zurück
RÜGHEIM
Ein Bulli auf Umwegen
Eine schier unglaubliche Geschichte: Nach über 20 Jahren bringt ein Rügheimer einen alten VW-Bus wieder zurück in die Haßberge. Der Bulli hat eine lebhafte Geschichte hinter sich und dürfte dem ein oder anderen in der Region noch bekannt sein.
Ein Bulli auf Umwegen
Justus Neidlein
Justus Neidlein
 |  aktualisiert: 29.05.2015 17:57 Uhr
Fotoserie

Fast ein viertel Jahrhundert lang war er wie vom Erdboden verschluckt, nun ist er wieder zurück in seiner alten Heimat: Ein ehrwürdiger VW T2, Baujahr 1975 – ein Kultbus. Der Rügheimer Udo Gerner fährt den fröhlich dreinblickenden Bulli nun über die Straßen der Haßberge und sorgt damit für helles Aufsehen. Nicht nur weil der Bus nach wie vor in seinem leuchtenden Orange ein echter Hingucker ist, sondern vor allem wegen der unübersehbaren Aufschrift: „Möbel Engelhardt – Hassfurt a. M.“ steht auf den Seiten, „1. FC Hassfurt“ auf der Heckklappe. Der Bus ist also ein waschechter Haßbergler. Auch wenn er zwischendurch lange Zeit in Österreich zu Hause war.

Udo Gerner sitzt am Esstisch in seinem stilvoll eingerichteten Wohnzimmer und blättert im Fahrzeugschein. Der Bus hat in seinem bisherigen Leben eine Menge an Zeitgeschichte mitgemacht, so viel steht fest: Bis 1989 habe der Bulli zunächst einer Haßfurter Elektrofirma und dann dem 1. FC Haßfurt gehört. „Möbel Engelhardt hat die Mannschaft damals wohl gesponsert“, erklärt Gerner die Seitenaufschrift. Das war eine Zeit, an die sich Haßfurter Fußballer gerne erinnern. Der FC konnte damals beachtliche Erfolge in der Bayernliga feiern.

Der Bulli dürfte die Spieler dabei zu so manchem Fußballplatz begleitet haben, bis er kurz nach der Wende in die Hände von Gerhard Meyer kam. Gerhard Meyer – der ,Schnelle Meyer‘ – ist fast so etwas wie eine kleine Berühmtheit: Er war 1989 der erste DDR-Bürger, der es über die geöffnete Grenze zwischen Ungarn und Österreich schaffte. Schneller als alle anderen, mit 200 Sachen über die Autobahn. Daher sein Spitzname. In den Haßbergen ließ er sich nieder, kaufte den orangefarbenen Bulli und eröffnete in Sylbach das „Gasthaus zur deutschen Einheit“.

„Der ,schnelle Meyer‘ wollte, dass der Bus wieder in die Heimat kommt.“
Udo Gerner, Bulli-Besitzer

An das erinnert sich Udo Gerner noch sehr gut: „Ich war damals Zivi an meiner jetzigen Arbeitsstelle.“ Seit über 20 Jahren arbeitet er als Heilerziehungspfleger im Wohnheim der Lebenshilfe in Sylbach. „Wir waren mit unseren Betreuten oft beim 'Schnellen Meyer' essen.“

Aus dem Gasthaus in Sylbach ist inzwischen ein Hotel im österreichischen Steinach am Brenner geworden. Der Bulli hat Gerhard Meyer bis dorthin begleitet, nur stand er dort in den vergangenen 20 Jahren die meiste Zeit in einer Scheune. Völlig unverändert. Als habe der Bus nur auf Udo Gerner gewartet. Schon seit langer Zeit hat sich der Rügheimer nach einem solchen Modell umgeschaut. „Und dann habe ich diese Anzeige in der Zeitung gesehen.“ Das war am Karfreitag des vergangenen Jahres.

Gerhard Meyer hat den Bus damals absichtlich in den Haßbergen ausgeschrieben. „Der ,Schnelle Meyer‘ wollte, dass der Bus wieder in die Heimat kommt“, sagt Udo Gerner. Er habe dann fast vier Wochen regelmäßig mit Meyer telefoniert. Sicher war er sich aber trotzdem noch nicht. Es sei ja doch eine ziemliche Strecke bis zum Brenner. Über 450 Kilometer. Ein Freund, der Haßfurter Marco Schlegelmilch, hat den Rügheimer dann letztlich überredet und einen Autoanhänger beigesteuert. Zusammen sind die beiden nach Österreich gefahren und haben den Bus abgeholt. „Jetzt gehört er mir“, sagt Udo Gerner mit einem stolzen Grinsen im Gesicht.

„Das Auto macht einfach einen Riesenspaß.“ Und egal wo er stehe oder fahre, die Leute würden immer lächeln oder winken. Einmal habe in Haßfurt ein Mann angefangen, den Bus zu fotografieren. „Er hat mich dann angesprochen und mir gesagt, dass er den Bus noch von früher kenne und ihn auch mal gefahren sei.“

„Meine Tochter Lotta findet den Bus klasse!“
Udo Gerner, Familienvater

Aber auch Gerners Familie ist entzückt vom neuen Familienmitglied. Seine siebenjährige Tochter Lotta freue sich immer, wenn sie in dem bunten Bulli durch die Gegend gefahren wird. Und auch Ronja, Udo Gerners ältere Tochter, ist begeistert: „Ronja ist jetzt 18 und hat einen Führerschein. Im Sommer will sie mit dem Bus auf Konzerte fahren“, sagt der Vater. „Da müssen wir aber vorher noch ein bisschen Fahrtraining machen.“

Am 7. Juni wird Udo Gerner mit dem Bus auch beim Oldtimertreffen HOH Classic mit von der Partie sein. Durch die Treffen der Nostalgiefans hat der Rügheimer wieder neue Bekanntschaften gemacht. Und das hat Vorteile. So käme er zum Beispiel an Tipps von langjährigen Oldtimerfreunden, wo er Ersatzteile für den Bus bekommen kann. Denn die sind nicht leicht zu finden.

Generell scheint es aber, als habe Gerner für jede Aufgabe am Bus einen passenden Bekannten. So wird aus dem Bulli ein Projekt für einen ganzen Freundeskreis: Mit dem Haßfurter Rainer Schmitt hat Gerner die Innenverkleidung erneuert, mit dem Hofheimer Marinus Leicht die Sitze wieder auf Vordermann gebracht, und nun näht eine Nachbarin aus Rügheim die passenden Vorhänge. So macht die Arbeit am Bus noch mehr Spaß.

„Ich muss immer irgendwas machen“, sagt der 45-Jährige, der in seiner Freizeit schon seit Jahren alte Möbel restauriert und aufwendige Mosaike anfertigt. Mit einem Lächeln im Gesicht fügt er hinzu: „Was man macht, sollte man mit Herz machen.“ Momentan hängt sein Herz am orangefarbenen Bulli, dem waschechten Haßbergler. Und eines ist für Udo Gerner klar: „Das Ding geb' ich nicht mehr her.“ Und selbstverständlich will er die Aufschrift auf dem Bus erhalten, denn die macht den Bus erst zu einem Stück Haßberge-Geschichte.

Das freie Oldtimertreffen HOH Classic findet am 7. Juni zum sechsten Mal in der Hofheimer Innenstadt statt.

Ein Bulli auf Umwegen
Ein Bulli auf Umwegen
Bulli-Liebhaber: Udo Gerner aus Rügheim hat sich einen alten VW Bus in Österreich gekauft. Der Bus stammt aber ursprünglich aus den Haßbergen und hat eine bewegte Geschichte hinter sich.FOTO: Justus Neidlein
| Bulli-Liebhaber: Udo Gerner aus Rügheim hat sich einen alten VW Bus in Österreich gekauft. Der Bus stammt aber ursprünglich aus den Haßbergen und hat eine bewegte Geschichte hinter sich.FOTO: Justus Neidlein
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Rügheim
Justus Neidlein
Heilerziehungspfleger
Mosaike
Möbel
Oldtimertreffen
VW
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • hans-martin.hoffmann@t-online.de
    wenn ich das richtig sehe, ist das ja sogar ein "Rennbus" mit Typ-4-Motor und 68 bzw. 70 PS?

    Immer gut auf den Ölstand aufpassen und vernünftig mit dem Gaspedal umgehen, dann dürfte der Bulli seinen neuen Besitzer/innen noch lange Freude bereiten (sagt ein Selber-T2B-Besitzer)! grinsen
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten