Olympische Spiele sind eine ernste Angelegenheit und alles dreht sich um die Medaillen, meinen sicherlich die meisten Leute. Diese Mär entzauberte der ehemalige Olympiasieger Dieter Baumann mit seinem Bühnenprogramm „Die Götter und Olympia“ am Samstag gewaltig und stellte Geschichten und Anekdoten aus dem olympischen Dorf mit Anstecknadeln, Partys und Kondomen, sportliche Exoten und die Vetternwirtschaft des IOC mit vielen Anekdoten weit vorne an. Das Publikum war begeistert und genoss es, selbst Teil dieser tollen Show zu werden.
„Laufen, laufen, laufen“ war das Motto an diesem Tag in Eltmann. Schon am Nachmittag trafen sich 20 Hobbysportler mit dem Sportidol Baumann zum „Lauftreff“, der von Eltmann über das Sportgelände entlang des Mains bis nach Eschenbach und über den Höhenweg und die Wallburg zurück zum Marktplatz führte. Schon da spürte man, wie der 52-Jährige den Dialog mit dem Publikum beherrscht.
Das wurde dann bei seinem Kabarettabend noch deutlicher. Mit Handschlag begrüßte er seine Gäste, fragte sie auch nach ihrem Namen und ihren Beziehungen zum Laufen. Auf ein Kärtchen konnten sie das schreiben, aber auch ihre Fragen, die sie berührten.
Das Publikum musste sich also Dieter Baumann bei seinem Auftritt nicht erst erobern, es war bei seinem Bühnenauftritt schon voll dabei. „Die Eröffnungsfeier ist auch wunderschön. Ich durfte dies ja dreimal miterleben. Aber viele Städte wollen dies gar nicht mehr haben. Unser Thomas Bach hat alle Mühe eine Stadt zu bekommen. Boston, Rom, Budapest sind schon abgesprungen, und auch die Hamburger wollten es nicht.“
Damit war er bei den Besuchern und fragte: „Wo sind meine Läufer?“ Simon aus Eltmann war gerade von der Bayerischen Meisterschaft gekommen. Sigi teilte stolz mit, dass er schon 49 Marathonläufe hinter sich habe und demnächst in Hamburg seinen 50. Jubiläumslauf absolviere. Kerstin outete sich, dass sie gar keinen Sport mache, und plötzlich meinte sie: „Doch, ich habe einen Dackel.“ „Gut, den haben viele Frauen daheim. Es ist ja auch egal, wie man in Bewegung kommt. Hauptsache Laufen!“, parierte Baumann.
Die ihm am meisten gestellte Frage sei immer wieder: „Was war ihr schönstes Erlebnis? Alle glauben dann, ich sage mein Olympialauf in Barcelona. Aber weit gefehlt. Das schönste Erlebnis war das Leben im Olympischen Dorf. Das ist Elexier und bietet Stimmung!“ Drei Wochen mit 11 000 Sportlern sei die Stimmungslage vom ersten Tag an gegeben.
„Abends geht es zurück. Wenige haben gewonnen, viele sind ausgeschieden. Die einen feiern Siegesparty, die anderen sind beim Frustsaufen. Es ist eine Riesenparty, und am Ende früh um 5 Uhr weiß keiner mehr, wer gewonnen hat.“ Das ganze Dorf sei „Partyzone“ mit jungen Leuten: „Da sorgen die IOC-Funktionäre vor: Jeder Athlet bekommt vor den Spielen fünf Kondome.“
Ob er alles und das mit dem Laufen noch einmal so machen würde? Dieter Baumann meinte süffisant: „In meiner nächsten Karriere würde ich Luftpistole schießen.“ Und dies präsentierte er dann auch auf der Bühne. „Das findet schon am ersten Tag statt. Hier haben wir immer gewonnen – wie im Abo. Ja, das machen auch nur wir in Deutschland.“
Detailliert schilderte er dann seine Begegnung mit Exoten von den Fidschi-Inseln oder aus der Mongolei. „Diese Typen waren das Salz in der Suppe. Das waren Exoten, und für sie galt: Dabeisein ist alles.“ Dieser Rodler aus Tonga habe mit seiner Namensänderung zu „Bruno Banani“ und dieser perversen Werbeidee Thomas Bach fast zur Weißglut gebracht. Er selbst habe allerdings von solchen Leuten profitiert: beim Sammeln von Pins für seinen Hut.
Das war auch der passende Zeitpunkt, um einen Seitenhieb auf die „Götter im Olymp“ auszuteilen. „Es ist doch pervers, dass wir der einzigen Olympiastadt die Winterspiele gegeben haben, wo es gar keinen Schnee gibt. Oder es ist doch pervers, dass man den einzigen russischen Sesselliftbetreiber dann enteignet.“
Thomas Bach habe auch Franz Beckenbauer dazu eingeladen, aber in einer anderen Mission. „Er gehörte zu der 24-köpfigen Kommission, die Rußland für 2018 die Weltmeisterschaft zugeschlagen hat. Dann wurde er Werbepartner der Firma Gasprom, und ausgerechnet die hat dann auch den Sessellift bekommen.“
Das gipfelte in seiner Meinung, dass Bach den Russen alles glaube: „Wenn die gesagt hätten, dass der Zitronenfalter Zitronen faltet, dann hätte er das auch geglaubt.“ Er forderte ihn sogar auf, endlich Moral zu zeigen und nicht nur als „Putins Pudel“ Kommissionssalat zu bieten.
Dieter Baumann meinte, dass es im olympischen Dorf für jede Gruppierung eine Einrichtung gebe. Da gebe es die „Seelenfischer“ genauso wie die „Entertainer“. Und mit einer gewissen Selbstironie sagte er: „Entertainer sind solche Athleten, die vor allem auch nonverbal Kontakt aufnehmen und eine ständige Selbstinszenierung zeigen. Nach der Karriere suchen sie die Bühne, Bühne, Bühne. Ich bin da anders!“
Immer wieder kam der Mittelstreckenläufer jedoch auf das Laufen zurück und verwies bei seinen zahlreichen Reimen und Einschüben sogar auf Heinz Erhardt: „Auch wenn die Nase – egal, ob spitz oder platt – zwei Nasenflügel hat, so hält sie nicht viel vom Fliegen: Das Laufen scheint ihr mehr zu liegen.“
Dabei gab er den Zuhörern immer wieder auch Tipps für das eigene Laufen, denn sie hatten ihm auf ihren Kärtchen ja viele Fragen aufgeschrieben: Wolfgang fragte nach den Chancen, ob er 2018 beim Mainathlon antreten werde. Dazu meinte er: „Das ist ja Triathlon auf dem Mountainbike. Aber ihr wisst schon, Triathlon machen nur die Menschen, die eine Disziplin nicht können.“
Natürlich kamen auch scherzhafte Fragen, wie Laufen auf die Potenz wirke oder ob Ausdauersportler länger im Bett durchhielten oder wie es nach der Karriere sei. Als er dazu Sigi fragte, hätte von dem keine bessere Antwort kommen können als: „Meine Karriere ist zu Ende.“
Es fehlten auch die brisanten Fragen nicht: „Mit welcher Zahnpasta putzt du dir die Zähne? Wo kann man die gute Zahnpasta mit Doping kaufen?“ Damit war Elmex natürlich in aller Munde.
Schließlich ging Baumann auf modernes Lauf-Schnickschnack ein wie „Stoppeln im Ohr“, Kompressionsstrümpfe, Grubenlampe auf dem Kopf und vieles andere mehr, von dem er nichts hielt. „Beim Laufen bin ich Purist und brauche das alles nicht“, betonte er und machte dazu sogar einen „Fast-Striptease“, bei dem er nach Entledigung seines Anzuges in knallbunter Funktionskleidung auf der Bühne stand und mit riesigem Beifall verabschiedet wurde.
Ohne Zweifel eine „Klasse-Show“, bei der die Begeisterung bei den Gästen groß war. Sie erlebten mit, dass der Ausnahmeathlet immer noch sehr fit ist und das nicht zuletzt von seinem „laufen, laufen, laufen“ kommt. Das gab manchem vielleicht auch neue Motivation dazu.