Als am 14. März 2018 in Berlin die vierte Bundesregierung unter Angela Merkel (CDU) vereidigt wurde, war eine Unterfränkin neu im Kabinett: Dorothee Bär aus Ebelsbach (Lkr. Haßberge). Die Bundeskanzlerin berief die ambitionierte CSU-Politikerin zur Staatsministerin und Beauftragte für Digitalisierung. Präsent und rege unterwegs in den sozialen Medien wie nur wenig andere aus dem Politikbetrieb in Berlin, warb Dorothee Bär von Beginn an für die Chancen, die in der gar nicht mehr so neuen Technik stecken - egal ob für Mobilität, Gesundheit, Bildung oder die Verwaltung.
Die Digitalisierung hat seitdem also ein politisches Gesicht. Manche Ideen blieben gleichwohl Stückwerk, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Staatsministerin im Kanzleramt kein eigenständiges Ministerium mit entsprechender personeller und finanzieller Ausstattung führt.
Wie ist Bärs Bilanz, drei Jahre nach Amtsantritt und sechs Monate vor der nächsten Bundestagswahl? Die Redaktion hat dazu sieben Digital-Experten gefragt. Sie hatten fast alle bereits nach hundert Tagen Amtszeit ein erstes Urteil über Qualitäten und Herausforderungen der Digital-Staatsministerin Dorothee Bär abgegeben.
Manuel Höferlin, FDP-Bundestagsabgeordneter und Netzexperte:
Hat Dorothee Bär Ihre Erwartungen erfüllt? Wie fällt Ihre Bilanz aus?Leider negativ, was aber nicht an Dorothee Bär liegt. Die GroKo konnte in dieser Legislaturperiode kaum Fortschritte erzielen. Staatsministerin Bär verfügt weder über ein eigenes Budget noch über echte Entscheidungskompetenz. Ihr Job ist die positive Außendarstellung der Digitalpolitik, was schwer genug ist.
Die Digitalpolitik der GroKo leidet an einem Umsetzungsdefizit, dem ein strukturelles Defizit zugrunde liegt. Digitale Transformation ist eine Querschnittsaufgabe. Viele Vorhaben bleiben vor der Umsetzung stecken oder versanden in langwierigen Abstimmungsprozessen.
Ja! In meiner Vorstellung basiert das Ministerium auf drei Säulen: In der ersten Säule geht es um die digitalpolitischen Kernvorhaben, für die es federführend zuständig sein muss. In der zweite Säule werden die Fachvorhaben der anderen Ministerien im Zuge einer Gesamtstrategie koordiniert. Die dritte Säule ist ein Think-Tank, um schneller auf digitale Trends reagieren zu können.
Markus Beckedahl, Gründer des Blogs "netzpolitik.org":
Hat Dorothee Bär Ihre Erwartungen erfüllt? Wie lautet Ihre Bilanz?Meine Erwartungen waren nicht hoch. Ich kann allerdings auch nicht viel zu ihrer Bilanz sagen. Sie konnte sich gut vermarkten, aber es bleibt unklar, was genau ihre Rolle über die Repräsentanz für das Thema hinaus war.
Besseres Mindset in Behörden, Ministerien und Verwaltungen. Zuviel Förderalismus führt dazu, dass alle die Verantwortung auf andere abschieben. Lehrer und Schüler bräuchten Bildungsplattformen, die auch für Krisen geeignet sind, nicht Microsoft-Produkte von der Stange. Und wenn mal ausnahmsweise ein E-Government-Projekt richtig aufgesetzt wird, wie es bei der Corona-Warn-App der Fall war, dann wird alles durch Ahnungslosigkeit zerlabert.
Das beste Digitalministerium mit den meisten Kompetenzen bringt nicht viel, wenn keine Strategie vorhanden ist und wenn man jemanden wie Günther Oettinger dahin setzt. Aber sollte man in der Bundesregierung eine Strategie entwickeln, könnte ein gutes Digitalministerium mit kompetenter Besetzung schon was bringen.
Christian Andersen, Zentrum für digitale Innovationen Mainfranken:
Hat Dorothee Bär Ihre Erwartungen erfüllt? Wie lautet Ihre Bilanz?Vieles geht noch zu langsam. Deutschland ist bei der Digitalisierung im internationalen Vergleich immer noch Mittelfeld. Aber nicht alle Defizite und Verzögerungen kann man Frau Bär anlasten. Ihr Mindset passt, sie würde in vielem auch gerne schneller sein, ist aber von anderen abhängig oder hat nicht die Ressourcen.
In Deutschland werden viele gute Ansätze aufgrund starker Regulierungen ausgebremst und verzögert. Wir sollten mutiger werden und uns bei Ländern, die weiter sind, mehr abgucken. Unbedingt: Mehr Aus- und Weiterbildung sowie Aufklärung in Bereich Digitalisierung. Nicht nur in den Schulen, sondern für alle Bürger.
Digitalisierung ist ein Querschnittsthema und spielt in der Arbeit von vielen Ministerien eine wichtige Rolle. Ich habe Sorge, dass es mit einem Digitalministerium wegen Zuständigkeitsstreitigkeiten mit anderen Ministerien zu Verzögerungen käme. Daher lieber eine gut ausgestattete Abteilung im Bundeskanzleramt mit viel Rückendeckung durch den zukünftigen Kanzler oder die Kanzlerin.
Anke Domscheit-Berg, Linke-Bundestagsabgeordnete und Netzaktivistin:
Hat Dorothee Bär Ihre Erwartungen erfüllt? Wie lautet Ihre Bilanz?Da früh klar war, dass ihr Amt mit wenig Entscheidungsgewalt und Ressourcen ausgestattet ist, waren meine Erwartungen nicht besonders hoch. Es ist dennoch sehr bedauerlich, dass auf werbewirksame Ankündigungen zu wenig folgt. So blieb es bei der Ankündigung einer Bundeszentrale für digitale Aufklärung.
Es braucht einen Kulturwandel in der Verwaltung, viele Projekte scheitern am Widerstand in den eigenen Reihen: Weil digitale Kompetenzen unterentwickelt und Ziele unverbindlich sind, der Wille zur Kooperation über föderale und ministeriale Grenzen fehlt und es keine klare Vision für die Zukunft gibt.
Ein Digitalministerium war vor 15 Jahren sinnvoll. Jetzt braucht es mehr Digitalkompetenz in jedem Ministerium, eine enge Zusammenarbeit aller Fachbereiche, um gemeinsam strategische Ziele zu erreichen. Dazu braucht es eine Digitalisierungsstrategie, die diesen Namen verdient.
Chan-jo Jun, Fachanwalt für IT-Recht in Würzburg
Hat Dorothee Bär Ihre Erwartungen erfüllt? Wie lautet Ihre Bilanz?Die Staatsministerin kommt ohne Unfälle, aber auch ohne bemerkenswerte Erfolge durch die Legislaturperiode. Das könnte man mit der beschränkten Ausstattung des neuen Amtes entschuldigen, darf man aber nicht. Ich hätte mir von ihr mehr Einsatz gegen Verschwörungstheorien und FakeNews im Netz gewünscht. Immerhin hat sie wichtige Regulierungen nicht zu Gunsten der Plattformbetreiber und Gamingindustrie blockiert.
Dorothee Bär hat den Datenschutz als Sündenbock ausgemacht, womit sie vielen aus der Seele spricht. Wir scheitern aber nicht, weil Jitsi unkomfortabler ist als Zoom, sondern weil die Bundesregierung der Telekom über Jahre hinweg erlaubt hat, uns mit lahmen Kupfer abzuspeisen. Wir sollten nicht die Wirtschaft fragen, was sie verkaufen wollen, sondern die Patienten, Schüler und User fragen, was sie brauchen.
Im Augenblick ist das Amt ein fünftes Rad am Wagen. Digitale Projekte werden zerredet zwischen den Ministerien, wo eine Staatsministerin kaum ernstgenommen wird. Wollte man Digitalpolitik aus einer Hand, müssten viele Kompetenzen ins neue Haus verschoben werden.
Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer Digitalverband Bitkom:
Hat Dorothee Bär Ihre Erwartungen erfüllt? Wie lautet Ihre Bilanz?Dorothee Bär brennt für die Digitalisierung. Und sie hat in den vergangenen drei Jahren jede Gelegenheit genutzt, für den Einsatz digitaler Technologien zu werben. Als Digitalstaatsministerin im Kanzleramt ist sie die wichtigste Botschafterin für Digitalthemen.
Ohne Frage hat die Corona-Krise jahrelange Versäumnisse in der Digitalpolitik offengelegt. Wir müssen jetzt endlich vom Debattier- in den Machermodus wechseln. Die Pandemie ist der finale Weckruf. Kern des Problems ein extrem stark ausgeprägter Föderalismus – so ist ein Flickenteppich an 16 unterschiedlichen Digitalpolitiken entstanden. Es fehlt der gemeinsame Ansatz und alle Entscheidungen kosten zu viel Zeit. Wir brauchen eine tiefgreifende Föderalismusreform.
Ja. Je schneller, desto besser. Wir brauchen eine starke Instanz, die mit allen Rechten und Ressourcen ausgestattet ist, um die digitalpolitischen Aktivitäten auf Bundesebene zu steuern und zu treiben. Das ist der Anspruch an ein Digitalministerium, das mit der nächsten Regierung kommen muss.
Christoph Rockenstein, Internet-Dienstleister in Würzburg:
Hat Dorothee Bär Ihre Erwartungen erfüllt? Wie lautet Ihre Bilanz?Frau Bär bekleidet ein Amt, welches der Bedeutung des Themas Digitalisierung nicht gerecht wird. Sie führt kein Ministerium, sondern einen überschaubaren Mitarbeiterstab. Die Stellenbeschreibung beinhaltet die ressortübergreifende Koordination und die Erarbeitung einer einheitlichen Strategie. Das eine kann, das andere will ich nicht bewerten.
Auf unsere Projekte trifft diese Aussage nicht zu. Da klemmt wenig. Hat man sich mit den Auswirkungen eines - immer noch - regulierten Marktes der Netzinfrastruktur sowie einer Vielzahl bürokratischer Hürden arrangiert, ist eine schnelle Umsetzung guter Ideen möglich. Weniger Bürokratie und mehr Transparenz täte allen gut.
Ja. Bessere Frage: Welche Kompetenzen sind andere Ministerien bereit abzugeben? Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur bildet beispielsweise nur einen kleinen, aber wichtigen Teil einer Digitalisierungsstrategie ab. Das Dilemma: Digitalisierung betrifft bereits heute jeden gesellschaftlichen Bereich.
Viele die hie so negativ schreiben wissen nämlich eh nicht was dieser Job mit sich bringt und was das für eine Materie ist! Und was sie leistet!
Sie wollen es auch nicht wissen sondern glänzen mit Bashing!
Wenn man die Statements im Kommentar des MP Berichtes liest wird es klar was es bedeutet und woran es uns mangelt!
Dazu passen die Millionen von Besseren Abgeordneten und Bundestrainer überhaupt nicht! Sie würden sie ja sowieso nicht wählen!
Und objektiv gesehen hat sie bei Reflexion ihrer Arbeit im Wahlkreis viel gemacht. Das wird an der Präsenz deutlich. Das kann weder die Kollegin von der SPD, noch von den Grünen aufweisen. Von einer Vertretung der Wähler und des Wahlkreises sind die Meilenweit entfernt!
wie war die situation vor drei jahren, was hat sich inzwischen getan.
ich vermute mal nicht viel.
sie mag das "gesicht der digitalisierung" sein, mehr aber auch nicht.
sie wurde ja vor drei jahren von der staatssekretärin zur staatsministerin umgewidmet, und man fragt sich was sie in der zeit gemacht hat, ausser die sozialen medien zu bespielen.
also, Mic_Ro, mich würde es brennend interessieren was sie in den letzten jahren geleistet hat, sie scheinen da näher dran zu sein.
aber bitte nicht, das sie sich redlich bemüht, aber aufgrund des fehlenden budgets und keinerlei weisungsbefugnis eigentlich nichts machen kann.
Da frag ich mich, was eigentlich eine CSU Digitalisierungsministerin Bär macht.
Da drängt sich der Eindruck auf: Nichts.
Was macht die bayrische Digitaalisierungsministerin in Bayern? auch nichts? Auch die könnte doch helfen, dass in Bayern die Nachverfolgung klappt.
Soll das auch noch das RKI machen. Während die CSU Ministerinnen weiter schlafen. Auf Bundes- und Landesebene.
-Flugtaxi
-Latexkleid
-Ausstellungsstand mit Kinderspielen beim Tag der offenen Tür im Bundeskanzleramt
Auf Fragen nach Glasfaserausbau und Internet an Schulen wurde man von Ihrer Mitarbeiterin Frau Dr. Julia Reuss an Andi Scheuer und dessen Ministerium verwiesen.
Ja, die beiden waren schon ein Dream Team.
Man darf gespannt sein auf ihre neuen Pöstchen nach der Wahl.
Ich nenne als Beispiel nur die flächendeckende Versorgung mit Mobilfunk und Internet. Es dauert hier in Deutschland Jahre bis alle Genehmigungs- und leider auch Gerichtsverfahren durchlaufen sind um z. B. einen Mobilfunkmast aufstellen zu dürfen. Blockierer sind u. a. aber auch die Bevölkerung (Anwohner) selbst. Identisch läuft es mit Windenergie oder für eine Stromtrasse durch Deutschland für die Beförderung regenerativer Enerige.
Man könnte noch Dutzende von Beispiele bringen die zeigen, dass die völlig überzogene Regulierung, Bürokratie und auch der Datenschutz ein schnelles Vorankommen in vielen Themenbereichen dramatsich verhindert und sogar blockiert.
Der Schwarzen Filzamigos CDU/CSU und die Groko insgesamt haben offenbar noch nicht die Wichtigkeit des Digitalressorts erkannt -viel Lederhose, wenig Laptop- sonst würde es längst ein eigenes Digitalministerium geben, mit allem, was dazu gehört!
Ich bin mir sicher ab Herbst regeln die Grünen das dann schon.