Die Türkei ist nicht reif für einen Beitritt in die Europäische Union. Zu diesem Ergebnis ist die CSU Haßberge gekommen, die den türkisch-stämmigen promovierten Wirtschaftswissenschaftler Aydin Findikci zu einem Vortrag ins Haßfurter Altstadthotel geholt hatte. Initiiert hatte die Veranstaltung der Hanns-Seidel-Stiftung der Landtagsabgeordnete Steffen Vogel.
Soll die Türkei in die Europäische Union? So lautete der Titel seines Vortrages. Und um die Antwort zu finden, ging Dr. Aydin Findikci zunächst darauf ein, dass der „Vater der Türkei“, Kemal Atatürk, die Europäisierung der Türkei wollte mit einer Anbindung an den Westen. Atatürk habe mit der Gründung der modernen Türkei im Jahr 1923 auch das Sultanat abgeschafft und die Trennung von Staat und Religion vollzogen.
Auch nach dem 2.Weltkrieg wurde die Westbindung weiter vorangetrieben. Die Türkei wurde bereits 1949 Mitglied des Europarates und 1952 Mitglied in der NATO. Seit 1963 hat die Türkei mit der EWG, dem Vorläufer der EU, ein Assoziierungsabkommen und seit 1996 ist die Türkei zudem Mitglied der EU-Zollunion. Der Europäische Gerichtshof hatte in einer Entscheidung bereits deutlich gemacht, dass zwischen der EU und der Türkei aufgrund dieser engen Verflechtung eine „privilegierte Partnerschaft“ bestehe.
Eine Aufnahme der Türkei in die EU als Vollmitglied lehnt der Deutsch-Türke Dr. Findikci jedoch konsequent ab: Dies liege an der Politik des seit elf Jahren regierenden türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, die äußerst rückwärtsgewandt sei. Erdogan bezeichnete nahezu die gesamte Welt als „Feinde der Türkei“. Immer wieder schiebe er Juden, Amerikanern oder Europäern, dem Internet oder selbst der deutschen Lufthansa die Schuld an den Problemen in der Türkei zu.
„All sein Regierungshandeln dient der Islamisierung der türkischen Gesellschaft und des öffentlichen Lebens, sowie zur Aushöhlung der westlichen Normen“, so Dr. Aydin Findikci kritisch. So würden Zeitungen verboten und das Internet zensiert werden: „Youtube oder Facebook wurden schon gesperrt, um die Bevölkerung von Informationen abzuschneiden“, so der Referent.
Mit Zitaten machte Dr. Findikci deutlich, wessen Geistes Kind Erdogan seiner Ansicht nach ist: „Keiner soll denken, dass er davon kommt. Wir werden alle verhaften: Künstler, Rektoren, Lehrer, Polizisten und Politiker. Alle, die gegen uns sind!“, soll eine Aussage des türkischen Ministerpräsidenten gelautet haben.
In der Türkei herrschen weder Presse-, Meinungs- noch Religionsfreiheit, auch eine unabhängige Justiz gebe es nicht, so Findikci. Unter Erdogan habe eine massive religiöse Radikalisierung von Staat und Gesellschaft stattgefunden. So müssten alle Kinder den islamischen Religionsunterricht in den Schulen besuchen, unabhängig von ihrem eigenen Glauben. Auch müssten Frauen sich komplett verschleiern, um im Staat Ämter bekleiden zu können. „Die Scharia ist wichtiger als Demokratie“, so Dr. Aydin Findikci.
„Die Minarette sind unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme, die Moscheen unsere Kasernen und die Gläubigen unsere Armee“, so eine weitere Aussage vom türkischen Regierungschef, die der Referent zitierte.
Keine der europäischen Grundrechte werden derzeit in der Türkei geachtet. Deshalb sei die Türkei auch nicht reif für die Europäische Union, so Dr. Findikci. Unerlässliche Voraussetzung für die Aufnahme in die EU sei der Verzicht auf die Scharia und die Akzeptanz von Grund- und Menschenrechten, die auch der türkische Staat seinen Bürgern zu garantieren habe.
Letztlich spreche auch die geographische Lage gegen eine Aufnahme in die EU. Nur drei Prozent der Fläche sind geografisch Europa zuzuordnen, während 97 Prozent in Asien liegen.
Zur Person: Dr. Aydin Findikci:
Der 51-jährige Referent wurde in der Türkei geboren und kam als 17jähriges Gastarbeiterkind nach Deutschland, wo er selbst als Gastarbeiter gearbeitet hat. Mit 24 Jahren nahm er das Studium der Wirtschaftswissenschaften auf, das er mit einer Promotion abschloss. Im Anschluss studierte Dr. Aydin Findikci Lehramt an der LMU in München, so dass er nunmehr als Lehrer an einer Realschule in München und als Referent für die Hanns-Seidel-Stiftung tätig ist. Findikci ist verheiratet und hat zwei Kinder.