Kritiker der Energiewende führen oft das Argument an, die Speichertechnologie würde dafür nicht ausreichen. Eine Anlage, die diese Behauptung entkräften soll, läuft seit Donnerstag in Haßfurt. Mit der Windgas-Technologie (auch bekannt unter dem Namen „Power-to-Gas“) will das Stadtwerk mit überschüssigem Strom Gas erzeugen und ins Erdgasnetz einspeisen.
„Es ist toll, dass Sie das Projekt so unterstützen“, sagte Michael Friedrich, Pressesprecher des Hamburger Ökoenergieanbieters Greenpeace Energy, zu Haßfurts Bürgermeister Günther Werner. Das auf Initiative von Greenpeace gegründete Unternehmen setzt sich aktiv für die Energiewende ein, leistet entsprechende Lobbyarbeit und produziert Strom, den Firmenvorstand Nils Müller als den besten Ökostrom bezeichnet, da sich der Energieversorger an die strengen Auflagen von Greenpeace hält.
Voll des Lobes für die Kreisstadt, insbesondere für Bürgermeister Werner und Stadtwerksleiter Norbert Zösch waren die Vertreter von Greenpeace Energy am Donnerstag bei ihrem Besuch. So gehe die Stadt voran bei der Einführung einer Pioniertechnik. „Sie werfen gerade einen Blick in die Zukunft der Energieversorgung“, sagte Michael Friedrich zu den anwesenden Pressevertretern. Zwei Millionen Euro hat die Power-to-Gas-Anlage am Haßfurter Hafen gekostet. Ein Viertel davon zahlten die städtischen Betriebe der Kreisstadt, ein weiteres Viertel kam von Greenpeace Energy. Die übrige Million stammt aus einem Kredit, der Sparkasse. Den Berechnungen nach soll der Kredit in fünf Jahren zurückgezahlt und die gesamte Anlage in zehn Jahren abbezahlt sein. Greenpeace Energy finanziert derartige Projekte seit 2011 über einen Gastarif. Dieser beinhaltet einen Aufschlag von 0,4 Cent pro Kilowattstunde auf den normalen Gaspreis. Rund 14 000 Privatkunden sind derzeit bereit, diesen etwas höheren Betrag zu zahlen, um damit die Entwicklung neuer Technologien zu unterstützen. Die Verantwortlichen weisen in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass somit keine Kosten für die Allgemeinheit entstehen.
Die Technik im Inneren der Haßfurter Anlage stammt von der Firma Siemens. Das Herzstück ist ein Elektrolyseur. Durch Zuführung von Energie zerlegt dieser Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff. Der Wasserstoff ist es, der ins Erdgasnetz eingespeist wird. „Für den Sauerstoff haben wir im Moment noch keine Nutzung“, erzählte Norbert Zösch. Zumindest keine, die finanzierbar wäre. „Aber er schadet natürlich auch nicht“, so Zösch weiter, weshalb das Gas in die Umgebung geblasen wird. „Wir haben uns schon überlegt, ob wir es als Luftkurort bewerben sollen“, fügte der Stadtwerksleiter scherzhaft an.
Bei der Pressekonferenz demonstrierte Zösch, welche Schwankungen die neue Technik ausgleichen muss. Auf dem Computer zeigte er die aktuellen Daten. Da am Donnerstag der Wind nur sehr schwach war, zeigte sich, dass das Stadtwerk rund fünf Megawatt von Bayernwerk beziehen musste, um auf die insgesamt benötigten 13 Megawatt zu kommen. „Wenn Wind da wäre, würden wir auch zurückspeisen“, sagte er und zeigte als Beispiel Zahlen vom vergangnen Wochenende. Künftig könnte zu solchen Zeiten, zu denen der Windpark im Sailershäuser Wald mehr Strom erzeugt, als die Menschen benötigen, die Windgasanlage Wasserstoff produzieren. Neben der Einspeisung ins Erdgasnetz gibt es eine zweite Leitung zur direkten Versorung der benachbarten Mälzerei Weyermann.
Bis zu 1,25 Megawatt sind mit dem Elektrolyseur in der Kreisstadt möglich. Die größte Power-to-Gas-Anlage steht in Mainz, dieses ist drei mal so groß wie die in Haßfurt. „Sie müssen sich das vorstellen: Wir haben hier ein Drittel der größten Anlage der Welt“, betonte Bürgermeister Werner, wie wenig diese neue Technologie weltweit noch ausgebaut ist. Die Haßfurter Anlage läuft momentan im Testbetrieb. Wenn alles glatt läuft, soll im Oktober der Normalbetrieb beginnen.
Bei aller Freude über die neuen Möglichkeiten in der Kreisstadt übten die Verantwortlichen auch einige Kritik an der Energiepolitik der Bundesregierung. Beispielsweise sind die gesetzlichen Vorgaben so, dass das Stadtwerk beim Betrieb der Anlage die EEG-Umlage zahlen muss, was Zösch als „Quatsch“ bezeichnet. Nun hoffen die Verantwortlichen auf eine entsprechende Gesetzesänderung. Auch dass die Wasserstoffeinspeisung ins Erdgasnetz fünf Prozent nicht übersteigen darf, sieht Zösch kritisch. „Experten sind der Meinung, das zehn Prozent kein Problem wären.“
So hoffen die Beteiligten auf eine Anpassung der gesetzlichen Vorgaben, um die Energiewende möglich zu machen. „Wissenschaft und Technik sind sich einig. Die Politik muss es jetzt umsetzen“, meint Pressesprecher Michael Friedrich.