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HASSFURT
Der bekannteste Restaurator der Ritterkapelle
Von Thomas Schindler
 |  aktualisiert: 07.01.2016 14:54 Uhr

In den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts war immer wieder von der bevorstehenden, dringend notwendigen Restaurierung der Ritterkapelle die Rede, die schließlich von 2006 bis 2010 erfolgte. Damals spendete etwa der Historische Verein Landkreis Haßberge einen Teil des Verkaufserlöses der von ihm herausgegebenen Bücher und der Eintrittsgelder zu Veranstaltungen der Ritterkapellenstiftung.

Bereits vor über 160 Jahren, als das Haßfurter Wahrzeichen vom Verfall bedroht war, schlossen sich Bürger der Stadt zu einem Verein zusammen, der Gelder zur Wiedererstellung des Gotteshauses sammelte. Dieser 1853 gegründete „Verein zur Restaurirung der Ritterkapelle“ konnte 1856 für die Ausführung der diesbezüglichen Arbeiten einen Mann gewinnen, dessen Namen bis heute mit diesem Bauwerk verbunden ist: Carl Alexander Heideloff.

Der am 2. Februar 1789 in Stuttgart geborene Heideloff wurde dort an der Kunstakademie der vormaligen Hohen Karlsschule in Malerei und Architektur ausgebildet. Schon sein Großvater Carl und sein Vater Viktor hatten als Künstler im Dienste der württembergischen Herzöge gestanden; Letzterer unter anderem als Theatermaler und als Professor an der eben genannten Schule.

Da Viktor Heideloff früh erblindete, musste Carl Alexander als ältester Sohn den Unterhalt seiner Eltern und Geschwister bestreiten und konnte sich den am Beginn des 19. Jahrhunderts in Künstlerkreisen in Mode gekommenen Studienaufenthalt in Italien nicht leisten. Ab 1808 beschäftigte er sich daher mit der deutschen Architektur des Mittelalters, die zum Thema seines Lebenswerks werden sollte.

Ab 1816 stand Heideloff im Dienst des ebenfalls für die mittelalterliche Kunst begeisterten Herzogs Ernst von Sachsen-Coburg-Saalfeld, um dann im Jahr 1820 nach Nürnberg zu gehen. Auch in der ehemaligen Reichsstadt begann man damals, Wert auf die Erhaltung historischer Baudenkmäler aus Nürnbergs „großer Zeit“ zu legen. Heideloff erkannte rasch, dass für die anstehenden Restaurierungen, etwa der gotischen Kirchen der Stadt, nicht genügend ausgebildete Handwerker zur Verfügung standen.

Er schlug dem Magistrat daher die Errichtung einer Kunstbildungsanstalt für Handwerker vor, die als Polytechnische Schule schließlich 1822 unter seiner Leitung eröffnet wurde. Zwar wurde er nicht, wie erhofft, zum Nachfolger des 1821 verstorbenen Stadtbaurats ernannt, konnte aber in den folgenden Jahrzehnten seine Stellung als Architekt und Restaurator mit einem Bekanntheits- und Wirkungsgrad weit über Nürnbergs Grenzen hinaus ausbauen. So ernannte ihn im Jahr 1837 König Ludwig I. zum „Conservator“, also zu einem für die Denkmalpflege zuständigen Staatsbeamten.

Zu den zahlreichen Auszeichnungen, die Heideloff als Anerkennung seines Schaffens erhielt, gehört auch die ihm 1841 von König Ferdinand II. von Portugal, einem Neffen des Coburger Herzogs, verliehene Würde eines Ritters des „Militärordens von Mariae Empfängnis von Villa Vicosa“. Jedoch war mit dieser Ordensverleihung keine Erhebung in den persönlichen Adelsstand verbunden. Trotzdem wurde der Baumeister, und das nicht nur von Freunden und Verwandten, in der Folge oft als „Ritter von Heideloff“ tituliert, und er hat sich diese Anrede scheinbar auch gerne gefallen lassen.

Seine zahlreichen Buchveröffentlichungen nennen als Verfasser dagegen meist nur „Carl Alexander Heideloff“ oder „Ritter Carl Heideloff“, während erst sein 1868 posthum durch A. von Eye herausgegebenes „Deutsches Fürsten- und Ritter-Album der Marianischen Ritterkapelle in Haßfurt“ ihn im Titel als „Karl Alexander von Heideloff“ ausweist. In die offizielle Adelsmatrikel des Königreichs Bayern ist er jedenfalls nie eingetragen worden.

Als Heideloff in Nürnberg 1856 in den Ruhestand trat und dauerhaft nach Haßfurt übersiedelte, war der Höhepunkt seiner beruflichen Laufbahn schon überschritten und seine romantische Kunstauffassung vom „reinen gotischen Baustil“ längst nicht mehr unumstritten. Bezeichnend hierfür ist die 1860 zwischen ihm und dem Würzburger Domvikar Nikolaus Reininger ausgetragene Kontroverse über das Alter und die Entstehungsgeschichte der Ritterkapelle.

Reininger konnte als Registrator des bischöflichen Ordinariatsarchivs und Konservator des Historischen Vereins für Unterfranken und Aschaffenburg auf authentisches Quellenmaterial zurückgreifen, wonach der Bau der Kapelle auf „die Mitte des 15. Jahrhunderts“ zu datieren sei. Dagegen vermochte Heideloff für seine Theorie, die Ritterkapelle sei zum Andenken an „die Versöhnung der beiden Gegenkaiser [. . .] Ludwig von Baiern und Friedrich von Oesterreich [ . . .] im Jahre 1325“ als „ein Symbol altdeutscher Einigkeit“ errichtet worden, keine stichhaltigen Beweise anzuführen. Er berief sich vielmehr auf seine in jahrzehntelanger Beschäftigung mit der mittelalterlichen Baukunst gesammelte Erfahrung.

Zu seiner Zeit längst noch nicht allgemein üblich und auch nach heutigem Verständnis vorbildlich war Heideloffs Prinzip, jeder Restaurierung zunächst eine gründliche Bauaufnahme des fraglichen Objekts vorangehen zu lassen. Auch für die Ritterkapelle sind die von seinem Schüler Johann Georg Hutzelmeier ausgeführten Zeichnungen erhalten, die das Gotteshaus in seinem schlichten Erscheinungsbild vor dem Beginn der Restaurierungsmaßnahmen zeigen.

Im Gegensatz hierzu stellen Heideloffs Entwürfe der Kapelle „in ihrem restaurirten Zustande“ weniger eine Restaurierung als einen Neu- und Umbau vor. Das Langhaus sollte demnach in seine einstige dreischiffige Form zurückgeführt und mit zahlreichen weiteren baulichen Ergänzungen versehen werden. Der Turmstumpf an der Nordseite wäre nach den Vorstellungen des Architekten um einige Geschosse aufgestockt, mit einer filigranen Spitze bekrönt worden und hätte an der Südseite in einem gleichartigen Turm ein Pendant erhalten. Nach Heideloffs Auffassung sollte der Restaurator bei der Wiederherstellung eines historischen Bauwerks nicht nur „die Idee des alten Meisters“ erkennen, sondern auch bisher gar nicht vorhandene Gebäudeteile im Sinne dieser „ursprünglichen Idee“ ergänzen. Ein derartiges Vorgehen, das mit den Grundsätzen heutiger Denkmalpflege nicht mehr vereinbar ist, wurde bereits von vielen Zeitgenossen Heideloffs kritisiert.

Auch in familiärer Hinsicht war Heideloff in seinem letzten Lebensabschnitt zunehmend vereinsamt. Diejenigen seiner Verwandten, die – wie sein jüngerer Bruder Manfred in Nürnberg – zu seinen engsten Mitarbeitern gezählt hatten, waren bereits gestorben. Auch war er seit 1851 verwitwet, und das Verhältnis zu seinen beiden Kindern war kein besonders gutes: Während Tochter Aline (1831 bis 1903) sich meist im Ausland aufhielt, hatte der drei Jahre jüngere Sohn Fritz mit 17 Jahren die Schule verlassen und war Soldat geworden. Als er nach über fünfjähriger Dienstzeit das Militär verlassen musste, stand er ohne einen erlernten Beruf, ohne Erfahrung mit Geldgeschäften und mit zerrütteter Gesundheit auf der Straße. Nachdem er Ende 1859 für einige Zeit nach Haßfurt gekommen war, beschloss der Magistrat am 18. November, dem „Müßiggänger Friedrich Heideloff von Nürnberg“ wegen seines nutzlosen Aufenthalts, des Mangels an Sustentationsmitteln [Unterhaltsmitteln] und unsittlichen Betragens den weiteren Verbleib in der Stadt zu versagen. Für seinen bei der Haßfurter Bürgerschaft angesehenen Vater muss dies eine schwere Kränkung bedeutet haben.

Der mit Bürgermeister Josef Baumann befreundete Architekt war auch über seine Arbeit an der Ritterkapelle hinaus künstlerisch für die Haßfurter tätig. So stammen von ihm die Entwürfe (und möglicherweise auch die praktische Ausführung) der von den Handwerkerinnungen der Stadt geführten Zunftfahnen. Sie zeigen auf der einen Seite einen Wappenschild mit den für das entsprechende Handwerk typischen Werkzeugen und auf der anderen ein Medaillon mit dem Bild des beziehungsweise der von der jeweiligen Zunft als Schutzpatron verehrten Heiligen. Diese Fahnen beziehungsweise die von den mit der Zeit verschlissenen Fahnentüchern abgetrennten Wappen und Medaillons werden heute in der städtischen Museumssammlung aufbewahrt. 1861 entwarf Heideloff die Kreuzigungsgruppe im alten Friedhof und im Jahr darauf den Hochaltar der Ritterkapelle, der jedoch erst 1878/82 von Josef Metzger ausgeführt wurde.

Am 28. September 1865 starb Carl Alexander Heideloff in Haßfurt und wurde im Schatten seiner letzten Wirkungsstätte beigesetzt. 1867 setzten ihm Freunde dort das noch heute vor dem Chor der Ritterkapelle befindliche Grabdenkmal, dessen Porträtbüste der Bildhauer Viktor Capeller, ein Neffe Heideloffs, schuf.

 
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