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HANDTHAL
„Die zwei Grad sind zu schaffen“
Der weltweit anerkannte Klimaforscher Prof. Dr. Stefan Rahmstorf referierte beim 2. Nachhaltigkeitssymposium Mainfranken im Nachhaltigkeitszentrum Handthal.
Foto: Sabine Weinbeer | Der weltweit anerkannte Klimaforscher Prof. Dr. Stefan Rahmstorf referierte beim 2. Nachhaltigkeitssymposium Mainfranken im Nachhaltigkeitszentrum Handthal.
Von unserer Mitarbeiterin Sabine Weinbeer
 |  aktualisiert: 15.12.2020 15:14 Uhr

Ja, die Welt kann das Klimaziel „zwei Grad Erderwärmung“ noch erreichen, aber dann muss die Einigkeit von Paris umgehend in konkrete Maßnahmen aller Länder der Erde münden. Diese Aussage machte der renommierte Klimaforscher Prof. Dr. Stefan Rahmstorf am Donnerstag beim 2. Nachhaltigkeitssymposium Mainfranken im Nachhaltigkeitszentrum in Handthal vor einem interessierten Publikum. Hier wurden auch mehrere Schulen mit dem Nachhaltigkeitspreis Mainfranken ausgezeichnet.

Hurrican Matthew und Präsident Obamas optimistische Äußerung über das Klimaschutzabkommen von Paris waren für Moderator Eberhard Schellenberger die richtigen Nachrichten, um in das Thema einzusteigen. Schweinfurts stellvertretende Landrätin Christine Bender freute sich über das rege Interesse an dem Symposium, zu dem die Region Mainfranken GmbH zum zweiten Mal eingeladen hatte. Nachhaltigkeit sei ein forstliches Prinzip aus dem 18. Jahrhundert, gleichzeitig aber brandaktuell und mittlerweile auf alle Lebensbereiche ausgeweitet, so Bender.

Global wie regional müssten Netzwerke geschaffen werden, die die Nachhaltigkeit zum Lebensprinzip machen und das Nachhaltigkeitszentrum in Handthal sei Knoten eines solchen Netzwerkes aus Kreisen, Kommunen und Verbänden. Kommunale Vertreter aus sieben Landkreisen sowie aus der Wirtschaft hatten die Einladung der Mainfranken-Geschäftsführerin Asa Petersson angenommen und warteten gespannt auf den Vortrag von Prof. Rahmstorf. Der zeigte sich beeindruckt vom Nachhaltigkeitszentrum, das dessen forstlicher Leiter Andreas Leyerer kurz vorstellte. 45 000 Besucher werden es wohl werden, die heuer, im zweiten Jahr des Bestehens, in Handthal Informationen zur Nachhaltigkeit auch, aber nicht nur, im Wald suchen und finden. „Wir wollen informieren und die Realität im Wald zeigen“, erklärte Leyerer auf die Frage Schellenbergers zur Nationalparkdiskussion. „Wir haben hier mit dem Trittsteinkonzept ein hervorragendes Waldnaturschutzkonzept, das für Wälder in dicht besiedelten Regionen die maximale Artenvielfalt ermöglicht bei gleichzeitiger Nutzung des nachwachsenden Rohstoffes Holz.“

Nachwachsende Rohstoffe und erneuerbare Energien sind auch für Professor Rahmstorf zwei wesentliche Pfeiler bei der Erreichung der in Paris vereinbarten Klimaziele. Dass erstmals alle über 190 Staaten das Abkommen ratifizierten, „macht mich sehr optimistisch, dass es ernst gemeint ist“, so der Professor, dennoch sei die Umsetzung ein Wettlauf gegen die Zeit. Er zeigte zunächst auf, wie Klimaforschung funktioniert, und dass es etwa alle Million Jahr eine Eiszeit gibt. Die Klimaveränderungen seit Anfang des 20. Jahrhunderts seien mit natürlichen Schwankungen jedoch nicht mehr zu erklären. Er zeigte auch, wie manche Fehlinterpretationen von Klimakurven entstehen. So gibt es alle paar Jahre ein besonders starkes El Nino-Phänomen, was meist einen so genannten „Rekordsommer“ bringt. Der stärkste El Nino überhaupt war bisher 1990. Die Klimakurve hat dann einen hohen Ausschlag, die folgenden Jahre fallen niedriger aus und erst nach zehn oder zwölf Jahren gibt es wieder einen neuen Ausschlag nach oben. Der Trend über die Jahrzehnte zeigt weiterhin nach oben, aber wer sich nur die Kurven seit 1990 ansieht, könnte meinen, die Klimaerwärmung sei bereits abgeschwächt.

Rahmstorf zeigte auf, wie Klimamodelle entstehen und machte klar, dass „wir keine Prognosen erstellen, sondern nur Modelle auf der Basis wenn-dann“ Und ein solches Modell zeigt, dass die Welt „die Kurve noch kriegen kann“, wie es Schellenberger formulierte, wenn in den nächsten Jahrzehnten völlig auf die Verbrennung fossiler Energieträger verzichtet wird. Das kann laut Rahmstorf auch gelingen, wenn auch unter Anstrengungen. China könne da als gutes Beispiel dienen, hier sei der Ausstieg aus der Kohle in vollem Gange, in schwindelerregendem Tempo würden Wind- und Solarkraft ausgebaut, was auch an den Messkurven bereits sichtbar werde. Parallel zum weltweit wachsenden Ausbau von Sonnen- und Windkraft seien die Anlagenpreise massiv gesunken, so dass die daraus gewonnene Energie immer günstiger wird.

Doch trotz aller positive Entwicklungen würde sich die Erde bis 2100 um drei Grad erwärmen und „nur wenn wir gut sind, sind die zwei Grad zu schaffen. Wobei auch das weit jenseits jeden Erfahrungshorizonts der Menschheit liegt“.

Er zeigte auf, wie Hitzewellen, Dürren und Hochwasserereignisse in immer kürzeren Abständen registriert werden. So waren die wärmsten Sommer in Europa seit dem Jahr 1500 die Sommer 2010, 2003, 2002, 2006 und 2007 „das ist keine normale Zufallsverteilung mehr“, so der Wissenschaftler. Auch der Bürgerkrieg in Syrien sei mit durch die Dürrekatastrophen ausgelöst worden, die eine Million Binnenflüchtlinge produziert habe und durch die Unfähigkeit des Assad-Regimes, diesen Menschen zu helfen.

Ständig würden Wetterrekorde gebrochen, zeigte Professor Rahmstorf anhand von Messreihen auf. Auch der aktuelle Hurrican Matthew liefere wieder solche Rekorde, die sich in grausamer Zerstörung zeigen.

Eindrucksvoll demonstrierte er die Veränderungen der planetarischen Zirkulation, bekannt als Jet-Stream und ging auf den Anstieg des Meeresspiegels ein. Wegen der Trägheit der Weltmeere ist dieser auch nicht kurzfristig aufzuhalten „der Meeresspiegel wird für tausende Jahre steigen, wir können nur die Beschleunigung stoppen“. Sein Fazit der Mess-Reihen und Forschungsergebnisse: „Unser Jahrhundert bestimmt die nächsten 10.000 Jahre“.

Wenn die 195 Unterzeichnerstaaten sich strikte Handlungsauflagen geben, so Prof. Rahmstorf, und wenn die Vereinbarungen regelmäßig nachgeregelt werden, dann sei Paris Startpunkt einer echten globalen Trendwende „aber ob es wirklich historisch war, kann man erst in 30 Jahren sehen“. Abschließend zitierte Professor Rahmstorf den Ökonomen und Nobelpreisträger Paul Krugman, wonach die Rettung des Planeten preiswert sei, eventuell sogar kostenlos. Doch diese Nachricht wolle bisher kaum jemand hören (Original: „Saving the planet would be cheap; it might even be free. But will anyone believe the good news?“).

Das Nachhaltigkeitssymposium war auch der Rahmen für die Auszeichnung im Wettbewerb um Mainfrankens nachhaltigste Schule. Den Hauptpreis erhielten das Gymnasium Veitshöchheim und die Grundschule Rottendorf gemeinsam. Veitshöchheim gewann schon vor zwei Jahren in der Kategorie „Ressourcen schonen“ und setze hier Maßstäbe, so Vize-Regierungspräsident Jochen Lange, unter anderem im schonenden Umgang mit Wasser und durch den schuleigenen Second-Hand-Laden. Die Grundschule Rottendorf überzeugt durch ihr Konzept zur Vermeidung von privaten Fahrten zur Schule, was sowohl die Sicherheit erhöht, als auch das Klima schont. Gleichzeitig wird den Kindern der Spaß am Laufen und Radfahren vermittelt. Damit bekamen sie neben dem Jahres-Pokal auch die Auszeichnung in der Kategorie „Mobilität neu denken“. Die Kategorie „Energiewende leben“ gewann die Balthasar-Neumann-Mittelschule Werneck und den Preis „Soziale Verantwortung“ übergab Lange an die Gustav-Wörnitz-Mittelschule Wörth am Main für ihr Bemühen um Inklusion und Integration mit vielen Projekten.

Vier Schulen aus Mainfranken wurden für ihre Projekte zum Thema Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Dabei ging es um die gelebte Energiewende, die Schonung von Ressourcen, neue Ideen zur Mobilität und um Soziale Verantwortung. Unser Bild zeigt die Vertreter der ausgezeichneten Schulen mit Vize-Regierungspräsident Jochen Lange (rechts) und Mainfranken GmbH-Geschäftsführerin Asa Petersson (links).
Foto: Sabine Weinbeer | Vier Schulen aus Mainfranken wurden für ihre Projekte zum Thema Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Dabei ging es um die gelebte Energiewende, die Schonung von Ressourcen, neue Ideen zur Mobilität und um Soziale ...
 
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