Ausgemergelte Gesichter, von Pusteln übersät, weit aufgerissene Augen, offene Beine, Abszesse – keine schönen Bilder, die Thomas Bäuerlein und Martin Schütz im Jugendraum zeigen. Und es stimmt die Teens nachdenklich, wenn sie sehen, „was mit der Haut passiert, wie der Körper kaputtgeht“, sagt einer von ihnen hinterher.
Volker Pfeiffer, Jugendbeauftragter der Gemeinde Ermershausen, hat die beiden jungen Polizisten zu einem Infoabend eingeladen. Aktueller Anlass waren die Vorfälle um die Modedroge Crystal Meth im Raum Coburg und Bamberg. Zusammen mit der Evangelischen Landjugend (ELJ) hat Pfeiffer den Abend organisiert. Gut zwei Dutzend Jugendliche sind gekommen.
Zu hören bekommen sie erst mal jede Menge Infos: Welche Drogen es gibt, woraus sie gewonnen werden, wie sie aussehen und wie sie wirken. In letzterer Hinsicht haben alle Wirkstoffe etwas gemeinsam: auf mehr oder weniger langen Höhenflug folgt eine harte Landung, auf die Euphorie Niedergeschlagenheit – im besten Fall.
Noch schlimmer sind die langfristigen Folgen von Drogenmissbrauch, der körperliche Zerfall und die psychischen Probleme wie Depression, Angststörungen und Wahnvorstellungen.
Vermeintlich harmlos, aber eigentlich mindestens genauso gefährlich wie die harten Drogen, sind die so genannten „Legal Highs“: Kräutermischungen, Badezusätze und ähnliches mit berauschenden Substanzen. Das Problem: „Keiner weiß, was drin ist“, sagt Thomas Bäuerlein, „das ist russisches Roulette.“ Eine notärztliche Behandlung sei da schwierig. Die Substanzen verursachten nicht nur „richtig üble Trips“, sondern manche Leute blieben auf diesen Trips „hängen“ und kämen nicht wieder runter. Massive Hirnschäden seien die Folge.
Alltag auch in der Region
Wer denkt, das alles sei nur ferne Theorie und Drogen sind auf dem Land kein Thema, wird eines Besseren belehrt. Die – anonymen – Beispiele von Thomas Bäuerlein und Martin Schütz stammen aus dem Polizeialltag hier aus der Region. Sie berichten davon, wie Drogenabhängige völlig verwahrlosen und alles tun, um Geld für ihren Stoff zu beschaffen.
Drogenkonsum und Kriminalität – ein Strudel, in den man sehr leicht hineingerät. Auch das machen die beiden Polizisten anhand eines fiktiven Fallbeispiels deutlich: Ein Joint zum Ausprobieren, andere Freunde, härtere Drogen, zum Crystal kaufen nach Tschechien – und auf dem Heimweg mit zehn Gramm von der Polizei erwischt. Da ist nicht nur der Führerschein weg. Staatsanwalt, Durchsuchungen im Elternhaus und im Ausbildungsbetrieb, Verlust des Arbeitsplatzes, Eltern und Freundin wenden sich ab, es bleibt nur der Umzug in eine Sozialwohnung. „So schaut ein Leben aus, wenn man mal extrem weiterspinnt“, sagt Bäuerlein. Aber das ist eben nicht nur alles erfunden: Mit 15 solcher Fälle hatte er allein in den vergangenen vier Jahren zu tun, „und das sollte einem zu denken geben“.
Die meisten, sagt Bäuerlein, probieren es nur mal aus und sind danach wieder weg von Drogen. Aber es gibt eben auch diejenigen, die schließlich im Gefängnis landen und deren Familien wegziehen.
Doch selbst wer nicht in die Spirale der Abhängigkeit gerät und seinen Körper ruiniert, ist auf dem besten Weg, sich die Zukunft zu verbauen. Das zeigte sich beim Thema „Drogen im Straßenverkehr“. Auch hier wieder ein fiktives Beispiel, illustriert mit dem Bild von einem völlig demolierten Auto: Ein Unfall unter Drogeneinfluss, der Fahrer ist nur leicht verletzt, zwei Mitfahrer tot. „Überlegt euch, wie es ist, mit so einer Schuld zu leben, wie man den Eltern und Freunden unter die Augen tritt“, mahnen die Polizisten.
Aber auch eine Drogenfahrt ohne Unfall hat ihre Folgen, und sei es nur ein Joint, den man geraucht hat. Wer erwischt wird, muss mindestens zwei Jahre auf seinen Führerschein verzichten, Drogenscreening und den so genannten „Idiotentest“ auf sich nehmen, den, so berichten die Polizisten, niemand auf Anhieb besteht. Außerdem ist das Ganze mit Kosten verbunden, 2000 bis 4000 Euro sind da zu berappen.
Bei Alkohol drohen ähnliche Konsequenzen. Hier werde vor allem das Thema Restalkohol „massiv unterschätzt“, sagt Martin Schütz. Es gilt: „Bei einem Vollrausch darf man am nächsten Tag kein Auto fahren.“ Für junge Leute unter 18 sind die Strafen bei Erstverstößen in Sachen Drogen nicht so hart, aber die Anzeige geht immerhin auch ans Jugendamt – das dann die Eltern herbeizitiert – und an die Führerscheinstelle.
Dealer in Sichtweite
An Drogen heranzukommen ist nicht das Problem. Eine Jugendliche in der Runde berichtet von Dealern in Sichtweite ihrer Berufsschule. Für die Polizisten ist das nichts Neues, das gebe es an jeder Berufsschule. Aber diesen Dealern sei schwer beizukommen, erläutern sie auf den Einwand der jungen Frau hin. „Das ist ein Kampf gegen Windmühlen“, räumt Martin Schütz ein. Und: „Es ist erschreckend, wie viele Konsumenten es gibt, vor allem in jüngerem Alter.“
Umso wichtiger erscheint die Präventionsarbeit, aber auch die hat Grenzen. „Wir können euch nur die Folgen aufzeigen“, sagt Schütz an die Adresse der jungen Leute, „ihr selbst seid dafür verantwortlich, wie ihr euer Leben gestalten wollt. Die Entscheidung, Drogen zu nehmen oder nicht, nimmt euch niemand ab.“
Sein Kollege appelliert, in einer solchen Situation zumindest kurz darüber nachzudenken und sich im Klaren darüber zu sein, was passieren könnte. Jeder wisse, was Sache sei, niemand brauche hinterher zu jammern.
Noch deutlicher ist der Appell von Volker Pfeiffer: „Ich hoffe, ihr beherzigt das, und lasst die Finger von dem Mist.“