
Sorgfältig sind die Zugangswege zum Seniorenzentrum Gartenstadt vom Schnee geräumt. Von den Fensterscheiben im ersten Stock des Hochhauses grüßen transparente Bilder, fröhliche Farbtupfen, die sicher die Bewohner in Bastelstunden gezaubert haben. Überhaupt macht das ganze Ensemble an der Hauptsmoorstraße, zu dem ein Kinderhaus gehört, einen gepflegten, offenen Eindruck: Diese Einrichtung in Trägerschaft der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Kreisverband Bamberg Stadt und Land, kann sich schon rein äußerlich sehen lassen. Sie ist eine von über 60 Einrichtungen in der Stadt und im Landkreis: „im Zeichen sozialer HERZlichkeit“, wie die AWO diese selbst überschreibt.
Mit Herzblut, Stolz und Freude hätten die etwa 1000 hauptamtlichen und zahlreichen ehrenamtlichen Mitarbeiter sicher gern den hundertsten Geburtstag der Arbeiterwohlfahrt in Bamberg gefeiert: Am 17. Februar 1921 wurde im damaligen Gasthof Nöth am Schillerplatz 11 der „Verein für Arbeiterwohlfahrt“ gegründet, Johann Steitz zum Vorsitzenden gewählt. Doch die Corona-Pandemie 2021 macht einen Strich durch die Festtagsplanung: „Zu besseren Zeiten im Jubiläumsjahr können wir eventuell nachfeiern“, ist aus der Geschäftsstelle des Vereins zu hören.
Not der durch den Ersten Weltkrieg Geschädigten lindern
Erst zwei Jahre vor Bamberg schlug die Geburtsstunde der AWO auf Deutschlandebene: Am 13. Dezember 1919 gründete Marie Juchacz (1879 bis 1956), die zu den ersten Frauen der Nationalversammlung gehörte, die AWO als „Hauptausschuss für Arbeiterwohlfahrt in der SPD“. Weitere Frauen und ein Mann waren Gründungsmitglieder. Reichspräsident Friedrich Ebert beschrieb den Ausschuss mit den Worten „Arbeiterwohlfahrt ist die Selbsthilfe der Arbeiterschaft“.
Zunächst versuchte sie, vor allem die Not der durch den Ersten Weltkrieg Geschädigten zu lindern. Sie richtete Nähstuben, Mittagstische, Werkstätten zur Selbsthilfe und Beratungsstellen ein. Später entwickelte sich die AWO zu einer Hilfsorganisation für alle sozial bedürftigen Menschen – bei gleichzeitigem Einsatz im sozialpolitischen Geschehen.
Nach der Machtergreifung Adolf Hitlers wurde die AWO zunächst erfolglos gleichzuschalten versucht und dann aufgelöst und verboten. Einige Mitglieder arbeiteten illegal weiter und halfen mit, bedrohte Personen aus der Arbeiterbewegung ins Exil zu schleusen.
Im Juli 1946 wurde die AWO in Bamberg wiedergegründet
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die AWO 1946 in Hannover als parteipolitisch und konfessionell unabhängige Hilfsorganisation neu gegründet. In der Sowjetischen Besatzungszone und der späteren DDR wurde sie – bis auf die Ausnahme Ostberlin – nicht zugelassen. Auch in Bamberg wurden wieder die Ärmel hochgekrempelt: Im Juli 1946 kam es zur Wiedergründung unter dem Vorsitz von Dr. Elisabeth Mehling. Im Dezember 1949 öffneten in Bamberg-Ost ein erster Kindergarten und ein Jugendwohnheim.

Im Laufe der Jahre ist die Bamberger AWO vom „karitativen Verein zur Förderung der Armenpflege“ zum Trägerverband sechs großer stationärer Einrichtungen und Ambulanter Dienste insbesondere für pflegebedürftige Senioren sowie Menschen mit psychischen Erkrankungen avanciert. Im Betreuungssektor für Kinder, Jugendliche und Familien steht der Verband in seinem Jubiläumsjahr für neun Kinderhäuser mit Krippen-, Kindergarten- und Hortgruppen, eine interkommunale Kinderkrippe, sechs separate Kinderhorte, 15 Betreuungseinrichtungen und Beratungsstellen an Schulen, drei Familienstützpunkte und eine Jugendhilfeeinrichtung.
1976 begann die Versorgung durch einen mobilen Mahlzeitenservice
Schon 1976 begann die AWO gemeinsam mit dem Malteser Hilfsdienst mit der Versorgung der Stadt Bamberg durch einen mobilen Mahlzeitenservice: Das heutige „Essen auf Rädern“. Zum vielfältigen Portfolio sozialer Dienstleistungen für die Region Bamberg gehören auch der Migrationssozialdienst als Beratungsinstitution inklusive Integrationsprojekten wie zum Beispiel die „Bamberger Lesefreunde“, das Selbsthilfebüro und der Betreuungsverein.
„Diese Entschlossenheit, unabhängig von Religion und Nationalität für benachteiligte Mitmenschen einzutreten und sie bei der Bewältigung ihres Lebensalltags in vielfältigsten Problemstellungen zu unterstützen, ist bis heute Maxime aller Aktivitäten der Arbeiterwohlfahrt“, heißt es in der Pressemitteilung des Bamberger Verbandes zum 100. Jubiläum. Darin werden auch die Grundlagen der AWO genannt: „Gleichheit, Gerechtigkeit, Toleranz und Solidarität bilden noch immer ihr sozialethisches Fundament, aus diesen Werten schöpft sie seit 100 Jahren unverändert die Philosophie ihres Wirkens.“
AWO übernimmt ehemaliges Offizierscasino und eröffnet darin ein Kinderhaus
Natürlich darf ein Jubiläumspräsent nicht fehlen. Der AWO-Kreisverband macht den Familien in der Gartenstadt und im Umkreis mit der Übernahme des ehemaligen Offizierscasinos in der Föhrenstraße zur Eröffnung eines weiteren großen Kinderhauses ein Geschenk. Und zwar nach eigenen Angaben „als verlässlicher Partner der Stadt und des Landkreises und als Impulsgeber der regionalen Sozialpolitik auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten“.