"Als zukünftiger Bräutigam erhältst Du von der Hauptdarstellerin einen Zungenkuss" – mit einem Klick auf „Zusage“ erklärte sich Benjamin Hückmann sofort damit einverstanden. Inzwischen ist die Kussszene für den zweiten Franken-Tatort gedreht. Zu sehen sein wird der Tatort mit dem Titel „Das Recht sich zu sorgen“ im Ersten im Frühjahr kommenden Jahres.
Ursprünglich hatte sich Benjamin Hückmann als Komparse für den Film „Die drei Musketiere“, zu dem 2010 auch in Würzburg Dreharbeiten liefen, beworben. „Ich fand die Schauspielerin Milla Jovovich schon immer total cool und wäre ihr gerne mal begegnet.“ Leider habe es damals nicht geklappt, bedauert der Lendershäuser.
Doch aufgrund seiner online angelegten „Sed-Card“, die ein Profil des Bewerbers mit Größe, Alter, Gewicht und Foto beinhaltet, wurde er immer wieder von der Agentur für Rollen angefragt. Meist ging es um Sendungen, die nachmittags bei Privatsendern laufen. „Die habe ich immer abgesagt“ – ungünstige Drehtermine in München und wenig attraktive Rollen reizten den 29-Jährigen nicht.
Die Anfrage für den Franken-Tatort lockte da schon wesentlich mehr. Wenige Stunden nach dem er sein Interesse bekundet hatte, lud ihn ein Anruf zum Casting in den Bayerischen Rundfunk nach Nürnberg ein. Gesucht wurden zehn Männer zwischen 25 und 35, die im Krimi einen Junggesellenabschied feiern. Einer von ihnen sollte den Bräutigam spielen.
Jeder der 50 Bewerber musste sich kurz vorstellen, wurde befragt und sollte dann drei Sätze sprechen, die ihm vorab zugesandt worden waren – fränkisch und angetrunken sollten sie klingen. Aufgeregt sei er nicht gewesen. „Da ich keinerlei Erfahrungen hatte, habe ich mir wenig Hoffnung gemacht“, gibt Hückmann zu. Manche Bewerber machten sich mit Dehnungen und Sprechübungen warm, „davon hatte ich natürlich keine Ahnung.“
Zehn Tage später kam aber die Zusage. Der Regisseur werde jedoch erst vor Ort entscheiden, wer von den zehn ausgewählten Junggesellen als Bräutigam am besten geeignet sei, hieß es. „Trotzdem wurde ich in mindestens sieben Anrufen gefragt, ob ich mir wirklich darüber bewusst sei, dass ich eventuell einen Zungenkuss bekommen könnte.“ „Das passt schon“, antwortete Hückmann stets gelassen.
Inzwischen wurde der Lendershäuser schon mal gehörig von seinen Kumpels wegen dem möglichen Kuss aufgezogen. Hauptkommissarin Paula Ringelhahn gehöre jedenfalls nicht unbedingt in seine Altersklasse. Aber es hatte ja schließlich noch niemand gesagt, welche Hauptdarstellerin den Bräutigam küssen würde. „Das Risiko gehe ich ein“, entgegnete Hückmann stets den Spöttern.
Einen Tag vor dem Dreh kam die Mitteilung, dass man sich am kommenden Morgen im Sportheim in Gerlachshausen, einem Ortsteil des Marktes Schwarzach am Main im Landkreis Kitzingen, einfinden solle. „Du bist der Bräutigam“, deutete Regisseur Andreas Senn auf Benjamin Hückmann. Bei dem Kuss mache er sich nicht strafbar, scherzte Senn, die Schauspielerin sehe zwar aus wie 16, sei aber schon 23 Jahre alt. Auch die Dame war mit der Wahl ihres Kusspartners einverstanden und legte kein Veto ein. Während die restlichen Junggesellen ein Lied einstudieren mussten, wurde dem Bräutigam eine dem Anlass entsprechende Bekleidung verpasst.
Schauplatz der Szene ist eine Floßanlegestelle am Main. Die Hauptkommissare Ringelhahn und Voss (Dagmar Manzel und Fabian Hinrichs) befragen gerade die Tochter eines Mordopfers, als zwei Autos mit gröllenden jungen Männern ankommen. Eine Floßfahrt auf dem Main steht auf dem Programm des Junggesellenabschieds.
„Unsere Szene dauert etwa eineinhalb bis zwei Minuten“, erläutert Hückmann, „aber sie wurde nicht durchgehend gedreht, sondern in sieben bis acht kleine Sequenzen zerlegt.“ Hat der Regisseur die Spieler platziert und erläutert, wie er sich alles vorstellt, weist der Kameramann an, wie jeder stehen soll. „Dann startet der Dreh mit den Rufen ,Klappe‘, ,Ton läuft‘, ,Kamera läuft‘, und zum Schluss kommt vom Regisseur das ,und bitte‘.“ Abgesehen von den ganzen Störungen von außen, sei es nun ein Flugzeug, ein Schiff, seien es läutende Glocken oder sei es eine Wolke, sei es gar nicht so einfach gewesen, zehn Laien dazu zu bringen, richtig zu stehen und sich richtig zu bewegen. Oft habe der Regisseur gerufen „Alles super, alles perfekt“, um die aufkommende Freude sogleich mit dem Nachsatz „Das drehen wir gleich nochmal“ zu dämpfen.
Viel Geduld habe Andreas Senn mit allen gehabt, „natürlich haben alle erst einmal total übertrieben, als sie die Betrunkenen spielen sollten.“
Und dann kam er – der Kuss. Regieanweisung: „Die Zunge muss man sehen!“ Vorher schnell noch einen Kaugummi für die Flößerin und den Bräutigam . . . „und bitte!“ Hückmanns Rolle sah vor, dass er von dem Kuss überrascht war. „Also machte ich nur den Mund auf, und sie kümmerte sich um den Rest.“ Etwa zehn Mal musste der Kuss gedreht werden, bis der Regisseur schließlich zufrieden war. „Ich hatte damit kein Problem“, versichert Hückmann grinsend, „schließlich sah das Mädchen nicht schlecht aus.“
Absolut interessant fand der Elektroingenieur den Drehtag. Man habe gar keine Vorstellung davon, wie aufwändig alles sei, „mindestens 35 Leute waren da ständig beschäftigt.“ Verköstigt wurden sie prima: Eis, Schnittchen, eine leckere Mahlzeit und natürlich jede Menge Getränke gegen den Durst. Gedreht wurden 3:50 Minuten an diesem Tag. „Die arme Kommissarin musste bei der Hitze den ganzen Tag im Mantel herum laufen. Aber sie hat kein einziges Mal gejammert“, bewundert Hückmann die Leistung von Dagmar Manzel.
Mit seinen Junggesellen hat er Handynummern getauscht und eine Facebookgruppe gegründet. „Das war eine coole Truppe, wir bleiben in Kontakt.“
Klar, dass Benjamin Hückmann nun gespannt auf die Ausstrahlung wartet. „Das wird bestimmt der erste Tatort, bei dem er nicht einschläft“, verrät seine Freundin Susanne Mehling. Ja, Benjamin habe sie gefragt, ob der Filmkuss für sie in Ordnung wäre. Und auch eingeweihte Freunde seien interessiert gewesen, was sie dazu sage. „Benjamin und ich haben oft genug geübt – ich bin sicher, dass er seine Rolle gut spielt“, lautet ihre schlagfertige Antwort. Und ein Geheimnis verrät sie noch leise: Benjamin habe ihr versichert, dass sie besser küsse als die andere.