Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg riefen die deutschen Bischöfe angesichts der kommenden Not zur Gründung von Caritasverbänden auf, „um in der Zeit der Not die christliche Liebe mobil zu machen“. Die Caritas sollte der Samariter sein, "der Wein und Öl in die Wunden des am Boden liegenden Volkes gießt".
Am 7. November 1920 wurde auf Anregung des Stadtpfarrers Johann Dümler in der Gastwirtschaft Hertlein der Caritasverein Zeil gegründet. Er wollte sich nicht nur als ein "Almosenverein" verstehen. Sein Ziel war "die planmäßige und gemeinsame Ausübung aller Werke der Nächstenliebe in der Pfarrei Zeil".
1886 hatte die Revierförsterwitwe Elisabetha Hofmann in der Speiersgasse eine Kinderbewahranstalt und hernach ein Altenspital eröffnet. Ab 1898 führten Ordensschwestern des Allerheiligsten Erlösers aus Würzburg die Anstalt und das Spital. Nach der Ansiedelung der Weberei erwies sich das Gebäude wegen des Zuzuges von Familien bald als zu klein. Eine geplante Erweiterung scheiterte wegen des Ersten Weltkrieges und der darauf folgenden Inflation. Von dem Stiftungskapital von 50 000 RM waren nach der Geldentwertung nur noch 30 Mark übrig geblieben. Nur der Wert des Pfründnerhauses in der Speiersgasse diente als Grundstock für das spätere Caritashaus am Schulring.
Aus Liebesgaben erbaut
Der Zeiler Caritasverein erbot sich, den Gedanken und Zweck der Hofmann'schen Stiftung aufzugreifen und zu erfüllen, das heißt, kranke und alte Leute zu pflegen sowie eine Kinderbewahranstalt zu eröffnen. Als Gegenleistung verlangte Pfarrer Dümler jedoch eine tatkräftige Unterstützung seitens der Stadt Zeil. Durch "einträgliches Zusammenwirken" sollte etwas Dauerhaftes erreicht werden. Das Projekt sollte seiner Meinung nach "nicht bloß der Ausübung christlicher Liebestätigkeit dienen, sondern auch schon in seinem Entstehen, wie einst die Bergkapelle, hauptsächlich aus Liebesgaben erbaut werden“.
Das große Gemeinschaftswerk seines Vorgängers Karl Link übte wohl einen großen Einfluss auf den Gottesmann aus. Dümler sah in den wirtschaftlich sehr schwierigen Jahren eine Möglichkeit, durch diese Baumaßnahme den zahlreichen arbeitslosen Zeilern Arbeit und Brot zu verschaffen. Im Juni 1929 beschoss der Zeiler Stadtrat in Zusammenarbeit mit dem Caritasverein die Errichtung eines Caritashauses. Der Verein hatte bereits einen Bauplatz für den Standort erworben. Besonders stolz war man darauf, dass das auch heute noch beeindruckende Gebäude in staub- und lärmfreier Lage, rings herum frei, in nächster Nähe zur Kirche und gleich neben der neuerbauten Marienschule erbaut werden konnte. Man legte „die geistige Bauleitung in die bewährten Hände des Zimmermanns von Nazareth. Da dürfen wir versichert sein, dass er helfen werde etwas Richtiges zu schaffen".
Stadt trug die Baulast
Die Stadt Zeil übernahm gegenüber dem Caritasverein die Verpflichtung für die Instandhaltung des Hauses. Sie trug die kleine und große Baulast. Wie von der Caritas gewünscht, räumte die Stadt dem Verein das Recht des alleinigen und ausschließlichen Nießbrauchs ein. Dieser verpflichtete sich, das Haus für seine Vereinszwecke, das heißt für die Ausübung der Krankenpflege, für die Aufnahme von alleinstehenden Personen, Invaliden- und Altersrentner, für die Ausübung der Jugendpflege, die Abhaltung von Unterrichtskursen sowie für andere katholische Vereinszwecke zu verwenden. Ausdrücklich versprach Dümler, dass neben der Kinderbewahranstalt das Caritashaus auch allen Kindern und Hilfsbedürftigen der Gemeinde, ohne Unterschied der Religion oder Partei offen stehe. Daneben hatten alle katholischen Vereine Hausrecht im Caritashaus.
Von 1920 bis 1930 führte die Zeiler Caritas zwölf zweimonatliche Kochkurse, 123 halbjährliche Nähekurse und eine große Anzahl Einmach-, Servier-, Bügel-, und Zuschneidekurse ab. Es lag daher auf der Hand, dass das zu erbauende Caritashaus mit einem Handarbeitssaal ausgestattet wurde. Bei dessen Einweihung im Jahre 1931 sprach Pfarrer Dümler von einem Werk, „das auf Jahrhunderte hinaus Zeugnis gibt von rührender Fürsorge für die ganze Bevölkerung“.
Großer Theater- und Festsaal
Unter dem Saal des Caritashauses gab es einen Raum für Theaterrequisiten. Die katholische Jugend hatte Gelegenheit, durch Darbietungen nicht nur sich auszubilden, sondern auch ihren Angehörigen und allen Mitgliedern des Caritasvereins, der in Zeil damals 400 Mitglieder zählte, angenehme und billige Unterhaltung zu bieten. Die beiden Säle konnten durch die Herausnahme einer Schiebewand miteinander verbunden werden. Sie bildeten dann einen großen Theater- und Festsaal.
Die Installierung einer Radioanlage im Saal sollte vor allem zur Unterhaltung der Kinder dienen. Hier dachte man besonders an die gesendeten Märchenstunden. Man wollte aber auch bei festlichen Anlässen den Erwachsenen eine Freude bereiten. Auch in sämtlichen Zimmern des Altenheimes konnten die Radiodarbietungen durch Kopfhörer mitverfolgt werden und so den Kranken manche Stunde des Tages verkürzen. Mit dem Caritashaus war auch ein sogenanntes "Ambulatorium" zur Pflege der Kranken in der Stadt verbunden.
Während des Dritten Reiches versuchten die Schwestern in der Weihnachts- und Faschingszeit im Caritashaus verschiedene Theaterstücke aufzuführen. Der Reinerlös wurde für die Beschaffung von Heizungsmitteln verwendet. Aufgrund eines von den Nazis erlassenen Theatergesetzes durfte der Caritasverein während des Dritten Reiches seine Aufführungen nur für eingeschriebene Mitglieder abhalten. Den Schwestern wurde von Pfarrer Dümler "aufs Gewissen gebunden," Nichtmitglieder unnachsichtlich zurückzuweisen. An der Eintrittskasse lag zur Sicherheit eine Mitgliederliste auf, damit notfalls die Polizei Einblick nehmen konnte. Die Handarbeitslehrerinnen im Caritashaus durften nicht mehr bei Theaterspielen mitwirken.
Vielfältige Unterhaltung
Vor allem nach dem letzten Krieg boten die katholischen Vereine an den Sonntagen im vereinseigenen Saal vielfältige Unterhaltung. Es gibt noch alte Zeiler, die sich mit Freuden an jene Theatervorführungen erinnern, bei denen sie als Laienspieler glänzten. Filmvorführungen, Unterhaltungs- und Volksbildungsabende wechselten in reicher Folge.
Das Haus erhielt noch nach dem Krieg von der landwirtschaftlichen Bevölkerung Spenden in Naturalien. Größere Landwirte zweigten bei der Ernte der Kartoffeln einen Teil ab. In der Hümpfnersmühle lag ein kleines Heft auf, in das die Bauern eintrugen, was sie von ihrem Getreide den Schwestern sowie den Heiminsassen zum Mehl mahlen spenden.
Im Altenheim, in der Caritas- und Hausarbeit, in der Garten- und Feldarbeit, überall standen die zwölf Ordensfrauen „ihren Mann“. Außerdem wurde zur Selbstversorgung des Hauses sogar etwas Kleinvieh gehalten. Die Krankenschwester, die bei Tag und Nacht die Kranken versorgte, verzeichnete zum Beispiel 1927 fast 7000 Krankenbesuche mit Dienstleistungen. Bei 80 bis 90 Nachtwachen leistete sie noch 35 Erwachsenen und sieben Kindern im Sterben Beistand. Über Jahre hinweg waren sogar zwei Krankenschwestern im Einsatz.
Mittagessen für Kinder
Während des Krieges versorgten die Ordensfrauen zeitweise 40 bis 50 Kinder mit Mittagessen, außerdem stellten sie die Krankenstube des Caritashauses für die hier untergebrachten verwundeten und kranken Soldaten zur Verfügung.
Drei mal versuchten die nationalsozialistischen Machthaber das Caritashaus für ihre Zwecke zu beschlagnahmen. 1937 für einen sogennannten „braunen“ regimetreuen Kindergarten und 1941 zugunsten einer erweiterten Kinderlandverschickung. Das Caritashaus sollte ganz von Schwestern und Altenheimbewohnern geräumt, die Anstaltskinder umquartiert werden. Nur mit viel Mühe und Geschick gelang es dem Stadtpfarrer, dank der verständnisvollen Einsicht des Landrates und der Mithilfe von Bürgermeister Martin Weinig, dieses Schicksal vom Caritasverein und den Schwestern abzuwenden. Als der Krieg immer näher kam, stand die Beschlagnahmung des Caritashauses erneut zur Diskussion. 1944 wollte die Wehrmacht den Stab einer Flakeinheit in das Caritashaus verlegen, worüber noch gesondert berichtet wird.
Flüchtlinge betreut
Nach der Flucht und Vertreibung aus östlichen Gebieten, stand die Caritas an vorderster Stelle bei der Betreuung der bis zu 900 Flüchtlinge und Vertriebene. Von den elf Schwestern waren in den 50er Jahren drei als Lehrkräfte in der Volksschule und eine als Handarbeitslehrerin tätig. Außerdem je zwei als Kindergärtnerinnen und Betreuerinnen des Altenheimes sowie als Krankenschwestern. Eine weitere Ordensfrau war als Haus- und Küchenschwester zuständig. Ohne Nonne zu sein, gehörte Creszentia Tully fast ihr ganzes Leben lang als Hilfskraft zur Schwesternstation. Sie wurde für ihre Treue im Beruf mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet
Zwischen 1961 und 1995 lösten sich infolge Nachwuchsmangel in unserem Landkreis die meisten Schwesternstationen auf. 1961 waren die Ordensfrauen in Augsfeld ins Kloster zurückgekehrt. In Neubrunn gingen die Schwestern 1966, in Knetzgau 1967. In Zeil kehrten 1984 die Ordensfrauen in ihr Mutterhaus in Würzburg zurück.1978 zog der Orden nach 27 Jahren auch die im Haßfurter Krankenhaus tätigen Ordensschwestern ab. 1995 verabschiedeten sich die Nonnen in Ebelsbach und 1998 aus dem Kinderheim in Eltmann. Mit dem Rückzug der klösterlichen Krankenschwestern war der Aufbau der heutigen Sozialstation verbunden. Bereits 1970 hatte im Landtag Staatssekretär Albert Meyer Sozialstationen für die ländlichen Gebiete angeregt.
Neues Altenheim
Nach dem Weggang der Nonnen aus Zeil wurden die Altenheimbewohner von dem neuerbauten Caritas-Altenheim St. Bruno in Haßfurt übernommen. Das über 50 Jahre alte Caritashaus hatte schon lange nicht mehr den Bestimmungen des Heimgesetzes entsprochen und es war auch wegen der geringen Bettenzahl wirtschaftlich nicht mehr kostendeckend.
Die Einrichtungen und Aufgaben der Wohlfahrtspflege unterliegen einem rapiden Wandel. Auch das 1953 in Zeil erbaute Altenheim der Arbeiterwohlfahrt musste 1979/81 größtenteils abgerissen und neu erbaut werden. 2013 bezog die AWO das heutige völlig neue errichtete Alten- und Pflegeheim.
Obwohl für Jahrhunderte konzipiert, schloss der Zeiler Caritaskindergarten am Schulring bereits 1973 seine Pforten. Wo einmal eine zweite Pfarrkirche geplant war, wurde in diesem Jahr der heutige Kindergarten am Haardtweg eingeweiht. Hier wurde durch die katholische Kirchenstiftung ein viergruppiger Kindergarten errichtet. 20 Jahre später musste Raum für eine fünfte Gruppe geschaffen werden. Im Jahr 2005 wurde durch einen Umbau die erste Kinderkrippe im Landkreis Haßberge eingerichtet.
"Netz für Kinder"
Zusammen mit der Stadt Zeil schuf der Caritasverein in den letzten 50 Jahren verstärkt Betreuungsplätze, und unter Bürgermeister Christoph Winkler ein „Netz für Kinder“, das Möglichkeiten für die Betreuung ab dem ersten Lebensjahr bietet.
2018 übernahm der Caritasverein auch die Trägerschaft einer provisorischen Gruppe im Rudolf-Winkler-Haus. Da auch die Forderung nach mehr Krippenplätzen bestand, richtete man in der Marienschule noch eine zusätzliche Gruppe für 18 Kinder unter drei Jahren ein. Anfang 2021 soll das Caritashaus am Schulring als viergruppige Kinderkrippe umgebaut werden. So ist dieses Gebäude, in welchem viele Jahre das Fotomuseum untergebracht war, wie ursprünglich vor 90 Jahren geplant, wieder voll und ganz eine Einrichtung zur Kinderbetreuung.
Vor 20 Jahren hat die Stadt Zeil zusammen mit der Grundschule und dem Caritasverein als Träger, die Grundschul-Mittagsbetreuung ins Leben gerufen. Auch hier war Zeil Vorreiter im Landkreis. Durch die geplante Sanierung des schon lange der Stadt Zeil gehörenden Caritashauses werden auch die Räume der Grundschulmittagsbetreuung renoviert und neu gestaltet.
Momentan sind 167 Kinder in der Kindertagesstätte angemeldet. Hier bilden 23 pädagogische Mitarbeiterinnen und sechs Angestellte im hauswirtschaftlichen Bereich das Stammpersonal. Als Beitrag zur Ausbildung von Fachkräften werden zurzeit sechs Praktikantinnen und immer wieder Schnupperpraktikantinnen aus der Mittel- und Realschule eingesetzt. In der Mittagsbetreuung werden die rund 90 Kinder von neun Mitarbeiterinnen betreut.
Das Ganze wird vom Vorstand des Caritasvereins als Träger ehrenamtlich geleitet, was bei einer Bilanzsumme von rund 1,3 Millionen Euro im Jahr eine große Verantwortung bedeutet. An der Spitze des Caritasvereins steht seit 2010 Dietmar Herrnleben. Für die Stadt Zeil ergeben sich Kosten in Höhe von rund 550 000 Euro, die für die Kinderbetreuung jährlich aufgebracht werden. zum Vergleich: 2010 war es etwa die Hälfte. Der Caritasverein hat derzeit 276 Mitglieder. Schon für nur 15 Euro Jahresbeitrag kann man Mitglied werden.