„Meine neue Heimat“, so lautete das Motto des zweiten Clubabends im Lions-Club Haßberge, der sich mit der Flüchtlingsarbeit im Landkreis beschäftigte. Auch diesmal war Landrat Wilhelm Schneider dabei. Begleitet wurde er diesmal von Dolmetscherin Siza Zaby, vom Bildungs-Koordinator für Zugewanderte, Nelson Müller, und von Kareem Aldbitat, einem Flüchtling, der von seinen Erlebnissen und seinem neuen Leben in Deutschland erzählte.
Wenige Wochen zuvor hatten Wilhelm Schneider und Siza Zaby den Clubmitgliedern geschildert, wie der Landkreis Haßberge den großen Zustrom der Flüchtlinge im Sommer 2015 bewältigte und wie gut sich die dezentrale Unterbringung bewährt hat. Im Landkreis Haßberge sei man daher auf dem Weg der Integration schon sehr viel weiter als andernorts. Ohne die vielen Ehrenamtlichen wäre das nicht zu schaffen gewesen, so Schneider. Und auch Kareem Aldbitat leistete seinen Beitrag dazu. Er war damals selbst noch nicht so lange in Deutschland. Doch da er sehr gut Englisch spricht, hat er sich umgehend bei Siza Zaby als Dolmetscher angeboten und hat sich in der Folge intensiv um die Neuankömmlinge gekümmert. Inzwischen ist er als Ein-Euro-Jobber für das Landratsamt tätig.
Bildungsangebote
Nelson Müller gab einen Einblick in die Bildungsangebote, die alle zum Ziel haben, den anerkannten Flüchtlingen möglichst schnell die Sprache und das Leben in Deutschland zu vermitteln. Derzeit liefen im Landkreis fünf Integrations- und drei Alphabetisierungskurse. 60 Prozent der Flüchtlinge beherrschten die lateinische Schrift, andere schrieben nur arabische Schrift. Ein gewisser Prozentsatz der Ankommenden müsse zu den Analphabeten gezählt werden, diese Leute sprächen oft nur einen arabischen Dialekt.
Integrationskurse mit Schwerpunkt Sprachunterricht
In den Integrationskursen liegt ein großer Schwerpunkt auf dem Sprachunterricht – mit guten Erfolgen. Mittlerweile sind die ersten Prüfungen erfolgt. Und 70 Prozent der Teilnehmer haben das B1-Niveau bestanden. Den gleichen Schwerpunkt haben die mittlerweile elf Berufsintegrationsklassen an der Berufsschule im ersten Jahr, im zweiten Jahr geht es dann intensiver um die Berufsvorbereitung.
„Ein Problem stellt sich bei den Afghanen, denn sie haben keinen Anspruch auf einen Integrationskurs“, erklärte Nelson Müller. Sie seien auf die ehrenamtlichen Angebote angewiesen.
Auch das Bibliotheks- und Informationszentrum (BIZ) in Haßfurt engagiert sich für den Spracherwerb. Hier finden sowohl ehrenamtliche Sprachlehrer als auch besonderes lernwillige Flüchtlinge ein eigens zusammengestelltes Angebot aus Sprachkursen und Lernhilfen.
Mit dem Gummiboot gekentert
Ein gutes Beispiel für schnellen Spracherwerb ist Kareem Aldbitat. Der heute 27-Jährige studierte in Syrien Politik. Als ihm der Kriegsdienst drohte, flüchtete er zunächst in den Libanon, dann in die Türkei.
Einen Monat lang suchte er einen Weg nach Griechenland, stieg dann in ein „Gummiboot“, das vor der Küste aber kenterte.
Zu Fuß ging es weiter nach Mazedonien, über Serbien gelangte er nach Ungarn, dann führte sein Weg nach Österreich, und von dort aus fuhr er mit der Eisenbahn nach Deutschland.
In einer Gruppe von 15 Personen sei er unterwegs gewesen, berichtet er. Nach zehn Tagen in Chemnitz sei er nach Schweinfurt und dann nach Haßfurt gekommen.
Dank an alle Deutschen
„Wir sind sehr glücklich hier. Wir haben alles. Das Landratsamt gibt uns Kleidung, Schule, Sicherheit“, ließ er wissen. „Ich danke allen Deutschen“, erklärte er auch im Namen seiner Landsleute. Seine Mutter in Homs sei sehr froh, zu wissen, dass sich so viele Menschen um ihn kümmerten. Und für ihn sei es selbstverständlich, im Rahmen seiner Möglichkeiten ebenfalls zu helfen. Er selbst sei aber auch in großer Sorge um Mutter, Bruder und Schwester. Telefonieren sei sehr schwierig.
Auch er schließt jetzt den Sprachkurs der Ebene B1 ab. Und er ist auf der Suche nach einer Ausbildung: „Elektrotechnik vielleicht.“
Viele Fragen stellten die Clubmitglieder, die erfuhren, dass Kareem Alawit ist. „Der IS missbraucht den Islam“, erklärte er kategorisch auf die Frage nach dem angeblichen Glaubenskrieg. Und ob denn ein Sieg der Assad-Truppen wirklich gut wäre für Syrien, fragten Clubmitglieder. Dazu erklärten Kareem und Siza Zaby, die ebenfalls in Syrien lebte, dass Syrien unter Assads Vater das einzige stabile Land im ganzen arabischen Raum gewesen sei. Und der Sohn sei sogar extrem bürgernah gewesen. „Syrien war modern, hatte gute Schulen und Universitäten und auch einen Minderheitenschutz, wenn auch keine Demokratie“, schilderte Siza Zaby. Syrien habe Armenier, Iraker und Libanesen als Flüchtlinge aufgenommen.
„Wir haben die Demokratie nicht erfunden“
Natürlich sei das alles nicht im Rahmen einer westlichen Demokratie geschehen, so Landrat Wilhelm Schneider. Der warnte aber davor, „unsere Werte eins zu eins in andere Länder zu transportieren. Wir haben die Demokratie auch nicht erfunden.“
Ob Syrien in absehbarer Zeit wieder zum Frieden finde, der IS langfristig niedergerungen werde, das könne derzeit niemand sagen, meinte Schneider. In dieser Zeit werde der Landkreis Haßberge sein Bestes tun, den Flüchtlingen Schutz zu bieten und sie in die Gesellschaft zu integrieren. Viele planten sicher, nach Ende des Krieges zurück zu gehen, andere würden vielleicht bleiben. In beiden Fällen sei es wichtig, vor allem den jungen Menschen eine Ausbildung mitzugeben, mit der sie sich ein selbstbestimmtes Leben aufbauen könnten. Viele Firmen im Landkreis seien sehr interessiert und warteten nur auf den Abschluss der Sprachkurse.
Interessante Einblicke
Lions-Präsident Georg Hiernickel dankte für die interessanten Einblicke und wünschte Kareem Aldbitat alles Gute für seinen weiteren Weg. Der Lions-Club werde auch weiterhin gerne Unterstützung leisten, wenn er gebraucht werde, sicherte Hiernickel dem Landrat zu.