Etwa 1500 Tier- und Pflanzenarten werden für den ehemaligen Standortübungsplatz belegt sein, wenn erst mal alle beim GEO-Tag gesammelten Daten ausgewertet sind. Davon geht der örtliche Verantwortliche Klaus Mandery aus. Die Dokumentation sei „ein großes Mosaiksteinchen“ für das Bemühen, das Gelände unter Naturschutz stellen zu lassen, sagte Mandery beim Abschluss am Samstagabend.
Die Hoffnung, dass dies gelingt, hegt auch BUND-Vorsitzender Hubert Weiger. Er würdigte die Arbeit der Naturschützer vor Ort, die schon seit Jahrzehnten den Artenreichtum fachkundig dokumentierten. „Ebern hat eine zentrale Bedeutung für den Naturschutz in Franken und in Bayern“, sagte Weiger. Zudem sprach er ähnlich wie tags zuvor Helmut Schultheiß von einer „Erosion der Artenkenntnis in unserem Land“, die es zu stoppen gelte. Der „Homo sapiens biologicus“, also der Artenkenner, sei selbst vom Aussterben bedroht, an deutschen Hochschulen sei die Artenkenntnis eine „zum Aussterben verurteilte Wissenschaft“. Und auch Weiger ist der Ansicht, dass einer breiten Bevölkerung und vor allem der jungen Generation die Liebe zur Natur vermittelt werden muss, am besten vor Ort.
Unterstützt wird der GEO-Tag der Artenvielfalt von der Stiftung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Deren Geschäftsführer Bernd Siegfried bescheinigte den Fachleuten einen „unglaublichen Enthusiasmus“ und ein „großes Interesse, die Dinge weiterzugeben“. Er begrüßte es, dass bei dem Aktionstag nicht nur von Experten zu Experten gesprochen sondern versucht werde, „mehr Leute einzubeziehen“.
Zufrieden mit der Resonanz auf die Hauptveranstaltung zeigte sich Jens Schröder. Der stellvertretende Chefredakteur von GEO hätte sich „noch ein paar mehr“ Besucher gewünscht, aber es seien „nicht wenige“ gewesen und sie seien begeistert gewesen.
Erste Ergebnisse
Die Experten waren weitgehend unter sich, als zum Schluss die ersten Ergebnisse vom GEO-Tag der Artenvielfalt vorgestellt wurden. Bei aller Fachsimpelei gab's interessante Einblicke in eine Welt, die so nah und doch so fremd ist.
Einen „sensationellen“ Fund kann der Vertreter der „Wanzologen“ melden: eine Wanzenart, die in Bayern auf der Roten Liste steht und seit Jahren als verschollen gilt. Ähnlich bedeutsame Entdeckungen wurden bei den Laufkäfern und den Spinnen gemacht. Auch bei den Schnecken wurde dem damit befassten Experten zufolge ein „beeindruckender Anteil von Rote-Liste-Arten“ ermittelt, von 50 Prozent und mehr. Nicht zu vergessen die Essigrosen-Dickfühlerweichwanze, schon vorher entdeckt und wegen ihrer Einzigartigkeit der Star des Aktionstages.
Von Raubfliegen war zu hören, deren Larven in der Kinderstube anderer Insekten heranwachsen und die ihre sogenannten Wirtstiere auffressen, aber auch vom Paarungsverhalten der Tanzfliegen: das Weibchen sucht sich das Männchen mit dem größten Geschenk aus. Und haben Sie gewusst, dass es gar nicht so viele Arten von Ameisen sind, die in Erd- oder Pflanzenhügeln hausen? Eine Kolonie mit 15 Tieren wurde in einer Eichel entdeckt. Ein kleines Loch hat sie verraten.
Dann gibt es da jemand, der sich schwerpunktmäßig mit Flechten befasst. Deren Schönheit kommt erst unter einer guten Lupe so richtig zur Geltung. Und sie haben eine praktische Dimension: „Die Luft ist sehr gut in Ebern“, hat der Spezialist festgestellt – anhand der Flechtenarten auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz. Der Bürgermeister könne also mit guter Luft werben, sagt der Fachmann schmunzelnd.
Der Pilzexperte beantwortete die Frage, die ihm bei Führungen stets zuerst gestellt werde: Pilze gibt es immer, die einzige schlechte Jahreszeit sei im Sommer, also jetzt. Bei den Botanikern war „der ganz große Knaller nicht drin“, dafür mussten sie für ihren bedeutendsten Fund nicht mal richtig ins Gelände: das Kleine Tausendgüldenkraut entdeckten sie zwischen Pflastersteinen im ehemaligen Kasernenbereich.
Wie hatte doch Helmut Schultheiß in seinem Plädoyer gesagt? Die Beschäftigung mit der Artenvielfalt „hat Schönheit und Faszination zu bieten ohne Ende, man muss nur die Zeit und Geduld aufbringen, näher hinzuschauen“.