zurück
Königsberg
Die schönsten Sagen der Region: Wie es kam, dass der Kellermeister in der Königsberger Zehntscheune spukt
Unser viertes Beispiel aus dem Buch "Der Sagenschatz des Landkreises Haßberge" von Clarissa van Amseln stammt aus Königsberg und hat mit gepanschtem Wein zu tun.
Kein Wunder, dass auch im malerischen Königsberg Sagen spielen: Wie diejenige vom Kellermeister, der dem Wein verfallen war und deshalb heute noch als Geist spukt. 
Foto: René Ruprecht | Kein Wunder, dass auch im malerischen Königsberg Sagen spielen: Wie diejenige vom Kellermeister, der dem Wein verfallen war und deshalb heute noch als Geist spukt. 
Bearbeitet von Martin Sage
 |  aktualisiert: 04.01.2025 02:36 Uhr

Heimlich Wein aus den Fässern seines Herrn zu verkaufen und dafür Wasser nachzufüllen, kann auf Dauer nicht gutgehen. Dies lehrt die Sage "Der Kellergeist in der Zehntscheune", hier nacherzählt vom 1995 verstorbenen Königsberger Heimatdichter Karl Eisentraut. Und die Sage geht so:

"Ja Bub", sagte mein Vater zu mir, als wir mit dem Kuhgespann gemächlich die Schlosssteige in Königsberg hinauf zockelten und das massige Gebäude zwischen den Bäumen auftauchte, "die Jugendherberge war früher einmal Zehntscheuer, später Kelterhaus und Kelterei. Unten lagerten riesige Weinfässer. Oben im Erdgeschoss standen sechs riesige Weinpressen.

Die Verantwortung für den Wein war groß

Wenn sie in Betrieb waren, dröhnte das ganze Kelterhaus. Die Fässer waren bis oben hin spundvoll mit edlen Tropfen gefüllt. Die Aufsicht im Kelterhaus hatte damals, das ist lange her, ein Kellermeister, Küfer genannt. Er musste die Trauben in Empfang nehmen, die Pressen in Bewegung setzen, die Wasserträger bestellen, die Fässer spülen und reparieren, das Gären des Saftes überwachen, die Fässer füllen und hernach das Spundloch mit einem Holzzapfen versiegeln. War der Wein trinkreif, sorgte der Küfer für die Lieferung in die königlich fürstliche Residenz oder versteigerte die restlichen, weniger edlen Tropfen.

Ein Kellergeist treibt in einer Sage aus Königsberg sein Unwesen. Illustration aus dem Buch 'Der Sagenschatz des Landkreises Haßberge'. 
Foto: Clarissa van Amseln | Ein Kellergeist treibt in einer Sage aus Königsberg sein Unwesen. Illustration aus dem Buch "Der Sagenschatz des Landkreises Haßberge". 

Solch verantwortungsvolles Amt wurde gut bezahlt. Der Kellermeister genoss auch uneingeschränkt das Vertrauen seiner Herrschaft. Aber wer viel hat, möchte oft mehr haben! Das wurde dem Kellermeister zum Verhängnis.

Insgeheim erbrach er nachts die Fässer, entnahm erst maß- und später eimerweise den Wein und verscheuerte ihn an unlautere Kundschaft. Mit der Zeit verfiel auch er dem Trunk, besoff sich, grölte und schimpfte dann und erschreckte die Anwohner.

Die langen Finger der rechten Hand abgehackt

Einer seiner Hehler hielt aber nicht dicht. So kamen die Machenschaften des Kellermeisters auch dem Herzog zu Ohren. Der Burgvogt erhielt den Befehl, den Küfer nachts beim Diebstahl zu stellen. Als dieser gerade dabei war, für den entnommenen Wein die gleiche Menge Wasser nachzufüllen, wurde er von den Stadtknechten gepackt. Er kam vors Centgericht und der Scharfrichter hieb ihm von der rechten Hand die 'langen Finger' ab. Die Strafe wurde unbarmherzig vollstreckt. Mit Schimpf und Schande wurde er aus dem Stadttor gejagt, in der Fremde ist er verstorben."

Da ich nicht locker ließ, erzählte mein Vater gemächlich weiter: "Ja Bub, wohl waren die Finger ab, gesühnt und bestraft die Tat, aber da lag noch ein Fluch in der Luft. Unstet und flüchtig sollst Du sein. Deine Seele soll nie Ruhe finden, so hatte der Richter gesagt. Das erfüllte sich. Nun spukt es im Kellerhaus. Von nun an ging der Kellergeist um. Viele wollen ihn gesehen, manche auch gehört haben. Er soll Stulpenstiefeln getragen, eine blaue Küferschürze umgebunden und um den Hals ein rotes Tuch geschlungen gehabt haben. Auf dem Kopf habe er eine Kappe getragen, aber sein Gesicht sei eher ein Totenschädel gewesen."

"Siehst Bub, so geht es Dieben und Verbrechern", belehrte mich mein Vater. "Sie müssen immer an den Ort ihrer Schandtat zurückkehren, bis sie ein wohlgefälliges Opfer oder ein inniges Gebet von ihrem Spuken erlöst."

Unheimlische Geräusche zur nächtlichen Stunde

Von denen, die das Umgehen des Kellergeistes erlebten, immer nur zur mitternächtlichen Stunde, erzählt jeder anders: Plötzlich habe man Fässer rollen gehört, Fluchen und Grölen, dazwischen Hammerschläge wie beim Antreiben von Fassreifen. Die Winde der Kelterpresse habe geknirscht und die Treppe rauf und runter habe es gepoltert. Jeder habe vor Schreck den Atem angehalten. Einige sagten, der Geist habe auch laut gesungen, wie Trunkene, die ihrer Stimme nicht mehr Herr sind:

"Zapfe an kein Fass,  gieße nach kein Nass. Der Teufel straft sofort,  jagt aus dem Haus dich fort. Musst um und um dann gehn, ohn' Bitten, ohne Flehn."

Längst war das Haus außer Sicht gekommen. Doch die Sage vom Kellergeist habe ich behalten, bis zu diesem Tag und zu dieser Stunde.

Die hier zu lesende Sage stammt aus dem Buch "Der Sagenschatz des Landkreises Haßberge" von Clarissa van Amseln und ist bei "BoD -Books on Demand", im Online-Buchhandel und über den lokalen Buchhandel erhältlich. Das Buch umfasst 146 Seiten mit 66 ganzseitigen farbigen Illustrationen. Der Preis für die gebundene Ausgabe beträgt 39 Euro, das E-Book kostet 14,99 Euro. ISBN-13: 9783759714121.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Königsberg
Zeil
Eltmann
Haßfurt
Ebern
Hofheim
Ebelsbach
Stettfeld
Kirchlauter
Sand am Main
Wonfurt
Gädheim
Theres
Knetzgau
Oberaurach
Rauhenebrach
Riedbach
Aidhausen
Bundorf
Burgpreppach
Pfarrweisach
Rentweinsdorf
Ermershausen
Untermerzbach
Breitbrunn
Maroldsweisach
Diebe
Weinfässer
eBooks
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Wolfgang Jäger
    Jetzt reicht es langsam mit den Märchen im Lokalteil des Haßfurter Tagblatts. Eine Tageszeitung sollte Tatsachen berichten und keine Märchen erzählen. In inzwischen 5 großen Artikeln wurden im Haßfurter Tagblatt Sagen veröffentlicht und Werbung für das Sagenbuch gemacht. Der Historische Verein Landkreis Haßberge e. V. hätte sich gefreut, wenn seine in jahrelanger Arbeit erforschten und in zahlreichen Büchern veröffentlichten historischen Tatsachen eine solche Aufmerksamkeit erhalten hätten.

    Wolfgang Jäger,
    Kreisheimatpfleger
    und ehemaliger Vorsitzender des Historischen Vereins Landkreis Haßberge e. V.
    31.12.2024
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Peter Schmieder
    Hallo Herr Jäger,

    wie Sie als Kreisheimatpfleger sicher wissen, sind Sagen nicht nur Fantasiegeschichten, sondern meist der Versuch von Menschen, sich Dinge in ihrer Umgebung zu erklären. Deshalb haben Sagen meist einen lokalen Bezug und können damit Teil des Kulturguts ihrer Region werden. Und ihre Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte können durchaus auch für die historische Forschung interessant sein. Und eben deswegen denke ich, dass auch die Menschen in der Region ein Interesse an den Sagen aus der Region haben - und damit auch unsere Leserschaft.
    Über die Tätigkeit des Historischen Vereins haben wir in der Vergangenheit auch immer wieder berichtet. Allerdings müssen Sie dabei eben auch berücksichtigen, dass wir eine Zeitung für die breite Öffentlichkeit sind, kein Fachblatt für Historiker. Deshalb können wir bei manchen Themen eben nicht so sehr in die Tiefe gehen, wie Sie es im Verein tun.

    Mit freundlichen Grüßen
    Peter Schmieder, Redakteur
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Peter Koch
    So eine Meinung hätte ich von einem Kreisheimatpfleger nicht erwartet. Mir bekannte Kreisheimatpfleger hätten sich über so eine Sagensammlung und Werbung dafür gefreut.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten