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Bamberg
Drei neue Stolpersteine erinnern an die Familie Baum
Joshua Postolski (rechts) und Andreas Ullmann mit den Stolpersteinen für die Familie Baum.
Foto: Marion Krüger-Hundrup | Joshua Postolski (rechts) und Andreas Ullmann mit den Stolpersteinen für die Familie Baum.
Marion Krüger-Hundrup
 |  aktualisiert: 25.05.2024 02:41 Uhr

Als Dienst an den Menschen, deren Namen und Lebensdaten auf den Stolpersteinen zu lesen sind, versteht die Willy-Aron-Gesellschaft diese Erinnerungsobjekte. Aber auch als "Dienst an den Nachkommen, an den heute Lebenden", wie Mechthildis Bocksch, Vorsitzende der Willy-Aron-Gesellschaft, sagt. Und letztlich seien Stolpersteine auch ein Bekenntnis zu "unseren demokratischen Grundrechten und Grundwerten wie Menschenwürde, Freiheit, Zivilität und Solidarität".

Anlass war die Verlegung von drei neuen Stolpersteinen in der Josephstraße 21a. Am einstigen Wohnort der jüdischen Familie Baum versammelten sich neben den Bewohnern über 40 Bamberger, um weiterhin an einem Netz für Menschlichkeit in der Stadt zu knüpfen. Über 200 Stolpersteine sind hier bereits auf Initiative der Willy-Aron-Gesellschaft eingelassen: "Es könnten noch Hunderte folgen", weiß Vorstandsmitglied Andreas Ullmann.

Er koordiniert in Bamberg diese vom Künstler Gunter Demnig vor 30 Jahren ins Leben gerufene, inzwischen europaweite Aktion. Ullmanns Vorarbeit ist ein wesentlicher Teil der Erinnerungsarbeit, die nicht mit dem Verlegen endet, sondern im Erforschen von Biografien und Schicksalen von Menschen beginnt.

So war es auch für diese drei neuen 96 mal 96 Millimeter großen Messingtäfelchen: Für Josef und Marie Baum sowie ihren Sohn Kurt. Der Junge war gerade 17 Jahre alt, als seine Eltern ihr einziges Kind in die Vereinigten Staaten schickten, um ihn vor der Bedrohung der Nazi-Herrschaft zu retten - im Jahr 1937, als noch nicht absehbar war, auf welch grausame und zerstörerische Weise sich die Nationalsozialisten offenbaren würden. Josef und Marie Baum schrieben ihrem Kind im amerikanischen Exil regelmäßig Briefe, bis ins Jahr 1941. Dann wurde Josef Baum nach Riga deportiert und ermordet. Seine Ehefrau Marie war bereits 1938 in Bamberg gestorben.

Die Briefe der Eltern, die Kurt Baum – in Amerika änderte er die Schreibweise seines Vornamens in Curt – viele Jahre in einem braunen Koffer aufbewahrt hatte, spendeten seine Nachkommen nach seinem Tod 2004 an die Wake Forest University. Ein Team engagierter Forscher machte aus diesem Fund ein akademisches Projekt, zu dem auch ein Buch veröffentlicht werden soll. Bisher bietet die "Kurt Baum Family Collection" und die beteiligten Professoren verschiedener Universitäten damit eine digitale Sammlung für Historiker, Studierende und Dozenten. So kann die Einwanderungsgeschichte von Juden in die USA näher erschlossen werden.

Die Germanistin Fiona Burdett transkribierte und übersetzte mehr als 100 Seiten der meist handgeschriebenen Briefe an Kurt Baum. Sie erfuhr von der in Deutschland etablierten Stolpersteinkultur, recherchierte in Bamberg und stieß auf Andreas Ullmann. Der Kontakt wurde hergestellt, intensiviert – und führte zu ihrer persönlichen Teilnahme an der Stolpersteinverlegung für die Familie Baum. Auch für den ins sichere Ausland geflohenen Kurt. Denn Stolpersteine erinnern nicht ausschließlich an die ermordeten Opfer der Hitler-Diktatur, sondern auch an Holocaust-Überlebende.

"Die Idee ist gut und interessant. Wichtiger ist aber die Mahnung der Stolpersteine, dass sich die Geschichte nicht wiederholt", sagt Joshua Postolski. Er ist der Enkel von Kurt Baum und eigens aus den USA angereist. Für Stadtrat Christian Hader, der in Vertretung von Oberbürgermeister Andreas Starke in der Josephstraße die Rede hielt, "ein starkes Zeichen, dass Sie den weiten Weg auf sich genommen haben". Stolpersteinen könne es gelingen, Brücken zu bauen zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart, zwischen Menschen und Schicksalen. Zumal viele Anwohner der Stadt Bamberg die Stolpersteine in ihrer Gegend an Gedenktagen liebevoll mit Blumen schmücken und sie regelmäßig mit großer Sorgfalt putzen. Markus Nill wird die Stolpersteine für die Familie Baum zukünftig pflegen.

"Wir verneigen uns vor den Opfern. Wir holen sie mit den Stolpersteinen in unsere Mitte, in unsere Stadt zurück", betonte Stadtrat Hader. Und zwar genau dorthin, wo sie gelebt haben – zur bleibenden Erinnerung heute, morgen und in der Zukunft.

Andreas Ullmann übersetzte für Kurt Baums Enkel Joshua Postolski ins Englische. Postolski, 32 Jahre alt, gibt im Gespräch mit dieser Redaktion unumwunden zu, wie schwer ihm die Reise in die familiäre Vergangenheit fällt: "It is tough to come", schluckt er aufkommende Tränen hinunter. Seine Gedanken an den Großvater bleiben an dessen treuem Festhalten an Zeremonien zum Schabbat hängen. An "Curts" hartem Arbeitsleben, und an seiner "vollen Liebe zu seiner Familie". "Grandpa" habe nie deutsch mit ihr gesprochen und überhaupt nur sehr wenig über sein früheres Leben in Bamberg erzählt, fasst Joshua zusammen.

Der Apotheker aus Cincinnati im US-Bundesstaat Ohio ist zum ersten Mal in Deutschland. Wegen der "speziellen Familiengeschichte" sei eine Reise früher nicht in Frage gekommen.

Die Besucher der Gedenkstunde legten an den neuen Stolpersteinen gelbe Rosen nieder, die Lieblingsblumen von Kurt Baum.
Foto: Franca Heinsch | Die Besucher der Gedenkstunde legten an den neuen Stolpersteinen gelbe Rosen nieder, die Lieblingsblumen von Kurt Baum.
Kurt Baum mit seinen Eltern Josef und Marie. Die Familie wohnte in der Bamberger Josephstraße.
Foto: Kurt Baum/Family Collection | Kurt Baum mit seinen Eltern Josef und Marie. Die Familie wohnte in der Bamberger Josephstraße.
 
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