Das Ehrenamt spielt in unserer Gesellschaft eine entscheidende Rolle, indem es Gemeinschaften stärkt, soziale Bindungen fördert und wichtige Aufgaben übernimmt. Dafür bringen Ehrenamtliche freiwillig ihre Zeit, Energie und Erfahrung ein, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Umso so wichtiger ist es, diesen Personen Dankbarkeit und Anerkennung entgegenzubringen.
Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege verleiht für besonderes ehrenamtlichen Engagement im Bereich Gesundheit und Pflege die Auszeichnung "Weißer Engel". Am Freitag verlieh die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach in der Residenz in Würzburg den "Weißen Engel" an neun Personen aus Unterfranken. Unter den Geehrten ist Rosemarie Pischel aus Buch. Die 70-Jährige erhielt die Auszeichnung für die Leitung der Multiple-Sklerose Selbsthilfegruppe im Landkreis Haßberge über 25 Jahre hinweg. Was sie über ihr Ehrenamt, die Ehrung und ihre eigene MS-Erkrankung denkt, darüber hat sie mit dieser Redaktion gesprochen.
"Ich war sehr überrascht", sagt Rosemarie Pischel über den Anruf, der ihr mitteilte, sie würde eine Auszeichnung für ihr Ehrenamt erhalten. "Für mich war es stets eine Selbstverständlichkeit zu helfen und die Gruppe zu leiten." Deshalb wollte sie die Auszeichnung zunächst nicht annehmen, zumal es andere gebe, die sie ebenso verdient hätten. Erst ihre Schwester konnte sie überzeugen, den "Weißen Engel" entgegenzunehmen. Erst im letzten Sommer gab sie die Gruppenleitung nach 25 Jahren ab. Anlass hierzu war das 35-jährige Bestehen der Gruppe. "Das war ein guter Zeitpunkt, um die Leitung an die nächste Generation weiterzugeben", erklärt die 70-jährige. Doch wie kam sie dazu, die Selbsthilfegruppe für MS-Erkrankte zu leiten?
Rosmarie Pischel war 30 Jahre alt, als bei ihr Multiple Sklerose diagnostiziert wurde. "Das war im Jahr 1984", erinnert die heutige Rentnerin sich. "Anfangs war ich verunsichert, da damals die Schreckensgeschichte vorherrschte, die Krankheit führe zwangsweise zu einem Leben im Rollstuhl." Auch die medizinische Erforschung sei damals noch längst nicht so gut gewesen. Durch ihre Erkrankung lernte sie 1990 die damalige Selbsthilfegruppengründerin Elli Kermer kennen. "Es hat mir sehr geholfen, mit jemandem zu sprechen, die sich in derselben Situation befindet", schildert Pischel. Dies gab ihr Sicherheit. Zur Selbsthilfegruppe ging sie erst 1993, da sie krankheitsbedingt den Beruf wechselte und nunmehr Zeit dafür hatte.
Die Gruppentreffen sind mehr als nur ein "Kaffeeklatsch"
Die Treffen brachten ihr Spaß und Abwechslung und die Gruppe wurde für sie zu einer "zweiten Familie", wie die 70-Jährige sagt. 1998 übernahm sie die Gruppenleitung. Es werde dort nicht nur über die Krankheit gesprochen, es ist vielmehr ein Treffen, um gemeinsam Zeit zu verbringen und Abwechslung in den Alltag zu bringen. So veranstaltet die Gruppe Bastel- und Spielenachmittage, Ausflüge in Städte oder es wird Fasching miteinander gefeiert. Auch werden Referenten eingeladen, die über aktuelle Behandlungsansätze und Möglichkeiten zur Verbesserung der Lebensqualität informieren.
"Mir ist der persönliche Austausch am wichtigsten. Mit Betroffenen kann man offen und anders über die Dinge sprechen. Oft haben sie ein besseres Verständnis für die Situation", berichtet Rosemarie Pischel. Fragen zu Erkrankung könnten gelöst oder auch an die passende Hilfsstelle weitergeleitet werden. Als Gruppenleiterin war sie stets "Sprachrohr und Hörapparat", wie die Rentnerin es schildert. Sie organisierte die Gruppentreffen, hielt den Kontakt zu verschieden Beratungsangeboten und der "Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (dmsg)". Dass die Leitung der MS-Selbsthilfegruppe eine betroffene Person innehat, sei von Vorteil. Denn sie wisse gut, was die Mitglieder können und wollen. Was gerade bei dieser Erkrankung ein Vorteil sei.
Die Krankheit mit den 1000 Gesichtern
Multiple Sklerose ist laut der "dmsg", eine entzündliche Erkrankung des Zentralen Nervensystems, welche das Gehirn und das Rückenmark umfasst. Beschwerdebild und Therapieerfolg seien von Patient zu Patient sehr unterschiedlichen. So komme ihr auch der Name "Krankheit mit den 1000 Gesichtern" zu. Eine MS-Erkrankung verläuft in Schüben, dies können Lähmungserscheinungen in unterschiedlichen Körperregionen sein.
Viele leiden unter Muskelkrämpfen, das Sehen oder das Sprechen können eingeschränkt sein. Die Symptome bilden sich nach dem Schub voll oder auch nur teilweise zurück. "Ich hatte immer das Glück, dass sich die verschiedenen Symptome wieder größtenteils zurückgebildet haben", erzählt Rosemarie Pischel. Deshalb konnte sie auch über viele Jahre die Gruppenleitung ausüben. Vielen Mitgliedern sei dies aufgrund des Krankheitsbildes schlichtweg nicht möglich.
Campen und Tanzen trotz der Erkrankung
Den Umgang mit ihrer eignen Erkrankung musste Rosemarie Pischel erlernen. "Ich musste es akzeptieren und in meinem Leben umdenken. Zwar gehen viele Dinge nicht mehr, aber dafür lernt man andere Sachen kennen, die einem Freude bereiten", erklärt sie. Ihr Mann Günther war dabei stets an ihrer Seite. Beide teilen die Leidenschaft des Campen. Statt lange Strecken zu fahren, bleiben sie im Landkreis und haben einen Stellplatz in Sand. Auch gehen die beiden gerne tanzen; zwar könne sie keine langen Strecken laufen, aber ihr Mann übernehme dabei die Führung und stütze sie gleichzeitig.
Für Rosemarie Pischel ist im Umgang mit der MS die Akzeptanz am wichtigsten. Dabei helfe auch der Erfahrungsaustausch in der Gruppe, das sei auch ihr Rat für Betroffene. Sie selbst wird weiter zu den Treffen der MS-Selbsthilfegruppe gehen und als "Weißer Engel" mithelfen.