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HAßFURT
Der Aufstand gegen das Admira-Center
In seinem Buch „Two towns in Germany“ beschreibt Norbert Dannhäuser in einem Kapitel die politischen Entscheidungen, die zum Bau des Admira-Centers geführt haben.
Foto: Peter Schmieder | In seinem Buch „Two towns in Germany“ beschreibt Norbert Dannhäuser in einem Kapitel die politischen Entscheidungen, die zum Bau des Admira-Centers geführt haben.
Von unserem Mitarbeiter Peter Schmieder
 |  aktualisiert: 15.12.2020 15:19 Uhr

Viele Haßfurter dürfte es überraschen, dass sich im englischsprachigen Raum Wissenschaftler mit ihrer Heimatstadt beschäftigen. 1996 schrieb der deutschstämmige Amerikaner Norbert Dannhäuser sein Buch „Two Towns in Germany“. Dannhäuser ist Professor für Anthropologie an der Texas A&M University und Enkel eines früheren Haßfurter Bürgermeisters. Eine der beiden Städte, deren Entwicklung er in dem Buch behandelt, ist Haßfurt. Auch im Haßfurter Bibliotheks- und Informationszentrum (BIZ) liegt das Buch vor, wird aber kaum gelesen.

„Das liegt wohl auch daran, dass es auf Englisch geschrieben ist. Und nicht gerade in einem leichten Englisch“, meint Willi Gröhling. So machte sich der Mathematiker Gröhling selbst daran, sich durch die Fachsprache zu kämpfen und Dannhäusers Buch ins Deutsche zu übersetzen.

Zur Veröffentlichung in Buchform ist seine Übersetzung des Werkes nicht gedacht. Im Rahmen eines Vortrags für den Historischen Verein Landkreis Haßberge las Gröhling im kleinen Saal der Haßfurter Stadthalle allerdings ein Kapitel aus der Übersetzung vor.

Dabei handelt es sich um Kapitel 7 des Buches. Es trägt den Titel „Wandel in Haßfurt: Das neue Einkaufszentrum“. Gemeint ist damit das Admira-Center. Dannhäuser berichtet davon, wie nach der Schließung der Firma Mölter im Jahr 1985 über eine neue Nutzung des Firmengeländes diskutiert wurde. Zunächst hätten sich mehrere Seiten gegen die Errichtung eines Einkaufszentrums ausgesprochen, darunter der Stadtrat, die Industrie- und Handelskammer sowie die Geschäftsleute aus der Innenstadt. Sie alle äußerten Befürchtungen, der Bau eines großen Marktes könne zum Aussterben der Innenstadt führen. So wurden in den folgenden Jahren mehrere geplante Projekte abgelehnt.

Dann jedoch habe sich zumindest bei einer der Parteien die Stimmung geändert. „Wie in der Presse berichtet wird, beschuldigte ein Kaufmann die Stadtverwaltung, mit gespaltener Zunge zu sprechen: Einerseits unternehme die Verwaltung – unterstützt von Spenden der Landbesitzer – lobenswerte Anstrengungen, um die Altstadt aufzuwerten, doch auf der anderen Seite plant sie, den Einzelhändlern der Stadt ein solches Monstrum vor die Nase zu setzen“, heißt es in Dannhäusers Buch.

Den Grund für den Sinneswandel des damaligen Stadtrates um Bürgermeister Rudolf Handwerker sieht Dannhäuser in der Neueinstufung der Kreisstadt als „mögliches Mittelzentrum“. So hätten die Politiker Haßfurt als Mittelzentrum etablieren wollen, um im Gegensatz zu einem Kleinzentrum mehr Rechte und größere Unterstützung durch die Regierung zu genießen. Dafür habe die Stadt verhindern müssen, Kunden an andere Städte zu verlieren, was nur durch größere Einkaufsmöglichkeiten ermöglicht wurde.

Weiter schreibt Dannhäuser über die Versuche der Geschäftsleute aus der Innenstadt und insbesondere des Aktionskreises Haßfurt Aktiv (AHA), den Bau eines Einkaufszentrums zu verhindern oder zumindest dessen Fläche zu begrenzen. So berichtet er beispielsweise über einen Leserbrief mit dem Titel „Muss die Innenstadt sterben?“, den der damalige AHA-Vorsitzende Bernhard Iff in die Zeitung brachte, oder darüber, dass die Geschäftsinhaber aus der Hauptstraße 1990 öffentlich vor dem Rathaus gegen Stadtratsentscheidungen demonstrierten.

Zu diesem Zeitpunkt war Rudolf Handwerker schon vom Rathaus ins Landratsamt gewechselt, doch auch sein Nachfolger Michael Siebenhaar hätte den Bau eines neuen Einkaufszentrums vorangetrieben. Über die SPD-Stadträte urteilt der Anthropologe, sie hätten vor allem deshalb gegen die Interessen der Innenstadt gestimmt, weil die Geschäftsleute mehrheitlich CSU-Sympathisanten gewesen seien. „Das Problem war, dass die Macht zugunsten der Peripherie umgekippt war“, schreibt er.

Schließlich wurde mit dem Admira das neue Einkaufszentrum gebaut und 1992 eröffnet. „Es war nur noch die Frage wann und nicht ob die nächsten Firmen aus der Altstadt ziehen oder schließen würden“, heißt es am Ende des Kapitels. „Die leer stehenden Geschäftsräume wurden von Discountern, Banken und Versicherungsagenturen belegt.“

Eine lange Diskussion gab es danach nicht, Gröhling ließ es sich jedoch nicht nehmen, auch die weitere Entwicklung seit Erscheinen des Buches zumindest kurz zu kommentieren. „Jetzt ist ja das Admira-Center mitten in der Stadt, gebaut wird heute noch weiter draußen“, meinte er. Im Gespräch mit der Presse sagte er später: „Damals hat es den gleichen Aufstand gegeben wie vor zwei Jahren beim Gewerbegebiet.“

 
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