
„Diese zwei Jahre haben unsere Schule verändert“, erklärten Studiendirektor Joachim Sagstetter und Oberstudienrätin Bianca Olerich, die beim Lions-Club über die Berufsintegrationsklassen für Asylbewerber an der Heinrich-Thein-Berufsschule in Haßfurt referierten. Da der Lions-Club vor zwei Jahren eine Patenschaft für die erste dieser Klassen übernahm, hatte Präsidentin Sabine Weinbeer darum gebeten, den Clubmitgliedern über diese ganz neue Aufgabe des beruflichen Schulzentrums zu berichten.
Bei dieser einen Klasse blieb es nicht lange, das Thema Flüchtlings-Beschulung hat eine beeindruckende Dynamik entwickelt, auch weil der Landkreis Haßberge ein sehr kooperativer Partner der Berufsschule sei, so Joachim Sagstetter. Über den Landkreis sind die zusätzlichen Deutsch-Lehrer und die Sozialpädagogen fest angestellt.
Acht Klassen wurden mittlerweile gebildet, im Herbst werden drei weitere dazukommen, dann werden täglich an der Berufsschule rund 200 Flüchtlinge unterrichtet. Im ersten Jahr liegt ein massiver Schwerpunkt auf dem Erlernen der deutschen Sprache, der Deutsch-Unterricht macht mehr als die Hälfte der Stunden aus. Dazu kommen klassische Fächer wie Mathematik, aber auch Kochen als praktisches Fach, gleichzeitig ein idealer Integrationsfaktor.
Bianca Olerichs Berufsbild hat sich in diesen zwei Jahren ziemlich auf den Kopf gestellt, denn „für solche Klassen sind wir nicht ausgebildet“. Auch der klassische Berufsschüler bringe zwar seine Probleme mit, doch die Erfahrungen der jungen Flüchtlinge, bei vielen die Trennung von der Familie, das sind ganz neue Belastungen. „Wir haben Schüler, die kommen aus Aleppo, die Familie lebt dort noch“, erklärte Bianca Olerich. Dass Nachrichten über Bombenanschläge dort ganz andere Auswirkungen haben als bei deutschen Schülern, sei ganz klar. Deshalb werden die Flüchtlingsklassen auch von Sozialpädagogien intensiv betreut. Auch mit Bürokratie, von der sie früher nichts ahnte, hat Bianca Olerich in diesen zwei Jahren Erfahrungen gemacht.
Schüler zwischen 15 und 25 Jahren kommen in diesen Klassen zusammen, aus 19 Nationen und mit unterschiedlichstem Bildungsstand. Zu den Flüchtlingen kommen auch junge EU-Ausländer, die noch der Berufsschulpflicht unterliegen und wenig oder gar kein Deutsch können. Entscheidend für die Klassenbildung sind zunächst die Sprachkenntnisse, später ist es möglich, dass Schüler je nach Lernfortschritt auch neuen Klassen zugewiesen werden. Bianca Olerich ist stolz auf das Sprachniveau, das an der Berufsschule vermittelt wird, was auch weiterführende Schulen bereits bestätigten, denn aus der ersten Berufsintegrationsklasse werden im Herbst die Absolventen teils in Ausbildung, teils an weiterführende Schulen wie FOS/BOS, Realschule oder sogar Gymnasium gehen. „Wir haben auch Schüler, die studieren können, wenn sie die entsprechenden Sprachkenntnisse haben.“
Was in den Schülern steckt, das wollen sie und ihre Kollegen sondieren. Das zweite Jahr legt daher einen großen Schwerpunkt auf die Berufsvorbereitung. Fünfmal zwei Wochen Praktikum stehen da an – mit dem Ergebnis, dass im Herbst sechs Ausbildungsverhältnisse beginnen können. Olerichs Ziel ist es, den Schülern den Mittelschulabschluss zu ermöglichen, etwa die Hälfte hat auch Chancen auf den Quali. Nach zwei Jahren Deutsch ist das eine großartige Leistung. „Das Rechnen ist bei vielen nicht das Problem, nicht mal Integralrechnungen, aber sie müssen die Textaufgabe vorher verstehen“, so Mathelehrer Sagstetter. Eine Sprache so zu lernen, dass man Prüfungen verstehen und bestehen kann, das brauche viel Zeit, „man spricht eigentlich von sechs bis sieben Jahren im jeweiligen Land“, so Bianca Olerich, „dafür genügt ein dreimonatiger Crashkurs bei weitem nicht“.
Die Herausforderung an die Lehrkräfte ist auf jeden Fall die Vielschichtigkeit. Während man bei manchen zu hochtrabende Vorstellungen einbremsen muss, brauchen andere Motivation.
Bianca Olerich kämpft an vielen Fronten, auch gegen unseriöse Sprachkurse, die falsche Hoffnungen wecken. Sie appelliert auch an die ehrenamtlichen Flüchtlingsbetreuer, ihren Schützlingen klarzumachen, dass ein Schulabschluss in Deutschland fundamental wichtig ist. Die Zusammenarbeit mit den Behörden funktioniere immer besser und die bisherigen Praktikums-Betriebe hätten allesamt positive Erfahrungen gemacht. Allerdings habe sie auch schon einen Schüler entfernen müssen. An die Firmeninhaber ging ihre Bitte, ebenfalls zu überlegen, ob man Praktikumsplätze anbieten könnte. Nur in der direkten Begegnung liege die Chance zur Integration.
Dieses Prinzip gelte auch in der Schule, wo die Flüchtlingsklassen quer durch die Gebäude verstreut sind. Die Flüchtlinge besuchen die Fachklassen, gemeinsame Projekte haben anfängliche Unsicherheiten überwunden. Der Schulbetrieb laufe reibungslos, auch wenn die Schule so viel bunter wurde in den vergangenen zwei Jahren.