
Am 1. Mai, dem „Tag der Arbeit“, lud der Kreisverband Haßberge des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zu seiner Maikundgebung in den Goger-Saal in Sand. Als Hauptredner sprach Gewerkschaftssekretär Norbert Zirnsak von der IG Metall Würzburg zu den rund 50 Besuchern der Veranstaltung. Deutliche Kritik bekam dabei vor allem die AfD ab.
Bevor Zirnsak ans Rednerpult trat, sprach der stellvertretende Sander Bürgermeister Paul Hümmer ein Grußwort im Namen der Gemeinde. „Gute Löhne und gute Arbeit bedeuten für die Kommune mehr Gewerbesteuer“, begründete er, warum Gewerkschaften und Politiker seiner Ansicht nach auch oft gleiche Interessen hätten. Als weiteres gemeinsames Ziel nannte er den Erhalt des Zeiler Hallenbades. „Wir kämpfen darum, dass der Freistaat den Kommunen Geld zur Verfügung stellt, um die Infrastruktur zu erhalten“, sagte er.
Norbert Zirnsak begann seine Rede mit einem Lob an Kreisvorsitzenden Sandy Koppitz. „Ich finde, es ist ein großer Gewinn für die Gewerkschaften im Landkreis Haßberge, dass du im DGB Kreisverband den Vorsitz übernommen hast. Man spürt frischen Wind.“ Koppitz hatte das Amt von Anna Schlechter übernommen, nachdem diese aus dem Landkreis weggezogen war.
Klassenkampfrhetorik
Norbert Zirnsak berichtete, im vergangenen Jahr habe ihn ein Medienvertreter gefragt, ob der Maifeiertag der Arbeiterbewegung noch zeitgemäß sei. „Die großen Ziele der Gewerkschaftsbewegung seien ja erreicht. Der 1. Mai habe für die Beschäftigten an Bedeutung verloren“, zitierte Zirnsak die Thesen des Journalisten. Dem widersprach der Gewerkschaftssekretär und sprach von einem „Höchststand an marktradikaler Deregulierung in der Arbeitswelt“ sowie einem „lebhaften Wildwuchs auf den Arbeitsmärkten“. So sprach er über Themen wie Arbeit auf Abruf, atypische Beschäftigung, befristete Arbeitsverhältnisse, Leiharbeit, Teilzeitbeschäftigung oder Werkverträge.
Auch im Landkreis Haßberge seien ausbeuterische Verhältnisse festzustellen. „Immer häufiger werden besonders im Liefer- und Zustellsektor von örtlichen Unternehmen Knebelverträge, meist mit rumänischen Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeitern geschlossen, die am Ende dazu führen, dass Beschäftigte quasi noch Geld mitbringen müssen, um hier zu schuften.“ Diese Zustände richteten sich gegen die Demokratie und die Normen einer aufgeklärten Arbeitswelt und dürften nicht unwidersprochen akzeptiert werden.
Scharf kritisierte er Reiner Dulger, Chef des Unternehmerverbandes Gesamtmetall, der einen Warnstreik als Selbstzweck der Gewerkschaften abgetan habe, ebenso wie den Unternehmer Michael Rogowski, der gefordert habe, man solle das Betriebsverfassungsgesetz und Tarifverträge verbrennen. Zirnsak sprach von „Klassenkampfrhetorik in Reinkultur“ und kritisierte auch den ehemaligen BDI-Präsidenten Hans-Olaf Henkel, Mitbegründer der „angeblichen Alternative für Deutschland“, wie der Gewerkschafter sagte.
In seiner Kritik an der AfD wurde Zirnsak besonders deutlich. „Gerade am 1. Mai können Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter die Verschiebung des politischen Gefüges in Richtung Rechts nicht unbesprochen lassen“, sagte er. So gehe es den Gewerkschaften darum, niemals wieder zuzulassen, dass „solch finstere Geister“ die Macht erhalten. „Die AfD ist eine Partei, die von marktradikalen Professoren und mächtigen Wirtschaftsbossen gegründet wurde“, sagte Norbert Zirnsak. „Sie ist eine Formation, die das Kapital hofiert, und die so tut, als sei sie für die kleinen Leute gemacht!“ Stattdessen wolle die Partei Gewerkschaftsrechte streichen, das Renteneintrittsalter erhöhen und Errungenschaften der Beschäftigten beschneiden – es gehe ihr um eine Umverteilungspolitik zu Gunsten der oberen Zehntausend. „Wir wenden uns also gegen die Partei des Alexander Gauland, der Beatrix von Storch, der Alice Weidel und gegen die Partei des Rassisten Bernd Höcke“, betonte der Gewerkschaftssekretär.
Bahnanschluss statt Flugtaxi
Weiter kritisierte er, viele Unternehmen würden die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns umgehen – auch in der Region: „Das Hauptzollamt Schweinfurt leitete im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres 84 Ermittlungsverfahren wegen nicht gezahlter Mindestlöhne im Landkreis Haßberge ein“, berichtete Zirnsak. Besonders im Hotel- und Gaststättengewerbe sei die Situation inakzeptabel. „Lohndrückerei ist kein Kavaliersdelikt!“, betonte der Gewerkschafter.
Weiter sprach er über Umbrüche in der Arbeitswelt. „Viele melden sich im Augenblick mehr oder weniger qualifiziert in Sachen Digitalisierung und Industrie 4.0 zu Wort“, sagte er und verwies auf Staatsministerin Dorothee Bär und ihr bekannt gewordenes Flugtaxi-Zitat, das er als „weltfremdes Gerede“ bezeichnete. Bei „derartig schrillen Ideen“ solle man prüfen, „ob nicht ein Update für die Software in der eigenen Oberstube der erste Schritt in die richtige Richtung wäre“. So solle sich Bär lieber für günstige Busverbindungen, einen Bahnhalt in Obertheres, die Wiederbelebung der Bahnstrecke Kitzingen-Schweinfurt oder schnelles Internet in der Region stark machen.
Im Gespräch mit dieser Redaktion betonte er im Anschluss, dass Bär als gewählte Abgeordnete für die Region auch weiterhin die Ansprechpartnerin für die Bürger sei. So sei sie auch nach dem Ende ihrer Zeit im Verkehrsministerium nicht aus der Verantwortung, was die Verkehrsanbindung im Landkreis betrifft.
An Steffen Vogel, der die Region im bayerischen Landtag vertritt, ging ein Appell zur Rettung der Schwimmbäder, ausgelöst durch die Entscheidung zum Ende des Bades in Zeil, die für viele wie ein Paukenschlag kam. „Es sind die Kinder der Beschäftigten, die dort Schwimmen lernen, die dort Sport treiben und die dort ihre Freizeit verbringen. Das muss so bleiben!“ So kündigte er an, bei den Landtagswahlen im Herbst würden die Gewerkschaften die Politiker daran messen, „ob sie Lösungen finden, die verhindern, dass mehr und mehr öffentliche Infrastruktur aus unserem Landkreis verschwindet“.
Zum Schluss seiner Rede kam er noch einmal auf die Frage nach der Aktualität des Maifeiertags zurück. „Der 1. Mai hat weiterhin eine hohe Bedeutung. Der 1. Mai passt in die Zeit!“ Der Tag stehe für sozialen Fortschritt. In einer Zeit, „in der die Vermögenden ihren Reichtum in die Höhe treiben“, brauche es den 1. Mai als Tag der Arbeiterbewegung „genauso wie vor 128 Jahren, als die 26 Arbeiterschaft damit begann, für den Acht-Stunden-Tag zu kämpfen!“