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SAND
Der letzte Korbmacher von Sand
Seltene Berufe. Stefan Rippstein beherrscht als einziger Meister im Kreis ein vom Aussterben bedrohtes Handwerk: die Korbmacherei.
Rekordverdächtig: Stefan Rippstein freut sich auch über ungewöhnliche Aufträge – wie einen Brezelkorb, der in hessischen Landen zum Einsatz kommt.
Foto: Fotolia, Wagner | Rekordverdächtig: Stefan Rippstein freut sich auch über ungewöhnliche Aufträge – wie einen Brezelkorb, der in hessischen Landen zum Einsatz kommt.
Von unserem Mitarbeiter Manfred Wagner
 |  aktualisiert: 16.02.2012 14:56 Uhr

Büttner, Häfner, Köhler, Wagner – altehrwürdige dörfliche Handwerksberufe, allesamt ausgestorben. Und wie steht's um den Korbmacher? Auch ihn muss man heutzutage suchen, aber noch gibt es einzelne Menschen, die die Fahne ihrer Zunft hochhalten. Zu ihnen gehört der 42-jährige Stefan Rippstein aus Sand, der einzige Korbmacher-Meister im ganzen Landkreis.

Wir unterhalten uns mit dem Meister, der nicht sich, sondern das Korbmacher-Handwerk in den Mittelpunkt stellen will. Ein Handwerk, das für ihn nicht bloß Beruf, sondern innere Berufung bedeutet. Das er – trotz grundlegender Veränderungen – liebt, das ihn zufrieden macht und erfüllt. Als wir den verheirateten Familienvater von vier Kindern zu seiner Weidenkultur hinter dem Haus begleiten, zeigt er uns den Umgang mit der Hippe.

„Das Schneiden der Weidenruten“, sagt er, „ist eine schwere Arbeit. Der Schnitt soll direkt über dem Boden erfolgen und wenn man einen ganzen Tag lang die Hippe schwingt, lernt man Demut vor der Natur.“ Vor fünf oder sechs Jahren hat er die Stecklinge gepflanzt. Jährlich werden sie geerntet, jährlich wachsen sie wieder nach. Gut 20 Jahre lang geht das so, erst dann lässt der Ertrag spürbar nach.

Heute ist Rippstein der einzige in Sand, der sich und seine Familie ausschließlich durch die Korbmacherei und das Flechten ernährt. Früher, erzählt er, wurde das Handwerk in praktisch jedem Haus in der Ortschaft am Main praktiziert.

Weiden garantierten Wohlstand

Viele Jahrhunderte lang sorgten die Weiden für einen gewissen Wohlstand der Dorfbewohner. Die Blütezeit der Korbmacherei lag in der Jahrhundertwende vor dem Ersten Weltkrieg. Kind und Kegel werkelten damals in den Flechträumen, die sich im Wohnhaus oder in einem Nebengebäude befanden. Das Abschälen der Weidenrinde mit der Kluppe, einem speziellen Werkzeug, war früher typische Kinder- und Frauenarbeit, weiß Rippstein. Jede einzelne Weide muss dabei in die Hand genommen werden. Die Schälarbeit verwandelte die graue oder grüne Weide in eine weiße. Damit das überhaupt möglich war, wurden die Zweige zuvor in speziellen Kesseln gekocht.

Um die fertige Ware an den Mann – und an die Frau - zu bringen, begaben sich zahlreiche Sander Korbmacher auf ausgedehnte Reisen.

Naturverbundener Realist

Ins Sächsische, Böhmische, Thüringische oder Hessische transportierte man die geflochtenen Holz-, Huckel- oder Wäschekörbe. Auch Rippstein macht sich des Öfteren auf den Weg zum Kunden. Auf den Oster-, Advents- und Weihnachtsmärkten bietet er sein Produkt „made in Sand“ denjenigen an, die ein heimisches Naturerzeugnis zu schätzen wissen.

Rippstein ist zwar naturverbunden, kennt aber die Realität. Lange schon haben anonyme chinesische Kunststoffprodukte auf Erdölbasis den Markt überflutet und den heimischen Flechtwaren den Rang abgelaufen. Und doch gibt es genügend Menschen, die sich lieber mit dem umgeben, was uns die Natur hierzulande schenkt, die Wert legen auf eine gemütliche Atmosphäre in den eigenen vier Wänden und die bereit sind, dafür etwas tiefer in den Geldbeutel zu greifen.

Immer wieder erreichen den Meister ungewöhnliche Aufträge. Die überdimensionalen Brezelkörbe, die er kürzlich im Auftrag eines kleinen türkischen Betriebs aus Offenbach geflochten hat, gehören beispielsweise dazu. Für Mustafa und Ali sind sie ideal, um frische Brezel, Käse- und Laugenstangen auf Volksfesten oder vor dem Fußballstadion unters Volk zu bringen.

Die Ernte: Wie anno dazumal schneidet Korbmachermeister Stefan Rippstein seine Weidenzweige knapp über dem Boden mit einem speziellen Werkzeug, der Hippe, ab.
| Die Ernte: Wie anno dazumal schneidet Korbmachermeister Stefan Rippstein seine Weidenzweige knapp über dem Boden mit einem speziellen Werkzeug, der Hippe, ab.
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