Donnerstagvormittag im Reichstag zu Berlin. Der Bundestag debattiert über die Finanzierung der Flüchtlingspolitik. Vertreter der Großen Koalition loben sich gegenseitig über die Einigung, die Länder milliardenschwer zu unterstützen. Der Opposition reicht das Geld nicht. Routinedebatte. Auf der Regierungsbank sitzt Finanzminister Wolfgang Schäuble, der die Neuregelungen zuvor vorgestellt hat. Neben ihm – rechts von der Besuchertribüne aus – Dorothee Bär.
Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur vertritt Minister Alexander Dobrindt. Auch die meisten anderen Kabinettsmitglieder haben ihre Staatssekretäre geschickt. Vor Bär türmt sich ein meterhoher Aktenberg. Routiniert arbeitet die 38-Jährige die Unterlagen durch.
Wie viel Papier sie auf diese Weise am Tag durcharbeitet? Dorothee Bär überlegt. „Ich habe das nie gezählt.“ Aber es sei ihr schon wichtig, sagt sie, möglichst jedes Schreiben, das eines ihrer Büros verlässt, auch selbst zu lesen. So eine Bundestagssitzung ist eine gute Gelegenheit, mit der Schreibarbeit voranzukommen. Wenn nicht gerade Themen ihres Ressorts behandelt werden, geht es hier um bloße Anwesenheit. Der Kanzlerin ist die Präsenz auf der Regierungsbank wichtig, wenn schon die Parlamentarier-Reihen unter der Reichstagskuppel nur dünn besetzt sind.
Seit Dezember 2013 ist Bär Staatssekretärin. Sie vertritt weiter als direkt gewählte Abgeordnete ihren Wahlkreis, der die Landkreise Bad Kissingen, Rhön-Grabfeld und Haßberge umfasst. Hinzu gekommen sind die Aufgaben im Ministerium, das mit 1600 Mitarbeitern in Berlin und Bonn zu den größeren gehört.
Und mit Themen wie Autobahn-Maut, Bundesverkehrswegeplan und Internet-Ausbau stark im Fokus steht. Gleich drei Staatssekretäre teilen sich die vielen Aufgaben. Bär indes lässt keinen Zweifel, dass sie dem Minister am nächsten steht. Man kennt sich gut, vier Jahre war die 38-Jährige vor 2013 Vize des CSU-Generalsekretärs Dobrindt.
Die CSU-Politikerin aus Ebelsbach (Lkr. Haßberge) macht seit 14 Jahren hauptberuflich Politik. 2002 zog sie in den Bundestag ein. Von Kindesbeinen an sei daheim über Politik diskutiert worden, erzählt sie beim Steak (mit ganz viel Chili) in der Parlamentarischen Gesellschaft. Kein Wunder, der Vater war Bürgermeister, der Großvater und der Urgroßvater auch. „Schon im Mittelalter gab es Landvögte in unserer Familie.“ Obwohl selbst in der CSU, habe ihr Vater sie gewarnt, als sie mit 14 der Jungen Union beitreten wollte. Bär: „Er hat gesagt, Du bist zu jung dafür. Da habe ich es trotzdem gemacht.“
Seine Bedenken, die Tochter könnte zu zartbesaitet für die politische Auseinandersetzung sein, erweisen sich als falsch. Schülerin Dorothee steht für ihre konservativen Überzeugungen, egal ob beim Familienbild oder bei der inneren Sicherheit, auch gegen Widerstände unter Mitschülern am Gymnasium („Einmal haben sie mich sogar aus dem Bibel-Arbeitskreis geschmissen“) ein. „Selbst meinem Vater war ich damals zu konservativ, viel zu schwarz-weiß“, erinnert sie sich. „Er hat immer die Grautöne gepredigt, war maßvoll und ausgleichend.“ Heute, sagt Dorothee Bär, sei sie gemäßigter als damals. Warum? „Weil man eben merkt, dass die Welt nicht nur schwarz und weiß ist.“
So festgeklopft das politische Weltbild der Teenagerin ist, so aufgeschlossen begegnet sie der (Sub-)Kultur. „Ja, ich habe immer gerne Punk gehört, ich war bei Toten-Hosen-Konzerten, als die noch nicht Mainstream waren.“ Wie das? Sie trenne zwischen Musik und Filmen, die ihr gefallen, und der Einstellung der Künstler, sagt Dorothee Bär. „Hätte ich nur Filme geschaut, deren Regisseur mir politisch passt, wäre da außer Uschi-Glas-Produktionen nicht viel gewesen.“ Bei dieser Analyse muss sie lachen.
Fragt man nach Vorbildern in der Politik, fällt immer wieder der Name Edmund Stoiber. Ausgerechnet dieser technokratische Aktenfresser? Eher hätte man Sympathien für Menschenfänger wie Horst Seehofer oder Gerhard Schröder vermutet. „Vielleicht liegt es daran, dass Stoiber eben so anders ist.“ Unter den heute aktiven Politikern gefallen ihr junge Aufsteiger wie der konservative österreichische Außenminister Sebastian Kurz und der linksliberale kanadische Ministerpräsident Justin Trudeau. Drunter macht es die studierte Politikwissenschaftlerin nicht. Ein Hinweis auf eigene Ambitionen? Gibt es nach der Bundestagswahl 2017 eine Ministerin Bär? Die 38-Jährige ist clever genug, öffentlich keine Ansprüche zu formulieren.
„Das hängt von so vielen Zufällen ab“, sagt sie. Und natürlich: „Erst einmal müssen wir gewinnen.“
Der Job in der Regierung macht der Ebelsbacherin jedenfalls erkennbar Spaß. „Immer neue Themen, immer neue Menschen, ich liebe das.“ Der Ausbau der digitalen Infrastruktur ist ihr Anliegen. Dafür brennt sie, dabei geht ihr vieles nicht schnell genug.
50 Megabyte Internet-Kapazität für alle, das sei ein ehrgeiziges Ziel, doch es reiche nicht für hochkomplexe Anwendungen beim automatisierten Autofahren oder in der Telemedizin. Dabei seien es Fragen der Mobilität und der Gesundheitsversorgung, die in Zeiten des demografischen Wandels entscheidend für die Zukunft von ländlichen Regionen wie Rhön und Haßberge sind. „Ich bin schon im richtigen Ministerium gelandet“, sagt die frühere Familienpolitikerin.
Früh aufstehen mag Dorothee Bär nicht. „Lieber einen späten Abendtermin, als einen morgens um sieben.“ Von ihrer Altbau-Wohnung in Berlin-Mitte hat sie es nicht weit ins Ministerium. Punkt 8.30 Uhr erörtert Alexander Dobrindt mit seinen engsten Mitarbeitern die „Morgenlage“. Danach jagt ein Termin den nächsten. In den Sitzungswochen tagen mittwochs die Bundestagsausschüsse. Parlamentsarbeit, über die wenig nach außen dringt. Hier werden die Gesetze von morgen besprochen. Im Verkehrsausschuss geht es diesmal um die Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen. Fachpolitiker und Experten diskutieren Chancen und Risiken. Durchaus kontrovers, aber ohne Säbelrasseln. Dafür fehlt's an Publikum.
Dorothee Bär ist im Thema, hakt ein, wenn es nötig ist. Die Staatssekretärin ist gut vorbereitet, nicht zuletzt dank Benedict Janich. Seit vier Jahren der engste Mitarbeiter, managt der Büroleiter den Tagesablauf der Politikerin und bereitet die Termine auch inhaltlich vor. Janich steht loyal an ihrer Seite. „Ich muss – und soll auch – nicht immer ihrer Meinung sein, aber ich muss wissen, was sie denkt und wo sie Prioritäten setzt.
“ Egal ob im Parlament, bei Gesprächen mit Lobbyisten und auch bei repräsentativen Auftritten, der Referent ist dabei. Er flüstert ein oder schreibt eine Nachricht, wenn ein Journalist kurzfristig etwas wissen möchte. Oder Dobrindt.
Zwischendurch stehen im Ministerium politische Gespräche an. Vertreter eines Ingenieurverbands planen ein Interview für die Mitgliederzeitung. Man tauscht Freundlichkeiten aus, nette Worte zur Notwendigkeit guter digitaler Infrastruktur. Ein Wohlfühltermin. Bei den nächsten Besuchern sieht das anders aus. Begleitet vom örtlichen CDU-Abgeordneten, fordert ein Landrat aus Thüringen, die ersehnte Ortsumgehung in den „vordringlichen Bedarf“ des Bundesverkehrswegeplans aufzunehmen. Die Zahlen sprechen dagegen, das Projekt ist nicht wirtschaftlich. Bär bleibt hart. Fürs gemeinsame Foto quält man sich ein Lächeln ab.
Dorothee Bär weiß um ihre Wirkung. Politik in Berlin ist – trotz Merkel und Frauenquote – nach wie vor ein Männerbetrieb. Da fällt eine Frau auf, die noch keine 40 ist, die statt Hosenanzügen lieber Röcke und High Heels trägt. Die Leute mögen lästern, wenn sie selbst zum Spatenstich in hohen Schuhen auf einer Baustelle erscheint. Ihr ist das egal. „Ich bin nicht so erzogen worden, dass man sich ständig darüber Gedanken macht, was andere über einen denken.“ Die Aufmerksamkeit indes nimmt sie gerne mit.
Und sie spielt mit ihr. Da gibt sie dann der „Welt“ ein Interview im Bikini, da taucht sie auf der Regierungsbank in Dirndl oder Bayern-München-Trikot auf. Schlagzeilen sind ihr dann gewiss. Zumal sie diese via Twitter und Facebook selbst befeuert. Es sind nur wenige Politiker in den sozialen Netzwerken so präsent wie die 38-Jährige. Wenn sie nach einem Sturz ein Foto vom blutenden Knie veröffentlicht, ist das nicht doch kalkuliertes Marketing? Bär kennt die Frage. „Da ist nichts geplant“, sagt sie. „Das Posten macht einfach Spaß, da bin ich emotional und spontan.“ Manchmal, räumt sie ein, „zu spontan, dann geht es auch mal daneben“.
Dass solche Auftritte auch von Parteifreunden mit Argusaugen beobachtet werden, weiß die Staatssekretärin. Da heißt es dann schon mal, Bär verdecke durch die ständigen Aktivitäten im Internet mangelnde politische Kompetenz. Alles natürlich anonym, offen greift sie niemand an. Thomas Habermann zählt zu ihren Freunden. Der Rhön-Grabfeld-Landrat zeigt sich auf Nachfrage beeindruckt, wie „strukturiert“ die CSU-Kollegin die Aufgaben als Staatssekretärin in Berlin und Abgeordnete in Unterfranken managt. Keine Anfrage bleibe unbeantwortet, nach wie vor sei sie auch in den Themen des Wahlkreises sehr präsent. Da habe sich mit dem Aufstieg ins Ministerium nichts geändert. „Und sie kann mit den Leuten, das ist ihr großes Plus.“
Sabine Dittmar, SPD-Bundestagsabgeordnete im gleichen Wahlkreis, mag auf die Frage, wie sie das Wirken der CSU-Kollegin beurteilt, nicht antworten. Es bestehe keinerlei Beziehung zu Bär, sagt sie. Was natürlich auch eine Antwort ist. Andere Genossen aus der Region beklagen, die Staatssekretärin schaue allein auf ihr Bild in der Öffentlichkeit, an Zusammenarbeit in der Sache sei ihr nicht gelegen. Nein, mit Namen aber will niemand für solche Kritik einstehen.
Bleibt noch die Frage, die Freunde und Kritiker, Zeitungsleser und Wähler von Dorothee Bär am meisten umtreibt: Wie schafft es die 38-Jährige mit all ihren Ämtern und Ambitionen auch noch Mutter dreier Kinder im Alter von vier bis zehn Jahren zu sein? „Würden Sie einem Mann die gleiche Frage stellen?“, antwortet sie. Wahrscheinlich würde man es nicht tun. Familie ist Privatsache. So offen die Staatssekretärin einlädt, Erinnerungsstücke in ihren Büros zu fotografieren, so klar setzt sie Grenzen: „Bitte keine Fotos von Kinderbildern.“ Sie genieße es, gesteht sie, in sitzungsfreien Wochen die Kleinen auch mal selbst zum Kindergarten zu bringen. Ansonsten aber vertrauten ihr Mann, als Landrat von Hof ebenfalls nur selten daheim, und sie auf die Unterstützung ihrer Großfamilie. „Wir sind froh, dass wir sie haben. Die kümmern sich um unsere Kinder mit ganz viel Herzblut.“
Wer wie Frau Bär, die als MdB sicher keinen 40 Stunden Tag und einen Mann als Landrat hat der rund um die Uhr gefordert ist, 3 Kinder in die Welt setzt und die dann in die Großfamilie (Eltern sind geschieden) abschiebt, verliert für mich jede Glaubwürdigkeit.
Frau Bär halte ich in Sachen Politik für wenig kompetent. Sie vermittelt das Bild der karrieregeilen Bilderbuchfrau. Schade. Ich bin für mehr kompetente Frauen in der Politik. Da für politisch engagierte Frauen in der CSU aber Kriterien gelten, die größtenteils mit politischer Kompetenz nichts zu tun haben, werden Frauen wie Bär hochgespült. Eine Frau soll, wenn Sie kompetent ist Karriere machen. Aber dann muss der Mann zurückstecken.
Ob Mann oder Frau wer fast ausschließlich mit Äußerlichkeiten, aber wenig politischen Inhalten glänzt....