Der 23. April ist der Tag des Bayerischen Bieres. Am 23. April 1516 wurde das Reinheitsgebot verkündet, das heute noch Gültigkeit hat. Danach darf Bier nur aus Wasser, Hopfen und Gerste bestehen. Kaum jemand weiß noch, dass bis vor einigen Jahrzehnten in unserer Region mehrere Tausend bäuerliche Hausbesitzer ein Hausbraurecht besaßen. Daran erinnern noch elf Gemeinde-Brauhäuser in unserem Landkreis. Hier wird die Tradition des Hausbrauens als Hobby fortgesetzt.
Das alte steuervergünstigte Hausbraurecht wurde 1993 abgeschafft. Seitdem ist Hausbraubier ohne Abgabe von Gerste, jedoch versteuert, für jedermann erhältlich. Seit der Biersteuerreform von 2010 darf jeder Privathaushalt jährlich 200 Liter Bier für den Eigenverbrauch steuerfrei brauen. Ein Gesetzentwurf des Bundesfinanzministers sieht jetzt vor, dass Hobbybrauer künftig pro Jahr 500 Liter Bier brauen dürfen.
Die "kalte und lebensnotwendige Suppe" der Bauern
Vor über 90 Jahren, im Jahr 1933, betonte der Bezirksvorsitzende des Hausbrauerverbandes, der Zeiler Landwirt Paulus Wölfel, in einer Versammlung, das Hausbrauerbier werde nicht zu Unrecht als kalte Suppe der Bauern bezeichnet. "Bier zu trinken ist für den Landwirt ebenso notwendig wie Brot zu essen" Doch auch Handwerker und Arbeiter schätzten den billigen Gerstensaft; die immer durstigen Steinhauer ebenso. Bekanntlich gilt das Bier in Bayern als Nahrungsmittel. Wohl deshalb hat der Zeiler Armenpflegschaftsrat im 19. Jahrhundert Bedürftigen eine Geldunterstützung gewährt, damit sich diese eine Biersuppe zubereiten konnten.
Zur Ausübung des Hausbraurechtes gehörte es, die Braugerste auf eigenem oder gepachtetem Feld selbst anzubauen. Ein landwirtschaftlicher Betrieb war nicht unbedingt erforderlich. Den Hopfen bezogen die Brauereien damals noch aus heimatlichen Gefilden. Allein im Landgerichtsbezirk Eltmann baute man 1861 in 33 Gemeinden 600 Zentner Hopfen an. An der Spitze standen Unterschleichach, Dankenfeld und Stettfeld mit 120, 100 und 90 Zentnern, gefolgt von Zeil und Eltmann mit 60 bzw. 40 Zentnern.
Es gab Hopfenanbau und Hopfenhandel in der Region
Den Hopfenhandel betrieben Nikolaus Angebrand, Anton Gruber, Conrad Steigner und Georg Wolf. Hinzu kam noch Göllers Nachbarn Salamon und Urias Silbermann, die nicht nur Vorsitzende der jüdischen Kultusgemeinde, sondern auch Vieh- und Hopfen-Händler waren. 1934 schieb der Zeiler Pfarrer Dümler: "Nur um der Pfarrei das Hausbraurecht nicht verloren gehen zu lassen, bewirtschafte ich einige Grundstücke". Sinn und Zweck des steuerbegünstigten Hausbrauens war, dem erwähnten Personenkreis einen leichten und billigen Haus- und Erntetrunk zu verschaffen.
1965 kamen die Hausbrauer aus 60 Orten der Landkreise Haßfurt, Hofheim, Gerolzhofen und Schweinfurt. Gebraut wurden damals im Jahr rund 5000 Hektoliter Bier. Frauen trugen das Bier oft in Butten aus dem Brauhaus auf dem Rücken heim in den Keller oder zu den in Stroh gebetteten Fässern auf den Leiterwägen.
Haßfurt hatte lange Jahre Bierbraumonopol
Lange Zeit verfügte die Stadt Haßfurt über das Bierbraumonopol. Als Andreas Hiernickel 1799 um eine Braukonzession nachsuchte, wurde sie ihm zunächst abgeschlagen. Man stellte sie ihm jedoch in Aussicht, falls das Städtische Brauhaus kein besseres Bier zustande bringen sollte. Nachdem der Gerstensaft offenbar weiter zu wünschen ließ, erteilte der Rat Hiernickel dann noch im selben Jahr die Konzession.
1819 beschwerten sich die Zeiler Brauereigaststätten beim Landgericht, dass ihnen durch das Hausbrauen Einbußen entstehen würden. Doch die Behörde wies die Klage ab: "In vergangenen Zeiten, als Zeil mit schwersten Einquartierungen belastet war, erforderte es die Not, auf eigene Kosten zu brauen, weil die Wirtsbrauereien oft so schlechtes Bier auszapften, dass die Quartiergeber von den Soldaten misshandelt und ihnen das Bier ins Gesicht geschüttet wurde."
Den Zeiler Hausbrauern bestätigte man das althergebrachte Recht, ihr Bier im Städtischen Brauhaus zu brauen. Doch 1835 wurde das Brauhaus schon nicht mehr benutzt. Heute erinnert nur noch die Brauhausgasse daran. Die sechs Zeiler Brauereien bauten ihren Hopfen rund um Zeil an. Der geräumige Dachboden des Rathauses diente zeitweise zum Dörren der Dolden.
In den 20er Jahren wurden im Haßfurter Brauhaus jährlich bis zu 250 Sude ausgegeben. Seit dieser Zeit ging der Hausbrauerbierverbrauch immer mehr zurück. Er lag in den Jahren 1936 bis 1938 zwischen 150 bis 180 Sude pro Jahr. Ein Sud ergab rund 45 Hektoliter.
Ein Loblied auf die Vorzüge des Haustrunks
Der Zeiler Paulus Wölfel hielt als rühriger Bezirksvorsitzender des Hausbrauverbandes mehrere Reden über die Bedeutung des Hausbrauwesens. Er wies auf die besondere Eigenschaft des Hausbieres hin. In Weingegenden werde Wein getrunken, in Obstgegenden Most. Wo Gerste angebaut wird, trinke man Bier als Haustrunk. Im Gegensatz zum Bier aus den gewerblichen Brauereien, sei es weniger alkoholhaltig. Es berausche nicht, es werde als Lagerbier eingebraut und stark mit Hopfen gewürzt. Es sei durstlöschend und erfrischend.
Der Landwirt arbeite täglich 16 bis 18 Stunden schwer in der Sonnenglut. Es fehle ihm an Zeit, regelmäßige Mahlzeiten einzunehmen. Wenn der Landwirt durch Hitze matt und elend ist, kräftige ein Stück Bauernbrot und ein Krug Bier. Den Vorwurf, das Hausbrauerbier sei gesundheitsschädlich, wies Wölfel zurück: "Wir fränkischen Bauern sind ein sehr guter und gesunder Menschenschlag".
Sorge um biertrinkende Kinder
In einer Stadtratssitzung in Haßfurt forderte Stadtrat Josef Kehl, das Hausbrauen möglichst einzuschränken. Er geißelte das zunehmende Biertrinken der Kinder. Durch den häufigen Biergenuss werde ein "degeneriertes Volk" herangezogen.
Warum es in Bayern ungewöhnlich viele Hausbrauer gibt, begründete der Verband so: Bier in Bayern werde nicht zum Vergnügen und Luxus, als Abend- oder Dämmerschoppen, auch nicht zum Animieren in gewissen Gesellschaften und bei Lustbarkeiten getrunken. Bier ist in Bayern vor allem ein Lebensmittel und werde als solches hergestellt und getrunken. Bierpreis und Bierstärke waren die Ursache, dass der Landwirt zur Selbsthilfe gegriffen habe. Ein weiterer Grund sei die Steuerfreiheit des Haustrunkes, der nur für den Eigenbedarf bestimmt sei und nicht weiterverkauft werden dürfe.
Nach dem Weltkrieg sind alle Brauereien geschlossen
Im November 1945 wurden von der Militärregierung sämtliche Brauereien geschlossen. Alle noch vorhandenen Malz- und Hopfenvorräte wurden beschlagnahmt. Die Militärbehörde schloss ausdrücklich jede Unterstützung bei der Beschaffung von Rohstoffen und Brennmaterial aus. Ab 15. Februar 1946 durfte wieder Bier gebraut werden. Freilich handelte es sich um sogenanntes Einfachbier mit nur zwei Prozent Stammwürze. Es war meistens nur eine kurze Zeit zu genießen.
Beim 40-jährigem Jubiläum des Zeiler Liederkranzes 1947 konnte Gastwirt Göller nur Dünnbier und eine Suppe anbieten. Weil bei einem Ball der Weberei auch nur Dünnbier ausgeschenkt werden konnte, veranlasste die Betriebsleitung, Stoffe im benachbarten Bischofsheim gegen Most und Schnaps einzutauschen. In einer von der Militärregierung 1948 einberufenen Bürgerversammlung in Höfen (ehem. Landkreis Ebern) erinnerte der Offizier an das Milch-Ablieferungssoll. Ein Zwischenrufer warf darauf ein: "Gebt uns wieder unser Bier und ihr werdet mehr Milch kriegen."
33 Pfennige für den Liter Bier
Das von der Besatzungsmacht verhängte Hausbrauverbot wurde nach massiven Protesten 1949 wieder aufgehoben. Das erste Vollbier der Nachkriegszeit im Kreis Haßfurt schenkte man bei der Sander Kirchweih aus. Das süffige Vollbier war bis dahin der amerikanischen Besatzungsmacht vorbehalten. 1959 kostete ein Liter gutes Bier für Altbrauer mit eigenem Gerstenanbau 33 Pfennige, für Neubrauer ohne eigenem Gerstenanbau 38 Pfennige. In den Gastwirtschaften mussten dagegen zwischen 1 bis 1,60 Mark bezahlt werden.
1965 gab es im gesamten Bundesgebiet nur noch rund 40.000 Braurechte. Davon entfielen allein 22.500 auf das relativ kleine Gebiet, das dem Hauptzollamt Schweinfurt unterstand. Dieses Amt betreute damals etwa 4000 aktive Hausbrauer, bei denen jedoch in 1484 Fällen das Recht ruhte. Die Stadt Zeil zählte rund 200, die fünf heutigen, zumeist bäuerlichen Stadtteile, verfügten über 132 Hausbrauer. Zuletzt nutzten jedoch nur noch zirka 20 ihr altes Recht.
Braubetrieb wird ab den 1960-er Jahren unrentabel
In den Sommermonaten wurde in Haßfurt täglich gebraut. Im Brauhaus standen sechs Gärbottiche mit je 45 Hektoliter Fassungsvermögen zur Verfügung. Mit der Modernisierung der Landwirtschaft und der Aufgabe kleiner Betriebe in den 60er Jahren ging der Braubetrieb ständig zurück und wurde schließlich unrentabel.
Der Stadtrat entschied sich für eine Schließung, zumal das Gebäude in die anstehende Altstadtsanierung mit einbezogen wurde. Als Braumeister fungierte zuletzt Erhard Buhlheller, der 13 Jahre lang dieses Amt versah. Letzter Betriebsleiter war Bernhard Heidolf. Das städtische Brauhaus schloss 1978 für immer seine Pforten. Damit ging ein Stück Haßfurter Geschichte zu Ende. Die ländliche Romantik, mit den Butten und Fässern auf den Leiterwägen und Traktoren gehörte der Vergangenheit an.
Selbst der Bayerische Rundfunk war gekommen, um im Gespräch mit Bürgermeister Rudolf Handwerker und dem Brauhausverwalter Heidolf die Geschichte dieser jahrhundertealten Einrichtung noch einmal zu würdigen. Seit Anfang der 80-er Jahre wird in der Zeiler Brauerei Göller Hausbraubier nicht nur wie schon seit eh und je in Fässer, sondern auch in Flaschen abgefüllt und von den berechtigten Bauern im 3-Wochen-Rhythmus abgeholt.