„Ich hoffe, Sie holen sich keine Lungenentzündung“ warnt Heinz Braunreuther den Reporter davor, ja nicht die Winterjacke auszuziehen. Die Redaktion hat dieser Tage seinem Museum „Nostalgie der 50er Jahre“ einen Besuch abgestattet, von dem man annehmen darf, dass es derzeit Deutschlands eisigstes Museum ist. Denn im Burgpreppacher Rathaus, wo das Museum beheimatet ist, werden bei Bedarf nur das Zimmer der Bürgermeisters und der Ratssaal geheizt. Für alle anderen Räume gilt jetzt im Winter die Annäherungsformel: Außentemperatur gleich Innentemperatur.
Das Museum gibt es seit 20 Jahren
Seit 20 Jahren besteht das rein ehrenamtlich betriebene und für die Besucher kostenlose Museum, es empfängt Neugierige sonn- und feiertags mit einem „Tante-Emma-Laden“ im Erdgeschoss und setzt sich im Dachgeschoss unter anderem mit einer komplett im Stil der 50er Jahre eingerichteten Wohnung fort. Doch nach Feiern eines Jubiläums ist dem Museumsdirektor nicht zumute, Braunreuther wirkt frustriert. In seinen Ausstellungsräumen ist es nicht nur eiskalt, es fällt auch der Putz von Wänden, Decken und Fenstereinrahmungen und bleibt liegen, bis er selbst zu Schaufel und Besen greift.
Und überhaupt ist für ihn noch immer keinerlei Lösung in Sicht, wie es mit dem Museum und seinen geschätzt 30 000 Exponaten weitergehen soll. Im Gegenteil, neue Probleme tauchen auf. Die Gemeinde plant, das benachbarte alte Feuerwehrhaus abzureißen. Dann müsste Braunreuther auch noch die im einstigen Mannschaftsraum ausgestellten Büroartikel anderswo unterbringen – und das, wo eh schon der größte Teil seiner Sammlung in Außenlagern schlummert.
Die Angst vor der Müllkippe
„Wenn nicht mein ganzes Herz daran hängen würde, dann hätte ich längst aufgehört“, sagt Braunreuther zu seinem geliebten und doch nervenzehrenden Engagement. Im Februar wird der Schneidermeister 71, da verwundert es nicht, dass in ihm Gedanken kreisen, was früher oder später mit seinem Erbe geschieht. Seit Jahren hofft er, einen neue Bleibe für all die Möbel, Spielsachen und Gebrauchsgegenstände aus der Nachkriegs- und Wirtschaftswunderzeit zu finden; nicht nur, weil das Burgpreppacher Rathaus wegen seiner unzähligen Exponate aus allen Nähten platzt, sondern weil es ältere und gehbehinderte Besucher kaum über die steilen Treppen in die Ausstellungsräume schaffen.
Braunreuther sagt das nicht, aber irgendwie scheint ihm die Wertschätzung und die Unterstützung für sein Nostalgiemuseum zu fehlen, das schon viele Male Requisiten für Fernsehen und Theater gestellt und 2009 die Landesausstellung „Wiederaufbau und Wirtschaftswunder“ in Würzburg bereichert hat. „Wenn ich mal nicht mehr bin, dann landet doch der größte Teil meiner Sammlung auf dem Müll“, befürchtet er.
Im Landratsamt Haßberge erkennt man die kreis- und sogar überregionale Bedeutung des Museums an und findet, dass Braunreuthers Sammlung „in Teilen sicher erhaltenswert“ ist. „Genaueres müsste durch Fachleute geprüft werden“, schreibt Pressesprecherin Moni Göhr auf Anfrage dieser Redaktion. Ähnlich hatte sich die Behörde schon vor fünf Jahren geäußert. Auch da ging es um die Zukunft des Museums. Grundsätzlich beteilige sich Landkreis Haßberge weder finanziell noch personell an Museen oder Sammlungen, das seien freiwillige Leistungen. Und als Landkreis, der Bedarfszuweisungen und Stabilisierungshilfen erhalte, „sind wir eher gezwungen, freiwillige Leistungen zurückzufahren“, stellt Göhr heraus.
„Burgpreppach steht voll hinter ihm“
Hermann Niediek, Bürgermeister von Burgpreppach, kann es verstehen, dass sich Braunreuther Sorgen um sein Lebenswerk macht. Allerdings, so hört man aus Niedieks Worten heraus, müsste der Museumschef doch eigentlich wissen, dass die Marktgemeinde voll hinter ihm steht. „Braunreuther hat Burgpreppach aufgewertet und wir wollen ihn auf alle Fälle bei uns behalten“, erklärt der Rathauschef. Dass das Museum kaum im Rathaus bleiben kann, davon scheint Niediek überzeugt – doch er spricht von einer Lösung, die er im Hinterkopf habe, einem möglichen Leerstand, aber das sei noch nicht spruchreif. „In jedem Fall packen wir das Thema an und wir werden eine Lösung in unserer Marktgemeinde finden.“
Auch Bezirksheimatpfleger Prof. Klaus Reder stellt Unterstützung in Aussicht. Er spricht vom „einzigartigen Wert“ der Sammlung der 50-er Jahre, wenngleich nicht jede Sonderausstellung „Weltkulturerbeniveau“ habe. Da müsse inventarisiert und aussortiert werden, nicht jeder alte Gegenstand, der noch dutzendweise vorhanden sei, sei erhaltenswert.
Reder erinnert daran, dass das Museum Fladungen, der Lern- und Erinnerungsort für ländliches Bauen, Wohnen und Wirtschaften in Unterfranken schlechthin, mit der „Populären Druckgrafik“ und „Radio und Fernsehen“ bereits Bestände von Braunreuther übernommen habe. Für den Rest der Sammlung wünschte er sich kein großes Museum. Seine Vision sei ein zentrales Depot wie es der Bezirk schon in der Schlossmühle Aschach unterhält. So ein Museumsdepot diene als „kulturelles Gedächtnis der Heimat“, aus dem sich Sonderausstellungen bestücken ließen. Dem Heimatpfleger schwebt eine große Halle mit Schwerlastregalen und modernster Logistik vor. Hier könnten sich zum Beispiel Gemeinden bedienen, die eine Ausstellung zu einem bestimmten Thema planen. Das würde nicht das Aus des Nostalgiemuseums bedeuten, welches dann nicht mehr völlig überfrachtet wäre. Dass die Ausstellung hier „suboptimal“ und das Museum nicht barrierefrei ist, weiß auch der Volkskundler. Dieses Schicksal teilten allerdings 70 Prozent aller Heimatmuseen.
Bei freiem Entritt rund 1000 Besucher im Jahr
Gut 1000 Besucher zählt das Nostalgiemuseum Jahr für Jahr. Es könnten in Zukunft mehr werden, weil Burgpreppach mit einem Dorfladen und Gastronomie größere Anziehungskraft entwickeln will. Aber es wird Zeit, zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln. Jetzt ist der Stimmkreisabgeordnete Steffen Vogel (CSU) auf den Plan getreten, der ebenfalls verhindern will, dass Braunreuthers Schätze verloren gehen. Am Mittwoch trifft sich Vogel mit dem Museumsdirektor, mit Bürgermeister Niediek und Matthias Hirschmüller, Manager der Hofheimer Allianz. „Um das Museum langfristig zu halten, wird man einerseits über eine bessere räumliche Unterbringung sprechen müssen und andererseits über auch eine personelle Stärkung“, kündigte Vogel gegenüber dieser Redaktion an.
Die Schätze des Museums – da ist sich Heinz Braunreuther sicher – sind weniger die Exponate selbst als die Erinnerungen, die sie wach rufen nach dem Motto: „Weißt Du noch, damals“.