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KARBACH
Ein Dreirad für den kranken Felix
Ein Dreirad wäre das Größte für den kleinen Felix. Der sechsjährige Sohn von Alexander und Bettina Estenfelder aus Karbach leidet seit seiner Geburt unter einer kaum erforschten Krankheit, die ihn körperlich stark einschränkt.
Foto: Markus Erhard | Ein Dreirad wäre das Größte für den kleinen Felix. Der sechsjährige Sohn von Alexander und Bettina Estenfelder aus Karbach leidet seit seiner Geburt unter einer kaum erforschten Krankheit, die ihn körperlich stark ...
Von unserem Redaktionsmitglied Markus Erhard
 |  aktualisiert: 15.12.2020 15:07 Uhr

Als Felix im Oktober 2011 zur Welt kommt, da scheint das Glück der Familie Estenfelder aus Karbach perfekt. In der frisch renovierten Wohnung zieht endlich Nachwuchs in das erste von zwei neu gebauten Kinderzimmern ein. Was die jungen Eltern Bettina und Alexander da noch nicht wissen: Ihr Sohn trägt eine schwere Krankheit in sich. Heute sitzt der Sechsjährige im Rollstuhl, ist den ganzen Tag über auf Hilfe angewiesen. Seine Eltern würden ihrem körperlich stark eingeschränkten Junior gerne ein spezielles Reha-Dreirad schenken, um ihm das Leben ein wenig zu erleichtern und ihm eine Freude zu bereiten. Doch das Kinderfahrzeug ist teuer, kostet knapp 4000 Euro. Deshalb bitten die Familie und die Gemeinde Rauhenebrach um Spenden.

„Wir brauchen für Felix dringend einen Sitzlift, einen Stehtisch und wir müssen das Bad behindertengerecht umbauen“, schaut die 38-jährige Bettina Estenfelder mit Sorgenfalten auf der Stirn auf Umbaumaßnahmen in der Wohnung, die sich nicht mehr lange aufschieben lassen. Denn Felix ist zwar körperlich gehandicapt, kann nicht laufen und nicht sprechen, er ist aber dennoch so groß und auch annähernd so schwer wie jeder andere Bub in seinem Alter.

Bald wird ihn seine Mama nicht mehr so einfach vom Kinderzimmer in die Essküche und zurück ins Wohnzimmer tragen können. Das Dreirad allerdings zählt für die Krankenkasse als Freizeitvergnügen, sagt der 38-jährige Alexander Estenfelder. Es werde deshalb nicht finanziell gefördert.

Ohnehin haben es Felix' Eltern nicht leicht im Dialog mit der Krankenkasse, denn der Sechsjährige ist wohl der einzige bekannte Fall mit dieser speziellen Erkrankung. Es gibt also weder bei der Behandlung noch bei der Versorgung irgend welche Standards. „L-Dopamin-responsive dystone Bewegungsstörung“ lautet die sperrige Bezeichnung für das, was den kleinen Karbacher seit seiner Geburt quält. Der Sechsjährige leidet unter motorischer und sprachlicher Entwicklungsstörung. Dazu kommen phasenweise auftretende Verkrampfungen, Anspannungen und Zittern oder auch starke Überbewegung. Die Symptome sind vergleichbar mit denen der Parkinson-Krankheit, die aber eher bei älteren Menschen auftritt. Dabei sterben im Gehirn Nervenzellen ab, die Dopamin produzieren. Fehlt dieser Botenstoff, entstehen im ganzen Körper Bewegungsstörungen. Felix' Gehirn produziert von Geburt an kaum Dopamin. Das „Warum“ ist auch für Experten bislang ein Rätsel, womöglich ist ein vererbter Gendefekt schuld.

„Felix hat schon immer sehr viel geweint. Er kam mit seiner Umwelt nicht zurecht“, erinnert sich seine Mama an die ersten Monate mit dem Neugeborenen. Eine Infektion mit einem Adenovirus brachte dann Fieber, Zittern und erste körperliche Ausfallerscheinungen – da war der kleine Bub gerade einmal 14 Monate alt. Die Viruserkrankung habe die Krankheit zwar nicht verursacht, jedoch die ersten schweren Symptome ausgelöst, erklärt Bettina Estenfelder. An der Universitätsklinik in Würzburg kümmerte sich Prof. Dr. Jens Volkmann, der Direktor der Neurologischen Klinik, persönlich um Felix. Die medikamentöse Behandlung mit Wirkstoffen, die den Dopaminmangel ausgleichen sollen, war zunächst die einzige Möglichkeit, die Bewegungsstörungen zumindest einzudämmen. Doch die Erfolge blieben überschaubar. Die Betreuung ihres Sohnes wurde für die Eltern zu einer 24-Stunden-Aufgabe – vor allem für Mama Bettina. Während ihr Mann Alexander bei Bosch in Bamberg arbeitet, um die Familie finanziell über Wasser zu halten, musste sie ihren Job als Bäckereifachverkäuferin für den kleinen Felix aufgeben.

„Wir haben ihn genauso lieb wie andere Eltern ihre Kinder“, bekräftigt die 38-Jährige. Doch ein Abend mit ihrem Mann zu zweit? Oder ein paar Tage Urlaub in der Fremde? Nicht zu machen für die junge Familie. Denn jeder Tag muss für Felix von vorne bis hinten durchgeplant sein. „Sobald er in Stress gerät, beginnen die schmerzhaften Verkrampfungen“, beschreibt Bettina Estenfelder den Alltag mit ihrem kranken Junior. Schon das Klingeln des Telefons oder unangekündigter Besuch im Haus können einen Anfall auslösen. Die Behandlung mit Medikamenten konnte deren Auftreten in den vergangenen Jahren nur unzureichend eindämmen.

Inzwischen gelingt es den Eltern aber zumindest, nachts wieder durchzuschlafen. Das war vor einem halben Jahr noch ein Ding der Unmöglichkeit. Eine deutliche Linderung der Beschwerden brachte eine komplizierte Operation, bei der Felix Ende Juli dieses Jahres eine sogenannte Tiefe Hirnstimulationssonde eingepflanzt wurde. Dieser „Hirnschrittmacher“ übernimmt vereinfacht ausgedrückt über Elektroden, die ins Gehirn eingepflanzt sind, die Funktion des fehlenden Dopamins.

Im Fall von Felix offenbar mit Erfolg: Noch während des Aufenthalts in der Würzburger Uniklinik beobachteten die behandelnden Ärzte kurz nach dem Eingriff bei dem kleinen Patienten eine deutliche Besserung des Bewegungsmusters und des Schlafverhaltens. Gleichzeitig konnten die Estenfelders die Dosierung der Medikamente zurückschrauben.

Während der Reha-Maßnahme, die sich an die Operation anschloss, hatten die Eltern die Möglichkeit, ihren Sprössling auf einem speziellen Reha-Dreirad fahren zu lassen. Wie die Eltern berichten, machte ihm das sehr viel Spaß. Ein solches Dreirad wäre für die ganze Familie ein großes Geschenk, zumal es auch Felix' Beweglichkeit verbessern könnte. Die Gemeinde Rauhenebrach unterstützt die Familie und nimmt Spenden für diesen guten Zweck entgegen. „Die Estenfelders haben wegen ihres kranken Felix' sowieso schon sehr hohe Ausgaben. Deshalb hat die Familie Unterstützung dringend nötig“, sagt Kassenverwalter Reinhold Müller, der sich seitens der Gemeinde Rauhenebrach um das Spendenkonto kümmert.

Felix besucht jetzt auch für ein paar Stunden am Tag den Kindergarten der Lebenshilfe in Schonungen, doch wie es mit dem Bub weitergeht, ist ungewiss. Fragen nach der Lebenserwartung oder nach den Heilungschancen können die jungen Eltern nur mit einem Schulterzucken beantworten. Vermutlich liegt bei einem der beiden ein Gendefekt vor. Blutproben von Bettina und Alexander Estenfelder werden im Labor untersucht. Doch ob die Forscher der Ursache für Felix' Krankheit jemals auf die Schliche kommen, steht derzeit in den Sternen.

So wird der kleine Bub auf absehbare Zeit weiter rund um die Uhr auf die Betreuung durch seine Eltern angewiesen bleiben. Ein zweites Kind hatten sich die beiden eigentlich gewünscht. Doch unter diesen Umständen fehlt ihnen schlichtweg die Zeit, um sich um ein Baby zu kümmern. Zudem ist ungewiss, ob dieses Kind von dem Gendefekt verschont bleiben würde. Das zweite Kinderzimmer der Estenfelders wird deshalb wohl für immer leer bleiben.

Spende für Felix

Wer die Familie Estenfelder unterstützen will, der kann seine Spende an folgendes Konto der Gemeinde Rauhenebrach bei der Sparkasse Ostunterfranken richten: DE 7379 3517 3000 0048 0111; Stichwort: Spende Felix Estenfelder.
 
 
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