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LENDERSHAUSEN
Dorf anno dazumal
Dorf anno dazumal
Von unserer Mitarbeiterin Gudrun Klopf
 |  aktualisiert: 11.11.2015 11:40 Uhr

„Angefangen hat alles, als ich nach Fotos für eine Bilderausstellung zum 125-jährigen Bestehen des TSV Lendershausen im Jahr 1986 suchte“, erinnert sich Rudolf Ludwig. Die vergangenen Zeiten schlugen ihn so in ihren Bann, dass sie ihn bis heute nicht mehr losgelassen haben.

Zunächst begab er sich mit der Ahnenforschung auf die Suche nach den eigenen Wurzeln. Nachdem er sich mit der Vergangenheit der eigenen Familie beschäftigt hatte, dehnte Ludwig sein Interesse auf sein gesamtes Heimatdorf aus. „Wie sahen die Häuser hier vor 50 oder 100 Jahren aus?“, habe er sich vor drei Jahren gefragt.

Inzwischen weiß er es: In über 50 Haushalten im Dorf hat der 64-Jährige alte Aufnahmen gesammelt. Das Ergebnis seiner Nachforschungen präsentiert er nun in einer Ausstellung in der Alten Schule in Lendershausen der Öffentlichkeit.

Bis er vor drei Jahren in Altersteilzeit ging, arbeitete Ludwig als Labortechniker an der Fachhochschule in Schweinfurt. Jetzt widmet sich der Ruheständler vor allem im Winterhalbjahr und bei schlechtem Wetter seinem Hobby: dem Erforschen der Dorfgeschichte und dem Sammeln und Archivieren historischer Dokumente.

Alles fein sortiert

Noch ruhen die Fotos in Ordnern – geschützt durch Klarsichthüllen und für die Anordnung in der Ausstellung sortiert. Die alten Fotos scannte Ludwig ein und ließ Abzüge davon machen. Das sei früher noch wesentlich aufwändiger gewesen, erinnert er sich. „1986 haben wir die Bilder alle erst abfotografiert. Wochenlang waren wir dann in einem Fotolabor damit beschäftigt, sie zu entwickeln.“

Zeitintensiv sei es vor allem gewesen, die Fotos zusammenzusuchen. „Es ist nicht so, dass du nur von einem zum anderen gehst und nach Bildern fragst“, sagt der passionierte Sammler. „Die Leute wollen erzählen, und man selbst will ja auch etwas wissen.“ Zwei bis drei Stunden habe er sich da schon häufig für ein Haus Zeit nehmen müssen.

Mit seinem Anliegen stieß Ludwig auf großes Interesse. Es sei überhaupt kein Problem gewesen, die Fotos zu bekommen. Im Gegenteil: „Eigentlich suchte ich nur nach den alten Häusern, aber es wurde immer mehr Material.“ Inzwischen besitzt er einen wahren Schatz an Zeugnissen der Dorfvergangenheit. Die alten Fotos erzählen von früheren Kindergartenfesten und Einschulungen, von Hochzeiten und anderen Feierlichkeiten, sie belegen anschaulich alte Trachten und Bräuche. In den 60er Jahren habe der verstorbene Lendershäuser Josef Kratochwill bereits viele Häuser aufgenommen. „Dessen Tochter Bertl, die inzwischen auch schon gestorben ist, stellte mir viele Bilder zur Verfügung“, sagt Ludwig.

Jedes Haus auf einem Blatt

Auch er selbst war mit dem Foto unterwegs. Er nahm alle Häuser in Lendershausen auf, wie sie sich aktuell präsentieren. Für jedes Anwesen ist ein Blatt angelegt, auf dem das Haus im früheren und im jetzigen Zustand zu sehen ist – akribisch genau beschriftet mit Herkunft des Fotos, Eigentümer des Hauses, alter Hausnummer und neuer Straßenbezeichnung mit Hausnummer. „Ursprünglich wollte ich alles nur für mich selbst dokumentieren.“ Aber er sei so häufig auf eine Ausstellung angesprochen worden, dass er sich nun doch entschlossen habe, seine Sammlung öffentlich zu zeigen.

Die sechs Stellwände hat der umtriebige Hobbyforscher selbst gezimmert. Auf rund 180 Bildern werden alle bis 1967 in Lendershausen gebauten Häuser zu sehen sein. Dazwischen zeigen alte Flurkarten die frühere Bebauung. Texte und alte Zeitungsausschnitte informieren über besondere Bauwerke und Ereignisse. Die älteste Aufnahme ist aus dem Jahr 1904 und zeigt das Anwesen der Familie Buchwald mit der früheren Hausnummer 10.

Das Foto von der alten Hausnummer 1 erinnert daran, dass dort früher der Gasthof „Deutsches Haus“ existierte. Bei der älteren Generation könnte ein Foto lange vergessene Erinnerungen wachrufen: In dem geteilten Tanzsaal – hinterer Teil für das Gesinde, vorderer für die Bauersleute – spielt die Kapelle „Hans Grümmer“ zum Tanz auf. Und wer weiß schon noch, dass das Grundstück, auf dem heute eine Tankstelle steht, früher mit einer Schule bebaut war. Auch das Anwesen mit der Hausnummer 95 hat einige Veränderungen erlebt: Es diente einst dem Landtagsabgeordneten Ernst Sellner als Wohnhaus. Er war der erste Vorsitzende des 1861 im Ort neu gegründeten Turn- und Sportvereins. Weil das Haus später von einer Familie Jäger bewohnt wurde, war es im Dorf lange als „Jägershaus“ bekannt. Bis schließlich der Kreisbauhof Haßfurt eine Außenstelle in dem Anwesen einrichtete. Inzwischen wird es wieder als Wohnhaus genutzt.

Kein wissenschaftlicher Anspruch

Der Geschichtsinteressierte beschäftigte sich auch mit der Zusammensetzung der Bevölkerung: Auf einem Plan sind die über dreißig Wohnhäuser eingezeichnet, die um 1917 von Juden bewohnt waren. „Es ist unglaublich, wie reich das Dorf durch die Juden früher an Handwerkern war“, sagt Ludwig. Unter anderem sorgten Tuchhändler, Seifen- und Lichtersieder, sowie Vieh- und Warenhändler für ein lebendiges Dorfleben.

„Ich bin kein Geschichtsforscher“, betont Ludwig. „Ich mache das alles, weil es mir ungeheuren Spaß macht.“ Seiner Meinung nach gehöre viel mehr vom Ortsgeschehen dokumentiert. „Wer hat was gemacht? Was gab es für besondere Ereignisse? Das muss doch für die Nachwelt erhalten werden.“ Doch mit dem Ende der Ausstellung sei dieses Winterhalbjahr abgeschlossen und für ihn erst einmal Pause.

Obwohl – zurzeit erstelle er mit Hans-Hermann Dressel, einem Lendershäuser, der sich auch mit Leidenschaft in die Vergangenheit vertieft, eine Aufstellung aller ehemaligen Lehrer in Lendershausen . . .

Ausstellungseröffnung am Sonntag, 17. März, um 13 Uhr in der „Alten Schule“. Öffnungszeiten: 17. und 24. März, jeweils 13 bis 18 Uhr. Der Obst- und Gartenbauverein übernimmt die Bewirtung mit Kaffee und Kuchen.

 
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