Wie von Geisterhand bewegt, schließt sich der schwere Torflügel. Kein Knarren, kein Quietschen, nur das sanfte Schnurren der Motoren, die die Hydraulik antreiben. 20 Tonnen hat Hans Schnös gerade in der Hand. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn mit der Fernbedienung lässt der Betriebsstellenleiter von der Leitzentrale Haßfurt des Wasser- und Schifffahrtsamts (WSA) Schweinfurt an der Knetzgauer Schleuse den Torflügel zu- und wieder auffahren. Zufrieden schaut er, als weit unten in der Schleusenkammer die Worte zu hören sind: „Passt! Perfekt!“
Wieder kann Tobias Reißmann einen Punkt auf seiner Liste abhaken. Reißmann ist Bauwerkprüfer beim Wasser- und Schifffahrtsamt. Zusammen mit seinen Kollegen prüft er in diesen Tagen unter anderem die Knetzgauer Schleuse auf Herz und Nieren.
Mit Fehlfunktionen nicht zu rechnen
Spätestens alle sechs Jahre wird die Schleuse trockengelegt, der Main ausgesperrt. Der wartet geduldig an den schweren Notverschluss-Tafeln. Sie halten die Wassermassen noch vor den Schleusentoren an den beiden Enden des 300 Meter langen Bauwerks fern. So soll's auch sein, denn die Tore werden von Reismann auch genau untersucht.
Wobei da eh nicht mit Mängeln zu rechnen war, denn: Zum einen sind sie erst wenige Jahre alt, wie Hans Schnös berichtet, und zum anderen wären Fehlfunktionen natürlich längst aufgefallen.
Und so gibt es an den mächtigen „Türen“ der zwölf Meter breiten Schleuse nur kosmetische Reparaturen: die Puffer, die verhindern, dass die Tore beim Schließen zu stark aufeinandertreffen, werden ausgewechselt und neu eingestellt.
Warum der Main aber auch ausgesperrt bleiben muss: „Es muss einfach jedes Fleckchen der Schleuse in Augenschein genommen werden“, sagt Michael Bruns, Leiter des Außenbezirks Haßfurt vom WSA.
Dazu muss das Wasser raus aus der Kammer, denn von alleine läuft sie natürlich nicht leer. Knapp vier Meter hoch ist der Wasserstand in der Schleusenkammer, um gut 3,50 Meter hebt sie die Schiffe, wenn sie in Aktion ist. Zehn Pumpen leisten nach dem Absperren Schwerstarbeit, um dafür zu sorgen, dass Reißmann und seine Kollegen trockenen Fußes in der Betonwanne ihren Prüfungskatalog abarbeiten können.
Und dazu gehören auch die sogenannten Umlaufkanäle. Das sind mannshohe Kanäle, über die das Wasser in die Schleusenkammer geführt wird. Drei solcher Umlaufkanäle gibt es auf jeder Seite der Schleusenkammer, an den beiden Enden und in der Mitte. Denn nicht, was viele denken, über die Tore, sondern über diese Einläufe, die Umlaufkanäle, kommt das Wasser in die Schleuse, klärt Michael Bruns auf. Zwei solcher Kanäle auf jeder Seite sind nötig, damit das Wasser gleichmäßig in die Kammer läuft und es nicht zu Verwirbelungen und zu negativen Folgen für die Schiffe in der Schleuse kommt.
Und bei den Schiffen kommt es mitunter auf jeden Zentimeter Platz in der Schleusenkammer an. Maximal 11,45 Meter breit dürfen sie sein. Dann sind gerade mal noch 25 Zentimeter Platz auf jeder Seite des Schiffes. 190 Meter lang sind Schubverbände. Das dauert natürlich auch, bis sie in die Schleuse ein- oder ausgefahren sind.
Ende der 1950er-Jahre gebaut
Neuralgische Punkte an den Schleusen sind die Eingangsbereiche. Schrammen zeugen davon, dass dies nicht immer ohne Berührung geht. Größere Zwischenfälle gab es allerdings in den vergangenen zwei Jahren nicht, berichtet Schnös.
Und außerdem: Die Schleuse hält einiges aus. In den Jahren 1957 bis 1960 wurde sie gebaut, berichtet Tobias Reismann, und zeigt auf die Fundamente und die starken Mauern, die im Plan zu sehen sind: „Die Mauern sind stabil. Am Tragwerk kann so gut wie nichts passieren“, so der Bauwerkprüfer. Und Reismann weiter: „Es sind Schwergewichtsmauern“. Dennoch: Immer wieder wird das Prüfgerät an den Mauern angesetzt, um die Festigkeit des Betons zu messen und dann auch zu dokumentieren. Und das auf jeder Höhe. Dazu wurden mit dem Schwerlastkran auch Hebebühnen in die Schleusenkammer gehievt.
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Über die Hebebühnen kommen die Prüfer auch an andere Untersuchungsobjekte heran: Stahlteile müssen auf Korrosion und Abnutzung in Augenschein genommen werden. So werden zum Beispiel Poller in den eisernen Nischen ausgetauscht, an denen die Schiffe festmachen.
Rund zwei Wochen sind für die Arbeiten eingeplant, so Hans Schnös, der die Knetzgauer Schleuse aus dem „Effeff“ kennt. Immerhin war er dort von 1991 bis 2007 beschäftigt, bevor sein neuer Einsatzort Haßfurt wurde. Dort ist er Betriebsstellenleiter in der Leitzentrale und zuständig für die vier Schleusen im Landkreis Haßberge, in Viereth, Limbach, Knetzgau und Ottendorf.
Vier Wochen Vorbereitungszeit
Zwei Wochen lang ist in der Schleuse quasi der TÜV zugange, aber viel, viel länger ist die Vorbereitungszeit, berichtet Schnös. Bis zu zwei Jahre im Voraus laufen die Planungen, denn die Schifffahrt muss sich auf die Sperre des Mains einstellen können. Vier Wochen vor der eigentlichen Inspektion beginnen dann die Arbeiten an der Schleuse. So muss unter anderem dafür gesorgt werden, dass die riesige Badewanne auch genügend abgesichert ist.
„Alle Untersuchungen sind positiv verlaufen, keine großen Schäden“ – so lautete am Dienstag das Fazit zur Untersuchung, und außerdem liegt das Team mit den Arbeiten gut in der Zeit, denn bereits am Mittwoch darf der Main wieder in der Schleuse Platz nehmen, „am Vormittag wird wieder geflutet“, so Hans Schnös.
Schleusen-Inspektion
Vier Schleusen gehören zum Außenbezirk Haßfurt des Wasser- und Schifffahrtsamtes Schweinfurt. Es sind dies die Anlagen in Viereth, Limbach, Knetzgau und Ottendorf. Bis zum 29. April dauern die Inspektionsarbeiten an. Mindestens einmal in sechs Jahren muss jede Schleuse trockengelegt werden, um sie auf Schäden zu überprüfen. Heuer sind dies Viereth und Knetzgau. In Limbach wird eine Brücke zur Mainhalbinsel neu gebaut, die bisherige Brücke war dem Schwerlastverkehr nicht mehr gewachsen.