Wer die momentane Hitze nicht aushält, kann auf unterschiedliche Arten für Abhilfe sorgen. Ein Freibadbesuch sorgt für die richtige Abkühlung – idealerweise mit einem erfrischenden Eis oder einer Apfelschorle. Ein Besuch mit Sonnenschirm am Badesee lässt sich auch ertragen oder man bleibt zu Hause und hält – ganz nach den stolzen Iberern – „Siesta“ und lässt dabei noch einen Ventilator für einen angenehmen Windhauch brummen.
So richtig ins Schwitzen kommen dagegen aufgrund der Sahara-Temperaturen und der lang anhaltenden Trockenheit die Landwirte und Winzer – nicht nur körperlich, sondern auch nervlich. Viele Zwischenbilanzen über Wachstumsmangel zahlreicher Agrarprodukte wie beispielsweise Mais, Kartoffeln, Kürbis und Gemüse überschatten die diesjährige Ernteprognose mit großen Einbußen. Viele Getreidefelder mussten wegen Notreife frühzeitig geerntet werden, der Ertrag ist durch klein ausfallende Körner begrenzt.
Das Abt-Degen-Weintal im Landkreis Haßberge weist zirka 100 Hektar Weinbau auf – das sind umgerechnet eine Million Quadratmeter Fläche. Im Durchschnitt steht auf jedem zweiten Quadratmeter ein Weinstock, somit hat der Landkreis Haßberge rund eine halbe Million Rebstöcke. Wer denkt, dass nur die „heiße“ Sonne für einen ausgezeichneten Wein verantwortlich ist, der täuscht sich gewaltig. Ohne Wasser geht nichts, außerdem liegt die optimale Temperatur für den Weinanbau zwischen 20 und 25 Grad Celsius.
Mit gezielten Wassergaben von rund 20 Litern pro Stock (oder einem Zehn-Liter-Gießer pro Quadratmeter) und Woche wird mit der sogenannten „Tropfenbewässerung“ ein gleichmäßiges und stressfreies Traubenwachstum angestrebt und vor allem das Austrocknen verhindert. Ein entscheidender Vorteil der Tropfenbewässerung, bei der lange in den Rebstöcken verlegte Leitungen immer nur kleinste Mengen Wasser abgeben, ist bei einer Trockenheit außerdem das Erreichen der tieferen Wurzeln. Ein Regenschauer von zehn bis 20 Liter pro Quadratmeter würde den Abt-Degen-Weintal-Winzern auf ihre 100 Hektar Weinbergfläche zehn bis 20 Millionen Liter Regenwasser bringen. Zum Vergleich: Das Haßfurter Freibad benötigt 2,7 Millionen Liter für das Befüllen aller Becken. Doch das würde nur kurzfristig helfen.
Bedingt durch die wenigen Niederschläge im ersten Halbjahr 2015 mussten die Winzer schon vor der Blüte mit der Tropfbewässerung beginnen. Diese Trockenheit seit letztem Herbst bereitet den Winzern und den Garten- und Waldbesitzern schon längst Kopfschmerzen, weil der Unterboden zu trocken ist. Viele Bäume leiden unter der allgemeinen Trockenheit und weisen jetzt schon gelbe Blätter und dürre Blätter auf.
Im August werden bei den Reben in den Beeren Säure und wichtige Inhaltsstoffe aufgebaut, damit der Wein gute Aromen hervorbringen kann. Dieses ist ein immens wichtiger Prozess, der für einen qualitativen Most in der Erntezeit verantwortlich ist. Und genau dieser Prozess findet ohne das wichtige Element Wasser nicht im gewünschten Maße statt.
Doch zu viel ist genauso schädlich: Ein überraschender Regenguss mit mehr als 50 Litern Niederschlag pro Quadratmeter würde dazu führen, dass die noch empfindliche Beerenhaut dem Wachstum nicht standhalten kann und aufplatzen würde. Deshalb sind die Winzer aus der Region darauf bedacht, ihre Reben dauerhaft zu befeuchten, wenngleich das sowohl materiell als auch personell mit hohem Aufwand verbunden ist.
Dem Sander Urgestein und Hobbywinzer Rudi Ruß aus Sand fiel während der Bewässerung ein passendes Sprichwort ein: „Was der Juli und August nicht in die Beeren bringt, kann der September nicht reifen lassen“.
Manchmal ist „Nachhelfen“ aber auch keine Option. Die Winzerfamilie Müller aus Zell beispielsweise hat unter anderem einen außerordentlich steilen Weinberg mit 40 bis 50 Prozent Steigung am „Fischersberg“ gegenüber der Sander Motocrossstrecke. Die Bewässerung von oben ist wegen der schlechten Zufahrt äußerst schwierig und fast nicht möglich. Der Weinbergboden, der das Wasser nicht hält, würde den Reben nicht zu Gute kommen und somit ist eine Bewässerung nicht sinnvoll und erfolgsversprechend. In diesem Fall würde ein natürlicher Regen sehr große Dienste tun. „Die Trockenheit ist heuer total extrem. Die Leute denken immer, dass die Hitze ein Garant für einen Jahrhundertwein ist, das ist aber leider nicht so“, sagt Christine Müller.