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Maroldsweisach
Der Tod kam aus Richtung Westen
Fünfundsiebzig Jahre nach Kriegsende erzählt der Maroldsweisacher Altbürgermeister Ottomar Welz von seinen persönlichen Erlebnissen in den letzten Kriegstagen.
Auf dem Gedenkkreuz sind die Namen der am 

8. April in Maroldsweisach ums Leben gekommenen Menschen aufgelistet: Else Taubmann, Therese Nüßlein und Friedrich Zink; zudem Georg Schubert, der in Würzburg ums Leben kam.
Foto: Jens Fertinger | Auf dem Gedenkkreuz sind die Namen der am 8. April in Maroldsweisach ums Leben gekommenen Menschen aufgelistet: Else Taubmann, Therese Nüßlein und Friedrich Zink; zudem Georg Schubert, der in Würzburg ums Leben kam.
Jens Fertinger
 |  aktualisiert: 29.03.2021 10:34 Uhr

Obwohl er erst gut zehn Jahre alt war und die vierte Klasse der Volksschule in Maroldsweisach besuchte, kann sich Ottomar Welz (85), der von 1972 bis 1996 Bürgermeister der Gemeinde und zuvor zwölf Jahre lang im Gemeinderat war, noch gut an die letzten Tage des Zweiten Weltkrieges erinnern.

Tief eingeprägt hat sich ihm ein Ereignis, das er am Samstag, 3. März 1945, erlebt hatte: Gegen zehn Uhr (damals gab es noch eine schulische "Sechstage-Woche") näherte sich am Himmel ein Flieger, von dem man zunächst vermutete, es sei ein deutsches Flugzeug. Allerdings irrten sich da die Schüler, es handelte sich um eine Maschine der Alliierten. Diese zog über Maroldsweisach hinweg und bombardierte den Nachbarort Voccawind, wo möglicherweise ein heftiger Schneesturm die exakte Sicht behinderte. Bei diesem Angriff war der Tod von Elisabeth Sophie Margarete Ponsold und ihrem noch nicht ganz einjähriges Kind zu beklagen. Welz vermutet, dass es sich bei dem Flugzeug um ein amerikanisches handelte, "denn diese flogen nur tagsüber, während die Russen nachts ihre Einsätze hatten".

Ottomar Welz - Zeitzeuge des verheerenden Bombenangriffes auf Maroldsweisach.
Foto: Jens Fertinger | Ottomar Welz - Zeitzeuge des verheerenden Bombenangriffes auf Maroldsweisach.

Wenige Wochen später erfolgte dann ein weiterer Luftangriff, der sich in sein Gedächtnis einbrannte. Es war Sonntag, der 8. April – der "Weiße Sonntag" –, als gegen 16 Uhr "bei herrlichstem Wetter" ein Tiefflieger Maroldsweisach ansteuerte. In der Chronik aus dem Gemeindeteil Brünn heißt es dazu: "In den ersten Tagen des April 1945 war der Amerikaner im zügigen Vormarsch längs des Mains und in Richtung Thüringen bis Königshofen vorgestoßen und kam mit motorisierten Einheiten über Maroldsweisach am 8. April 1945 in den Weisach- und Baunachgrund."

Mulmiges Gefühl

Einen Großteil dieses Nachmittags verbrachte Ottomar Welz mit seinem Freund Martin Feldmann. Auf dem Heimweg zu den elterlichen Wohnungen trafen die Kinder auf einen deutschen Soldaten – "wahrscheinlich aus Kerbfeld" –, der sich in einem Keller oberhalb des Bahnhofsgeländes mit seiner Freundin vergnügte. Wegen des Aufklärungsflugzeuges, das gegen 16.30 Uhr über Maroldsweisach kreiste, wurde es den beiden Jungen doch recht mulmig und sie suchten Schutz in dem besagten Keller. Nachdem die Luft wieder rein war, gingen Ottomar und Martin auf dem schnellsten Wege nach Hause.

Auch Helmut Welz erlebte den Bombenangriff hautnah.
Foto: Jens Fertinger | Auch Helmut Welz erlebte den Bombenangriff hautnah.

Als weiterer Zeitzeuge weiß Helmut Welz (84), nicht verwandt mit Ottomar Welz, von dem folgenden abendlichen Bomberangriff zu berichten. Nachdem das Aufklärungsflugzeug abgedreht hatte, war man der Meinung, dass der hauseigene Keller nun wieder verlassen werden könnte. Aber es kam ganz anders: Gegen 18 Uhr tauchten aus westlicher Richtung Bomber auf, die ihre todbringende Last ausgerechnet über den beiden gegenüberliegenden Anwesen Welz und Langguth abwarfen. Dabei wurden der Giebel sowie das oberste Stockwerk des Hauses Welz zerstört. Helmuts Tante Else Taubmann – bereits wenige Wochen zuvor in Würzburg ausgebombt – musste diese schlimme Erfahrung nun ein weiteres Mal in Maroldsweisach machen.  Sie bewohnte als "zugewiesene Untermieterin" aus Nürnberg das Eckzimmer im Erdgeschoss. Der Bombeneinschlag fügte ihr so schwere Verletzungen zu, dass sie wenig später verstarb. Der damals neunjährige Helmut wurde ebenfalls verletzt, kam aber dank der sofort eingeleiteten Maßnahmen glimpflich davon.

In Therese Nüßlein, die im Langguth-Haus gelebt hatte, fand dieser Bombenabwurf ein weiteres Opfer. Sie hatte zunächst ebenfalls im Keller Zuflucht gesucht "und wollte noch rasch etwas aus der Wohnung holen" (so berichtet ihr Sohn Alfred), als die Bombe einschlug.

Bei dem dritten Toten handelt es sich um Polizeimeister Friedrich Zink. Ganz besonders die Art und Weise, wie dieser ums Leben gekommen ist, beschäftigt Ottomar Welz immer noch: Der französische Kriegsgefangene Robert Aberdun, der im Auftrag von Georg Schubert – dieser kam im Jahr 1945 ebenfalls ums Leben – als Milchfahrer täglich seine zwei Touren fuhr, war der beste Freund des Polizisten. Regelmäßig traf man sich im Gasthaus "Zur Eisenbahn" (gibt es heute noch), um bei einer Brotzeit die Neuigkeiten des Tages auszutauschen. Just an diesem Spätnachmittag machte sich Zink wieder auf den Weg und ging Richtung "Eisenbahn"-Wirtschaft, um sich mit seinem französischen Freund zu treffen. Er sollte allerdings niemals ankommen.

Drei Bomben auf Maroldsweisach

Nach Aussage von Helmut Welz fielen an diesem Abend drei Bomben auf Maroldsweisach. Die erste erwischte sein Anwesen, die zweite fiel in den Werkshof und die dritte landete im Bereich der Bundesstraße, etwa auf der Höhe der ehemaligen Seilbahn. Und da endet auch die Lebensgeschichte des oben genannten deutschen Soldaten: Dieser Landser verließ  seine "Unterkunft", allerdings ohne die Freundin, die möglicherweise schon zu Hause war, und wurde tödlich verletzt. Die Bombe schlug unmittelbar in seiner Nähe ein, erwischte ihn und eine Kastanie. Der mächtige Baum erholte sich – im Gegensatz zu dem jungen Soldaten – von dem Bombenangriff und steht heute noch an seinem angestammten Platz.

Diese Kastanie an der Abzweigung zum ehemaligen Bahnhof ist ebenfalls ein Zeitzeuge des Bomberangriffs vom 8. April 1945. Der Laubbaum hat seine Wunden wieder schließen können und ist heute noch als kräftige Pflanze zu bewundern.
Foto: Jens Fertinger | Diese Kastanie an der Abzweigung zum ehemaligen Bahnhof ist ebenfalls ein Zeitzeuge des Bomberangriffs vom 8. April 1945.

Laut Ottomar Welz war Maroldsweisach zeitweise auch eine NSDAP-Hochburg – eine Einschätzung, die möglicherweise etwas zu hoch gegriffen ist. Aber: bereits in den 20-er Jahren konnte ein Oberförster aus Voccawind 27 Männer für das Schießen mit dem Gewehr begeistern. Da diese Männer auch regelmäßig für "Volk und Vaterland und den geliebten Führer" Geld spendeten, wurden sie später mit dem Goldenen Parteiabzeichen ausgezeichnet. Vermutlich zieht Welz auch daraus seine Mutmaßung.

Allen Betroffenen bleibt das Datum 8. April 1945 noch im Gedächtnis haften, denn es war zum einen der letzte Fliegerangriff auf Maroldsweisach, zum anderen ging nur vier Wochen später, am 8. Mai, der Zweite Weltkrieg und damit das von den Nazis so propagierte "Tausendjährige Reich" nach "zwölf Jahren und neunundneunzig Tagen" (Ottomar Welz) zu Ende. Ein bis heute schon 75 Jahre andauernder Friede sollte folgen.

Auf der alten Postkarte – im Original erstellt vom Verlag 

L. Stark Hofheim – ist das Anwesen von Johann Konrad Welz vor der Bombardierung zu sehen. Anhand der rot eingezeichneten Linien sind die Schäden nachzuvollziehen, die nach dem Angriff am 8. April 1945 zu beklagen waren.
Foto: Repro: Helmut Welz/Jens Fertinger | Auf der alten Postkarte – im Original erstellt vom Verlag L. Stark Hofheim – ist das Anwesen von Johann Konrad Welz vor der Bombardierung zu sehen. Anhand der rot eingezeichneten Linien sind die Schäden ...
 
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