Katja Grübel wusste genau, worauf sie sich einlässt, als sie sich vor zwölf Jahren entschloss, als freie Drehbuchautorin zu arbeiten. Die Jahre davor hatte die gebürtige Schweinfurterin als Agentin eines Berliner Verlags Drehbuchautoren betreut. Immer wieder saßen ihr Menschen gegenüber, die um einen Vorschuss bitten mussten, weil sie nicht wussten, wie sie die Miete bezahlen sollten. „Ich sah das Leid und habe sie trotzdem glühend beneidet“, formuliert sie im Gespräch einen druckreifen Satz, der nicht der einzige bleiben wird. Ihre Entscheidung war wohl richtig. Katja Grübel liebt diesen Beruf und sie ist so erfolgreich, dass sie sich wohl nie Sorgen um die Miete machen musste. Am 5. September kommt der erste Film in die Kinos, für den sie Drehbuch und Buch zum Film geschrieben hat.
Es ist die Geschichte vom kleinen Rabe Socke. Der ist ziemlich frech, egoistisch und lügt, dass sich die Balken biegen. Kinder lieben ihn, die Bilderbuchreihe für Drei- bis Achtjährige ist in vielen Ländern ein Bestseller. Allerdings haben die kurzen Geschichten nicht genügend dramaturgisches Potenzial für einen großen Kinofilm. Also durfte Katja Grübel zu den drei Protagonisten aus den Büchern neue Figuren und neue Geschichten erfinden. Natürlich tauchen viele Motive aus den Bilderbüchern auf und vor allem die eine Szene, von der sie wusste, dass alle Kinder sie lieben: Es ist der Moment, wenn der kleine Rabe vor lauter Gier mitten in die Nudelsauce hüpft.
Katja Grübel ist eine Geschichtenerzählerin. Das ist vermutlich das Erbe ihres Opas, der lange in Schweinfurt gelebt hat und den ungewöhnlichen Namen Eitelfritz Haase trug. Opa Eitelfritz konnte kein Märchen erzählen, ohne seine Enkeltöchter in die Handlung miteinzubauen – ob ihnen das nun gefiel oder nicht. Bei seinen Geschichten wusste man nie, was stimmt und was er dazu erfunden hatte.
Katja wollte schon als Kind Schriftstellerin werden, sie wusste aber nicht, ob sie gut genug schreiben könne. Bis heute erinnert sich die 44-Jährige an eine Szene in der dritten Klasse Volksschule. Alle sollten aufschreiben, was sie besonders gut können. Katjas Freundin konnte gut tanzen, also war klar, sie will Tänzerin werden. Bei Katja hatte die Lehrerin ein Problem. Die Neunjährige war der Meinung, sie könne am besten putzen, wollte aber keinesfalls Putzfrau, sondern Schriftstellerin werden. Trotzdem schrieb die Lehrerin auf ein großes Plakat: „Katja kann besonders gut schreiben, sie möchte Schriftstellerin werden.“ Den ersten Teil des Satzes empfand Katja Grübel lange als Lüge.
Nach dem Abitur am Alexander-von-Humboldt-Gymnasium studierte sie Germanistik und Romanistik in Florenz, München und Berlin. Schon ab dem zweiten Semester arbeitete sie nebenher als Regie– und Dramaturgieassistentin an verschiedenen Theatern, vor allem bei ihrem Onkel Gerhard Haase-Hindenburg, der übrigens auch aus Schweinfurt stammt. Der Schauspieler und Sachbuchautor schrieb in dieser Zeit Revuen für Theater und inszenierte sie auch selbst. Als Katja Grübel 1994 ihr Examen machte, hatte sie schon so viel Erfahrung, dass sie sofort die Stelle als Dramaturgin am Maxim-Gorki-Theater in Berlin bekam.
Klingt gut, war für Katja Grübel aber nicht das richtige. Sie hatte das Gefühl, anderen nur bei der Arbeit zuzusehen oder ihnen allenfalls zuzuarbeiten. Als Dramaturg liest man viele Werke, schlägt sie vor, ist an der Spielplangestaltung beteiligt und berät bei den Proben. Selbst Regie zu führen, reizte sie nicht, also nahm sie 1997 das Angebot eines jungen Berliner Theater- und Medienverlags an, sich um die Drehbuchautoren zu kümmern.
Obwohl sie hautnah erlebte, wie hart viele Drehbuchautoren ihr Brot verdienen müssen, wagte Katja Grübel 2000 den Sprung in die Selbstständigkeit. Gleich der Einstieg lief gut. Sie war nach der Geburt ihrer Tochter im Erziehungsurlaub, als das Angebot kam, am Drehbuch für die Anwaltsserie „Edel & Starck“ mitzuschreiben. Die ersten beiden Drehbücher wurden auch gleich verfilmt, was in dieser Branche nicht selbstverständlich ist. Die ersten Jahre schrieb Grübel für einen Regisseur mehrere Drehbücher für das Schweizer Fernsehen um, zwischendurch gab es immer wieder kleinere Aufträge von Dirk Beinhold, einem Berliner Filmproduzenten, den sie noch von ihrer Arbeit im Verlag kannte. Er war einer der wenigen, der den Kontakt zu ihr nicht abgebrochen hatte, als sie die Seiten wechselte.
Grübels Exposés für Fernsehspiele wurden zwar nie realisiert, waren aber gute Übungen und die Aufträge waren bezahlt. Als Dirk Beinhold die Filmrechte am kleinen Raben Socke erworben hatte, beauftragte er Katja Grübel mit dem Drehbuch. Das war offensichtlich so gut, dass sie auch das Buch zum Film schreiben durfte und den Auftrag für einen zweiten Socke-Film erhielt. An diesem Drehbuch arbeitet sie gerade. Ein weiteres Projekt mit einem sehr bekannten Kinderbuch ist in Vorbereitung, aber noch geheim.
Auf die Frage, ob sie nicht – wie viele Autoren – vom großen Roman träume, antwortet die Pragmatikerin Grübel. Da gäbe es zwar ein paar Anfänge und Ideen in der Schublade, aber da würden sie auch gut liegen. „Es kann sein, dass aus einem ein Roman entsteht, aber es muss nicht sein.“
Der Zeichentrickfilm „Der kleine Rabe Socke“ kommt ab 6. September in die Kinos. Das Buch gibt es ab 15. August im Handel.