" So machte er deutliche, dass viele Punkte, die der EU und der europäischen Politik angelastet werden, oft eher nationale oder lokale Themen sind. Allerdings räumte er ein, dass es tatsächlich Berufsgruppen gebe, denen die EU-Gesetzgebung zu viel Bürokratie aufbürdet. "Bauern müssen teilweise Unsinn machen, das ist viel zu viel."
Auch bei einer weiteren Bürgerfrage wurde deutlich, dass in der Bevölkerung oft kaum bekannt ist, für welche Themen die EU zuständig ist, und was an der nationalen Gesetzgebung liegt. So sprach ein Besucher der Veranstaltung die Leiharbeit an, worauf Schulz entgegnete: "Auch das ist kein europäisches Thema." Vielmehr sei hier die Bundespolitik gefragt. Er betonte aber auch, dass offensichtlich mit der Forderung nach Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt kaum Wahlen zu gewinnen seien. So sei die Forderung, dass ein Acht-Stunden-Arbeitstag mit einem Tarifvertrag wieder die Regel wird, einer der zentralen Punkte in seinem Bundeskanzler-Wahlkampf gewesen, doch damit habe die SPD ein schlechtes Wahlergebnis eingefahren. Das Thema interessiere also anscheinend zu wenig.
Stephan Schneider ergänzte: "Das Problem ist: Man muss uns halt auch zuhören." Stattdessen fielen zu viele Menschen auf Populisten herein. Vieles lasse sich eben nicht in zwei Sätzen erklären. Schulz erläuterte, das Problem sei, dass die Welt immer komplexer werde, gleichzeitig aber in einer digitalen Welt der Druck auf Politiker wachse, sofort schnelle Lösungen zu präsentieren. Gerade das sei ein "Einfallstor für die Vereinfacher", die meinen, es brauche einen "starken Mann". Weiter meinte Schulz: "Demokratie ist eine Staatsform, die Zeit braucht."
Nicht nur die Deutschen zahlen
Schulz widersprach auch der Kritik eines Bürgers, Deutschland sei der große Zahlmeister der EU und die anderen Ländern lebten auf Kosten der Bundesbürger. Denn auch andere Länder steuerten einen großen Beitrag zum EU-Haushalt bei. "Die Rhetorik, Deutschland würde alles alleine bezahlen, führt dazu, dass andere von uns die Nase voll haben."
Als "echter Europäer" präsentierte sich Schulz, als ihm und den anderen SPD-Vertretern bei einem Rundgang durch Haßfurt eine Delegation aus der französischen Partnerstadt Pierrelatte begegnete und er sich mit den Gästen fließend auf Französisch unterhielt. Im Gespräch mit dieser Redaktion bezeichnete er das vereinte Europa noch einmal als Friedensprojekt, betonte die Bedeutung einer grenzüberschreitenden Kooperation und bezeichnete es als große Herausforderung, den Klimawandel zu meistern. Hier müsse auch die EU Ökostandards setzen, die Voraussetzungen sein sollten, um Produkte auf den Markt zu bringen. Weiter sprach er über das Erstarken radikaler politischer Richtungen und sagte: "Die Demokratie wird in Frage gestellt." Zudem sei es wichtig, europaweit Steuergerechtigkeit herzustellen. Dafür brauche es einen europäischen Finanzminister.