„Ich denke, wir sind es unseren Vorfahren schuldig“, sagt Stefan Rippstein. Der 44-jährige Sander ist Korbmacher und Korbhändler, wie sein Vater, Großvater, Urgroßvater. Rippstein war schon lange der Ansicht, dass Sand diesem Berufsstand ein Denkmal setzen sollte, der in den vergangenen 300 Jahren viele Familien im Ort ernährte und mit die Grundlagen für den heutigen Wohlstand der Gemeinde gelegt hat. Und jetzt steht fest: Das Denkmal kommt.
Der Gemeinderat beschloss am Dienstagabend, sich an der Finanzierung des Projekts zu beteiligen – damit ist der Weg frei für das Denkmal, das der in Schwarzach lebende und schaffende Künstler und Bildhauer Theophil Steinbrenner gestalten wird. 12 000 Euro schultert die Kommune, 25 000 Euro steuern die Sander Korbhändler – verblieben sind, wie Stefan Rippstein angibt, etwa zehn Unternehmen – und weitere Sponsoren bei. „Es war für alle eine Ehrensache“, freute sich Rippstein im Gespräch mit dem HT darüber, dass seine Berufskollegen alle mitziehen.
Unser Reporter Alfons Beuerlein berichtet auch aus der Gemeinderatssitzung, dass man hier dem Denkmal gegenüber sehr aufgeschlossen war. Roland Mahr etwa habe bemerkt, dass es anlässlich der 875-Jahr-Feier Sands ein guter Beitrag zur Geschichte der Gemeinde sei. Aus allen Fraktionen habe es positive Signale gegeben.
Zumal das Ratsgremium schon sehr genaue Vorstellungen davon bekam, wie das Denkmal aussehen soll: Theophil Steinbrenner präsentierte im Sander Ratssaal seinen Entwurf. Er zeigt einen Korbacher und „Sander Raser“, der über beiden Schultern Körbe hängen hat. Und auch einen Bettklopfer führt er mit sich, wies der Bildhauer am Mittwoch im Gespräch mit dem HT auf ein seinem Auftraggeber wichtiges Merkmal hin.
Aus der Skizze soll in den nächsten Wochen eine lebensgroße Bronzefigur werden – die ihren Platz wohl in bester Lage neben dem Sander Rathaus auf dem Kirchplatz finden wird. Steinbrenner schwebt vor, dass seine Figur, die Mariensäule und der Träubelesbrunnen von der räumlichen Anordnung her ein Dreieck bilden.
Stefan Rippstein freut sich, dass Sand an zentraler Stelle im Ort künftig nicht nur an die Bedeutung des eigenen Weinbaus erinnert, sondern auch an jenen Beruf, der seiner Meinung nach sogar die Mentalität der Sander bis heute prägt: Die Sander Raser waren jene Händler, die im ganzen Lande, vom Schwarzwald bis Helgoland, unterwegs waren, um ihre Körbe an den Mann und die Frau zu bringen. „Es war ein harter Beruf, aber die Leute sind viel herumgekommen und haben viel von der Welt gesehen“, ist sich Rippstein sicher, dass die Sander deshalb ein weltoffenes Völkchen geworden sind. Anders als andere Korbmacher vertrieben die Sander ihre Waren selbst: Zwischen März und der Kirchweih im September waren Mitglieder einer jeder Korbmacherfamilie unterwegs, um die Körbe anzupreisen. Rippsteins Denkmal soll ein Stück Dankbarkeit an die Vorfahren zum Ausdruck bringen, die diese harte Arbeit bewältigten.
Für die verbliebenen Sander Korbhändler ist der Broterwerb allerdings auch kein Zuckerschlecken. Die Konkurrenz durch Importware, oft Billigprodukte, und manchmal auch die fehlende Wertschätzung der Qualität der heimischen Körbe machten der Branche doch zu schaffen, sagte Rippstein frei heraus. Er gehört zu den ganz Wenigen, die nicht nur mit Körben handeln, sondern noch selbst Korbwaren produzieren.
Körbe flechten muss nun gewissermaßen auch Bildhauer Steinbrenner. Die Körbe, die er seinem Sander Raser umhängt, verbrauchen so viel Bronze wie eine zweite Figur, stellte er fest. Er selbst wird allerdings „nur“ mit Gips modellieren. Der „Korbhändler“ erhält als Skelett ein Grundgerüst aus Metallstäben; Gipsbinden um die Stäbe herum formen dann eine Art Korpus. Anschließend lässt Theophil Steinbrenner aus Gips und Fugenfüller alle Details entstehen. Die Sander dürfen ihm dabei gerne einmal über die Schulter sehen – und wenn es dann noch einen Änderungswunsch gibt, lässt sich das so lange machen, bis die Form schließlich in den Guss geht.
Sechs Wochen braucht er für sein Kunstwerk schon, steckte der Bildhauer den zeitlichen Mindestrahmen ab. Bis zum ersten Aprilsonntag, wenn der Sander Wein- und Korbmarkt stattfindet, dürfte es nichts mehr werden mit der Aufstellung. Bürgermeister Bernhard Ruß hält den Termin ohnehin nicht für glücklich: „Da sind hier überall Marktstände, da fällt das Denkmal doch gar nicht auf“, meinte Ruß am Mittwoch zum HT. Er will nicht, dass die Einweihung des „Sander Rasers“ im Trubel untergeht und verweist darauf, dass es in den kommenden Monaten im Rahmen der 875-Jahr-Feier noch viele gute Gelegenheiten geben wird.
Das mit den Körben übrigens ist für den aus Dörfleshof im Grabfeld stammenden Theophil Steinbrenner nichts Neues: Vor nicht allzu langer Zeit schuf er eine Symbolfigur für den Markt Oberbreit im Landkreis Kitzingen: Die Hucklkätz.
Hucklkätz ist die unterfränkische Bezeichnung für einen auf dem Rücken getragenen Weidenkorb. Frauen nutzen diese Körbe einst, um an wenig zugänglichen Stellen Futter für ihr Kleinvieh zu holen. Die „Obernbräter Hucklkätz“ ist somit, wie es die Gemeinde auf ihrer Homepage erklärt, Sinnbild für harte Arbeit, die wenig einbrachte. Mag der Sander Raser ebenfalls Symbol für den harten Broterwerb sein, so soll er doch auch für Wohlstand und Weltoffenheit stehen.
-> Notizen aus der Sander Gemeinderatssitzung finden Sie, liebe Leserinnen und Leser, auf Seite 4 dieser Ausgabe.