Noch ist nichts entschieden, doch der Wahlkreis 248 (Landkreise Haßberge, Rhön-Grabfeld, Bad Kissingen) könnte in naher Zukunft bei der bevorstehenden Neueinteilung der Wahlkreise vor der Bundestagswahl 2017 Federn lassen, sprich: Gemeinden an einen anderen Wahlkreis abgeben müssen. Derartige Vorschläge haben in jüngster Zeit mehrere Politiker aus Oberfranken ins Gespräch gebracht. Sie möchten auf diese Weise Einschnitte bei ihren Wahlkreisen vermeiden.
Ausgangspunkt der Debatte ist der Wahlkreis 238, dem Stadt und Landkreis Coburg sowie der Landkreis Kronach angehören. Dieser hat in den vergangenen Jahren Einwohner verloren. Zum Stichtag 31. Dezember 2013 lebten dort nur noch 188 570 Deutsche (Ausländer werden für diese Erhebung nicht gezählt). Problem ist: Im Wahlkreis Coburg/Kronach wohnten damit zum Stichtag 23,6 Prozent weniger Bürger als im durchschnittlichen bundesdeutschen Muster-Wahlkreis. Der Bundesdurchschnitt betrug laut Statistischem Bundesamt Ende 2013 exakt 246 674 deutsche Einwohner.
Nun könnte man diese statistische Angabe dem in vielen ländlichen Regionen grassierenden Bevölkerungsschwund zuschreiben und schnell wieder vergessen. Doch eine Vorgabe des Bundeswahlgesetzes weist der Einwohnerzahl eines Wahlkreises eine wichtige Rolle zu. Von ihr hängt es ab, wo die Grenzen eines Wahlkreises verlaufen. Denn die Bevölkerungszahl eines Wahlkreises sollte von der durchschnittlichen Bevölkerungszahl nicht um mehr als 15 Prozent nach oben oder unten abweichen. Wenn die Abweichung über 25 Prozent beträgt, dann, so schreibt es das Bundeswahlgesetz vor, muss ein Wahlkreis neu geordnet werden. Dies soll sicherstellen, dass Stimmkreiskandidaten, egal, in welchem Wahlkreis sie antreten, in etwa die gleiche Zahl von Stimmen benötigen, um als Direktabgeordnete in den Bundestag gewählt zu werden.
Laut Prognose des Statistischen Bundesamts wächst das Minus für den Wahlkreis Coburg/Kronach; im kommenden Jahr soll es bei 25,1 Prozent liegen. Deshalb werden dem Wahlkreis über kurz oder lang zusätzliche Gemeinden zugeordnet werden (müssen). Ebenso denkbar: Der Wahlkreis wird aufgelöst und zwischen anderen Wahlkreisen aufgeteilt. Ob es noch vor der nächsten Bundestagswahl im Jahr 2017 zu einer Neuordnung kommen wird, steht derzeit noch nicht fest.
Die Entscheidung trifft der Bundestag per Gesetz, voraussichtlich im März, denn die Wahlkreiseinteilung muss rechtzeitig feststehen, bevor die Parteien ihre Kandidaten aufstellen, berichtet Tobias Plate, Sprecher des Bundesinnenministeriums auf Nachfrage dieser Redaktion. Basis für diese endgültige Entscheidung im Bundesparlament in Berlin seien die amtlichen Bevölkerungszahlen, die voraussichtlich Ende Februar vorliegen werden.
Ein bereits im Oktober 2014 vom Bayerischen Innenministerium veröffentlichter Vorschlag der Wahlkreiskommission sieht keine Veränderung unterfränkischer Wahlkreise vor. Stattdessen möchte sie dem Wahlkreis Coburg/Kronach die Gemeinden Geroldsgrün und Schwarzenbach am Wald aus dem Landkreis Hof zuschlagen.
In Hochfranken hat sich gegen diese Pläne Widerstand formiert.
Der Hofer Landrat Oliver Bär (CSU), Ehemann von Dorothee Bär (CSU) aus Ebelsbach, der direkt gewählten Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises Haßberge/Rhön-Grabfeld/Bad Kissingen, hat vor Kurzem gegenüber dem Bayerischen Rundfunk (BR) von einer „nicht durchdachten“ Neueinteilung der Wahlkreise gesprochen, die „mit keinerlei sachlichen Gründen zu rechtfertigen“ sei. Seiner Ansicht nach sei keinerlei Veränderung notwendig. Auch der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, CSU-Abgeordneter des Wahlkreises Hof/Wunsiedel, lehnt den Vorschlag ab.
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Petra Ernstberger sowie weitere SPD-Politiker aus der Region Hof kritisieren die vorgeschlagene Änderung. Ihr Gegenvorschlag: Statt zweier Gemeinden des Landkreises Hof aus dem Wahlkreis 239 (Stadt und Landkreis Hof, Landkreis Wunsiedel), dessen Minus zum Bundesdurchschnitt immerhin 17,1 Prozent (Stichtag: 31. Dezember 2013) beträgt, sollten einige unterfränkische Gemeinden aus dem Wahlkreis 248 dem oberfränkischen Wahlkreis Coburg/Kronach zugeordnet werden. Gegenüber dieser Redaktion relativiert Ernstberger ihren Vorschlag als „ein mögliches Szenario von mehreren“, das sich aufgrund der Nähe zu Coburg anbiete.
„Die Berichterstatter im Bundestag tendieren aber grundsätzlich dazu, Bezirksgrenzen einzuhalten“, stellt sie fest.
Ein Fakt, auf den die SPD-Abgeordnete ebenfalls verweist, ist: Der Wahlkreis Haßberge/Rhön-Grabfeld/Bad Kissingen lag zum Stichtag mit 5,3 Prozent über der durchschnittlichen Bevölkerungszahl. Zumindest auf dem Papier bietet er demnach mehr Potenzial als oberfränkische Wahlkreise, um Bevölkerungsanteile abzugeben. Falls es tatsächlich soweit kommen sollte, dass der Wahlkreis Coburg/Kronach Gemeinden aus Unterfranken erhält, dann auf jeden Fall aus dem Landkreis Haßberge, denn nur dieser grenzt an den Landkreis Coburg an.
Eine solche Umverteilung macht aber keinen Sinn, meint Bundestagsabgeordnete Bär auf Nachfrage dieser Redaktion. Sie argumentiert damit letztlich genauso wie ihre Hofer Parteikollegen. Wie diese möchte sie „ihren“ Wahlkreis nicht schrumpfen lassen. Die Einwohnerzahlen gäben hierzu keinen Anlass.
Der Landrat des Landkreises Haßberge, Wilhelm Schneider, weiß von offizieller Seite bislang nichts von etwaigen Plänen, Gemeinden des Haßbergkreises dem Wahlkreis Coburg/Kronach zuzuordnen. Zugleich stellt er gegenüber dieser Redaktion klar: „Ich werde den Landkreis niemals zerstückeln lassen.“ Betroffen wären von einer Wahlkreisverschiebung wohl die Gemeinden Maroldsweisach und Untermerzbach. Die Oberfranken sollten „ihre Probleme selbst lösen“, sagt Schneider. Er erwartet allerdings nicht, dass das Szenario tatsächlich eintritt.
Gesetzlich verhindern ließe es sich allerdings kaum. Zwar dürfen laut Bundeswahlgesetz Ländergrenzen bei der Neuordnung von Wahlkreisen nicht missachtet werden. Folglich ist es ausgeschlossen, beispielsweise Gemeinden aus Thüringen oberfränkischen Wahlkreisen zuzuordnen. Eine Zuordnung von Gemeinden über Bezirks- oder Kreisgrenzen hinweg ist dagegen erlaubt, wenngleich das Gesetz vorgibt, die Grenzen von Gemeinden, Kreisen und kreisfreien Städten „nach Möglichkeit“ einzuhalten.