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Bamberg
Bamberg: Denkmalwissenschaft erforscht Wiederaufbau nach dem Krieg
Bearbeitet von Michael Mahr
 |  aktualisiert: 29.03.2021 10:28 Uhr

Die Frauenkirche in Dresden, das Neue Schloss in Stuttgart oder das Heilig-Geist-Spital in Nürnberg: Im Zweiten Weltkrieg wurden diese und viele weitere historische Gebäude durch Bomben und Feuer zerstört. Doch heute sind sie wieder zu besichtigen und gehören fest zum Stadtbild – dank des Wiederaufbaus. Ihm lagen oftmals Karten der Städte zugrunde, die bereits während des Krieges entstanden, um das historische Erbe der Stadt zu dokumentieren, berichtet die Universität Bamberg in einer Pressemitteilung. Im Dezember 2020 startete ein denkmalwissenschaftliches Forschungsprojekt, das diese Karten untersucht.

Die Ergebnisse könnten dabei helfen, auch aktuelle Schäden besser zu kartieren, so die Mitteilung. Nach der Explosion in Beirut im August 2020 seien der Öffentlichkeit beispielsweise Stadtkarten zur Verfügung gestellt worden, um Schäden einzuzeichnen und den Wiederaufbau zu planen. Auch heute geschehe die Schadenskartierung noch nach einem ähnlichen Schema wie während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Stadt Nürnberg habe zum Beispiel 1947 die Bevölkerung ebenfalls in Form eines Ideenwettbewerbs in den Wiederaufbau einbezogen.

Das Forschungsprojekt wird mit insgesamt 2,5 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert, informiert die Pressemittelung. Dr. Carmen Enss, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Denkmalpflege der Universität Bamberg, leitet das Projekt, das im Verbund mit anderen Forschungseinrichtungen durchgeführt wird.

Städte gingen unterschiedlich mit Zerstörungen um

Zwischen 1939 und 1949 zeichneten Stadtverwaltungen und Fachbehörden, aber auch Vereine, Firmen und Privatpersonen Karten. Einerseits beurteilten diese die Gebäude der Stadt nach ihrem materiellen und ideellen Wert, andererseits hielten sie aber auch Zerstörungen während des Krieges fest. „Im Nachhinein können uns die Karten unter anderem zeigen, wie Entscheidungen über den Erhalt von Gebäuden getroffen wurden“, wird Carmen Enss zitiert.

Interessant sei vor allem, zu sehen, wie die unterschiedlichen Städte mit dem Erbe umgegangen sind. „Kassel und Hannover haben beispielsweise ihre Städte ganz neu geplant – geschichtsträchtige Gebäude sind beinahe vollends aus dem Stadtbild verschwunden“, erläutert die Projektleiterin in der Pressemitteilung. Im Kontrast dazu sei in Nürnberg mehr auf die historisch gewachsene Struktur der Stadt eingegangen worden. Besonders die Stadtmauer, die noch heute die Altstadt säumt, habe eine wichtige Rolle gespielt.

Durch die Forschung könnten auch einige Mythen ausgeräumt werden: „Von München hört man oft, dass die Stadt den Krieg recht unbeschadet überstanden hätte. Dieser Irrtum rührt daher, dass hier der Wiederaufbau ähnlich wie in Nürnberg nach historischem Vorbild durchgeführt wurde und das heutige Stadtbild dem vor dem Krieg in vielem ähnelt“, so Enns. Viele Schäden in den Städten seien außerdem lange Zeit mit dem Krieg begründet worden, obwohl ein großer Teil erst danach entstanden sei. „Wir versuchen, solche Irrtümer aufzudecken“, erklärt die Architekturhistorikerin laut Pressemitteilung.

Kartenmaterial soll der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden

Noch schlummerten viele der alten Stadtkarten in Archiven. Zunächst gelte es, diese zu sammeln, zu digitalisieren und anschließend zu analysieren und zu verstehen. „Meine Vision ist es, das Kartenmaterial danach einer breiten Öffentlichkeit in digitaler Form zur Verfügung stellen zu können“, erklärt Enss. Zunächst beantworte das Projektteam vor allem folgende Fragen: Wie hat sich die Darstellung der Kriegsschäden und der Wiederaufbaumaßnahmen gewandelt? Wie nutzten Politiker oder Verwaltungen die Karten für ihre Ziele? Und welche Funktion hatten die Karten tatsächlich in der Wiederaufbauplanung der ausgewählten Städte in Mittel- und Osteuropa?

Denn nicht nur deutsche Städte werden untersucht, sondern auch Städte in Polen, Weißrussland, der Ukraine und Österreich. „Gerade der Vergleich mit Städten wie etwa Posen/Poznan, die während des Krieges oder danach die Nationalität wechselten, ist interessant. Wollten sie das deutsche Erbe behalten? Wie unterscheiden sich ehemals sowjetische Städte von deutschen oder österreichischen in Hinblick auf den Wiederaufbau?“, fragt Enss.

Das BMBF fördert das Forschungsprojekt „Kartieren und transformieren: interdisziplinäre Zugriffe auf Stadtkarten als visuelles Medium urbaner Transformation in Mittel- und Osteuropa, 1939–1949“ im Rahmen des Programms „Kleine Fächer – zusammen stark“. Es wird im Verbund mit dem Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) in Erkner, dem Herder-Institut für Ost- und Mitteleuropaforschung in Marburg und dem Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften (GESIS) in Köln bis 2024 realisiert.

Kleine Fächer, wie etwa Denkmalpflege, historische Kartographie oder Digitale Geisteswissenschaften arbeiten hier gemeinsam und können so die Karten aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Die Universität Bamberg erhält einen Anteil von 1,15 Millionen Euro der bereitgestellten Mittel. Das Projekt gehört zum Forschungsschwerpunkt „Erschließung und Erhalt von Kulturgut“ der Uni.

Informationen zum Forschungschwerpunkt unter www.uni-bamberg.de/forschung/profil/kulturgut
Informationen zum Forschungsprojekt unter: ww.urbanmetamapping.uni-bamberg.de

 
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