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HASSFURT
Die Landflucht der Biene – Eine Frage des Überlebens
Staatssekretärin Dorothee Bär mit dem Kreisvorsitzenden der Imker im Landkreis Haßberge, Dr. Werner Hornung (rechts), und seinem Stellvertreter Jürgen Schubert (links).
Foto: Geiling | Staatssekretärin Dorothee Bär mit dem Kreisvorsitzenden der Imker im Landkreis Haßberge, Dr. Werner Hornung (rechts), und seinem Stellvertreter Jürgen Schubert (links).
Von unserem Mitarbeiter Günther Geiling
 |  aktualisiert: 15.12.2020 15:26 Uhr

„Volkswirtschaftlich gesehen, ist die Biene nach Schwein und Rind das drittwichtigste Tier. Dies ist Grund genug, sich um ihr Überleben Gedanken zu machen. Die große Landflucht treten nicht mehr nur Menschen an. Bienen fühlen sich in der Stadt inzwischen wohler als auf dem Land und die intensive Landwirtschaft steht in Verdacht, mitverantwortlich für ein alarmierendes Bienensterben zu sein.“ Dies betonte Jürgen Schubert, stellvertretender Vorsitzender des Kreisimkerverbandes Haßberge, bei einer Informationsveranstaltung desselben, bei der man die Sorgen und Nöte der Imker der Parlamentarischen Staatssekretärin Dorothee Bär überbrachte.

Kreisvorsitzender Dr. Werner Hornung ging eingangs auf das Abstimmungsverhalten im Bundestag ein, wo ein Antrag durch die Union und SPD abgeschmettert worden sei. Und auch die Bundesregierung habe sich im Ministerrat der EU der Stimme enthalten.

In seinem Statement vor zahlreichen Imkern stellte Jürgen Schubert heraus, dass seit dem Jahre 1985 die Zahl der Honigbienen in Europa um 25 Prozent zurückgegangen sei. Das habe Folgen für die ökologische Vielfalt und nicht zuletzt für die Wirtschaft. Drei Viertel aller Nutzpflanzen seien nämlich davon abhängig, dass Bienen und andere Insekten sie bestäuben. „Bienen sind die Seismografen unseres Öko-Systems. Sind sie schwach, ist etwas nicht in Ordnung“, meinte er.

Er verwahrte sich dagegen, dass immer wieder die Varroamilbe als Ursache herangezogen werde. Diese Milbe verdecke andere Belastungsfaktoren und ein gesundes Volk verkrafte einen Varroabefall. Nur wenn ein Immunsystem bereits durch Pestizide und Nahrungsmangel angegriffen wäre, seien die Völker anfällig für Milben und Folgeinfektionen.

„Es darf gezweifelt werden, ob das Bienensterben aufgehalten werden kann“, sagte Jürgen Schubert mit Hinweis auf die todbringenden Neonicotinoide, wovon schon kleine Mengen das Nervensystem und die Orientierung der Tiere schädigen. Natürlich seien Pflanzenschutzmittel nicht der einzige Grund für das Bienensterben. Dabei erwähnte er den intensiven Maisanbau mit fehlenden Blüten und gentechnisch veränderten Pflanzen als größte Gefahr.

Staatssekretärin Dorothee Bär wertete die Arbeit der Imker und des Imkerkreisverbandes als sehr positiv und sie sei sich der Bedeutung der Imker in den Haßbergen in 13 Ortsvereinen mit rund 300 Imkern und 1800 Bienenvölkern sehr bewusst. Dazu komme, dass ein Drittel der Imker in Deutschland aus Bayern komme. Das zahle sich aus, denn Bayern habe bereits mit 50 Prozent Selbstversorgungsgrad einen sehr starken Honigmarkt, bundesweit liege das Niveau bei 20 Prozent. Volkswirtschaftlich erwirtschafteten die Imker einen Wert von 2,5 Mrd Euro. Erfreulich sei, dass sich nach Jahren erstmals die Imkerzahl wieder stabilisiere, und sie hoffe, dass auch die Nachwuchsgewinnung weiter positiv verlaufe.

„Die Bedeutung der Bienen für uns und die Natur ist kaum zu unterschätzen. 85 Prozent der Erträge im Pflanzen- und Obstanbau hängen von der Bestäubung durch Bienen ab“, unterstrich sie ihre Meinung und sie freute sich, dass der Bund auch hier Dinge unterstütze wie den Anbau von Blühpflanzen um Photovoltaikanlagen, Ausstattung, Weiterbildung und Imkerschnupperkurse.

Auch ihr Haus, das Verkehrsministerium, wolle seinen Beitrag leisten und wirke auf die Länder ein, Verstöße gegen das Sonntagsfahrverbot durch Imker 2014 und 2015 nicht zu ahnden. Gerade die Problematik des Einsatzes des Antibiotikums Streptomycin, das von den Obstbauern gegen Feuerbrand eingesetzt werde, mache es notwendig, Bienenvölker manchmal auch am Sonntag zu verlegen. In diesem Zusammenhang ging sie auf das Spannungsfeld widerstreitender Interessen ein: Die Obstbauern wollen ihre Ernte nicht verlieren, aber wir wollen keine Antibiotika im Honig. Die Kartoffelbauern haben Angst vor dem Drahtwurm, aber die Imker sorgen sich beim Einsatz von Fipronil zu recht um die Gesundheit ihrer Bienen. Diese Interessenskonflikte gebe es nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa mit der möglichen Zulassung des Genmaises 1507, „der ihnen allen natürlich sauer aufstößt. Auch ich kann gut auf den Anbau transgener Pflanzen verzichten“. Aber starke Befürworter gebe es in Spanien, Portugal, Slowakei und Tschechien. Aber selbst eine Genehmigung heiße nicht, dass der Genmais auch angebaut werde. Landwirte würden ja nicht gezwungen, transgene Pflanzen anzubauen, selbst wenn sie zugelassen sind. Der Bauernverband sehe im Übrigen in Deutschland auch keinen Markt für Genmais.

Im Zusammenhang mit dem Honig gehe es ebenfalls um einen Interessensausgleich zwischen Bürgerinnen und Bürgern, die zwar keine Gentechnik wollten, im Zweifel aber lieber billigen Importhonig kaufen, und Imkern, die ihren Honig guten Gewissens gentechnikfrei verkaufen wollen. Abschließend sprach sie ihre Hoffnung aus, „dass wir es hinbekommen, dass Natur und Landwirtschaft in den nächsten 100 Jahren so gewahrt bleiben, wie wir es bis heute versucht haben. Auch ich habe drei Kinder und denke an ihre Zukunft“.

Aus der Versammlungsrunde wurde dann die Problematik in sehr deutlicher Weise angesprochen. „Die meisten Politiker haben den Ernst der Lage in der Gentechnik noch nicht erkannt. Das ist so ähnlich wie bei der Atompolitik, wo man erst aufwacht, wenn die Volkswirtschaft leidet. Der Gau steht vor der Tür und könnte noch schlimmer werden als bei der Atomkraft. Wie soll die Gesellschaft in Zukunft leben können? Bei den Bienen ist es jedenfalls nicht klar.“

Und dazu machte Bernhard Hümpfner aus Horhausen einen klaren Vorschlag: „Gesetze und Verbote haben wir genug. Wer solche Sachen anwendet, sollte am Ende unterschreiben, dass er für alle bekannten und unbekannten Risiken die Verantwortung und Deckung übernimmt.“

Kurt Ebert aus Sylbach kritisierte die Strukturveränderung in der Landwirtschaft. „Früher hat es im Maintal lauter Wiesen gegeben. Heute sind diese Wiesen dort Mais- oder Getreideäcker und man kann die Wiesen an einer Hand abzählen. Agrarzuschüsse für Mais zu Energiezwecken dürfte es nicht geben.“ Im Landkreis Haßberge gebe es inzwischen 20 Biogasanlagen. Man müsse sich schon fragen, was da noch Bio sei und ob es nicht nur um Profit gehe. Staatssekretärin Dorothee Bär hakte hier ein, dass man das geändert habe und man Biogasanlagen zukünftig mehr mit Restmitteln und Biomüll beschicken sollte. Man dürfe aber auch nicht die Bedeutung für die Energiegewinnung ganz aus den Augen lassen. Auch Jürgen Schubert stieß ins gleiche Horn, als er sagte: „Ich jogge gerne hinter meinem Haus, bin aber da nur noch von Mais umgeben.“ Und Kreisvorsitzender Dr. Hornung wies darauf hin, dass der Mais eine sehr pflegebedürftige Pflanze sei, die viel Spritzen erfordere. „Es wäre viel besser, mehr in Richtung Luzerne und Rotklee zu gehen. Das wäre auch für die Bienen relativ attraktiv.“ Große Gefahr sah er in der Kontermination von normalem Saatgut und gentechnischem Saatgut. „Wenn das auch beim Honig passiert, dann haben wir einen riesigen Imageschaden.“

Aus dem Saal kam die Frage, ob die Bundespolitikerin denn ausschließen könne, dass gentechnisches Saatgut im Landkreis ausgebracht werde. Hier ließ sich die CSU-Staatssekretärin aber nicht aufs Glatteis führen und meinte ganz klar: „Eigentlich sollte unser Landkreis gentechnisch frei sein. Aber natürlich würde ich für so eine Frage nicht meine Hand ins Feuer legen.“ Dem stimmte Dr. Hornung bei: „Es dürfen nur zugelassene Pflanzen angebaut werden.“

Dieter Adrian aus Neubrunn sprach Dorothee Bär als Vertreterin aus dem Verkehrsministerium an: „Machen sie aus den großen Flächen in den Verkehrsräumen blühende Landschaften. Die Bienen haben bisher schon 2,5 Mrd Euro erwirtschaftet. Machen sie damit 3,5 Mrd Euro daraus!“

Dorothee Bär ließ auch keinen Zweifel daran, dass das Bewusstsein vorhanden wäre. „Vielleicht ist das aber noch nicht bei jedem so sensibel, wie Sie es gerne möchten.“ Sie habe aber das Gefühl, dass auch die Menschen inzwischen sehr viel aufgeschlossener geworden seien, und das finde sie sehr positiv.

In die gleiche Kerbe schlug Kurt Ebert in Richtung auf die Straßenmeistereien von Kreis und Staat. „Mähen Sie nicht schon vor der ersten Blüte. Machen Sie ihre Einsätze höchstens, wo die Sicht gefährdet ist. Damit könnten Sie sogar Geld sparen.“ Auch in den Gemeinde- und Stadtverwaltungen sollte hier noch ein Umdenken einsetzen, die zudem noch sehr viel Gebrauch von Spritzmitteln machen. Die Städte sollten hier als leuchtendes Beispiel vorangehen, meinte auch Jürgen Mohr aus Haßfurt.

Thomas Ort aus Haßfurt sprach aber auch das Problem bei den Klein- und Hausgärten an, wo er auch eine besondere Gefahr sehe. Hier sollte man Spritzmittel gänzlich verbieten. Außerdem müsse man sich gegen die vielen Lobby- und Länderinteressen wenden und sich noch stärker in die Gesetzgebung mit einbringen.

Harald Kuhn, Vorsitzender des Imkervereins Haßfurt, erinnerte noch einmal an die Situation der Imker. „Die Imker betreiben ein immenses Hobby, das mehr ein Zuschussgeschäft ist als Gewinn bringt. Für Imker ist es genauso schlimm, wenn ein Volk eingeht, wie wenn bei anderen ein Haustier stirbt. Wenn Leute in einem Jahr 50 Völker verlieren, dann tut das weh und das kommt von der Pharma-Industrie. Deswegen sind wir so gereizt und gehen auch auf unsere Politiker los. Und wenn man gegen die Gentechnik ist, muss man sich auch dagegen einsetzen“, kam die Forderung und Bitte an Dorothee Bär. Abschließend stellte dann auch noch Kreisvorsitzender Dr. Werner Hornung klar: „Ich und wir sind dabei nicht gegen die Landwirte, denn die müssen auch leben. Wir wollen weiter den Kontakt mit ihnen suchen und gemeinsam das Beste daraus machen.“

 
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