
Im November 1994 wurde in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ein neuer Zusatz aufgenommen: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden (Artikel 3, Absatz 3)“. Und im Dezember 1998 stellte der Artikel 118a der Bayerischen Verfassung fest: „Menschen mit Behinderungen dürfen nicht benachteiligt werden. Der Staat setzt sich für gleichwertige Lebensbedingungen von Menschen mit und ohne Behinderung ein.“
Diese Daten bedeuten: Die Bamberger Arbeitsgemeinschaft chronisch kranker und behinderter Menschen (Arge) war ihrer Zeit weit voraus. Denn bereits im September 1992 gründeten Jutta Sturm-Heidler, Lorenz Brahmann, Charlotte und Hermann Wolf, Irene Reiser, Gabriele Wolf und Christl Nagengast diese Interessenvertretung von Selbsthilfegruppen Betroffener. „Durch ihr Engagement gab es bereits Verbesserungen in Bamberg im Blick auf Barrierefreiheit und Inklusion“, bilanziert Rudolf Zahn, Vorsitzender der Arge.
Doch „leider bestehen immer noch in Stadt und Landkreis Bamberg viele Hindernisse, die aus finanziellen, denkmalpflegerischen oder grundsätzlichen Argumenten verweigert werden“, beklagt er. „Wir sind noch meilenweit von Barrierefreiheit entfernt, und so müssen wir weiterhin den Finger in der Wunde halten“, betont der 57-Jährige, der seit Kindesbeinen wegen einer angeborenen Querschnittslähmung auf den Rollstuhl angewiesen ist.
Dankbar für das Erreichte
Bei aller kritischen Sicht der bestehenden Mängel blickt Rudolf Zahn dankbar auf das Erreichte „seiner“ Arge zurück: Barrierefreie Wege in der Innenstadt, blindengerechte Querungen, induktive Höranlagen, Rampen statt Stufen, Behinderten-Toiletten und –Parkplätze sowie bessere Zugänglichkeit von Gebäuden listet der Vorsitzende an praktischen Erfolgen auf. Dazu zählt er auch die feste Verwurzelung von Nicole Orf als Behindertenbeauftragte der Stadt Bamberg, die seit nunmehr 20 Jahren als Bindeglied und Ansprechpartnerin in der Verwaltung fungiert. „Wir wollen auf partnerschaftliche Weise mit der Stadt zusammenarbeiten, was mit Frau Orf sehr gut funktioniert“, freut sich Rudolf Zahn.
Aktuelle Herausforderungen bleiben für die Arge. So sei es etwa geboten, Bushaltestellen schneller barrierefrei umzubauen. Oder in den Planungen für den S-Bahn-Halt in der Gereuth von störungsanfälligen Aufzügen abzusehen: „Es wäre besser, für Rollstühle, Rollatoren, Kinderwagen mit Rampen zu planen“, erklärt Zahn. Ferner sei es für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen nicht leicht, in den Dom zu kommen. Auch dort müsste Abhilfe geschaffen werden. Und überhaupt sollte „die Politik ihre Wertschätzung von betroffenen Menschen zeigen, indem sie Projekte finanziert“, fordert der Arge-Vorsitzende.

Gemeinsame Plattform
Sein gemeinnütziger Verein ist gemeinsame Plattform von inzwischen 20 unterschiedlichen Selbsthilfegruppen und anderen Vereinigungen für Menschen mit körperlichen Einschränkungen aus dem Raum Bamberg. Ein Mitglied ist zum Beispiel die AG Bamberg der Deutschen Parkinson-Vereinigung, die von Ulrike Verleger geleitet wird. Sie ist zugleich Stellvertreterin von Rudolf Zahn. Der Ehemann der medizinisch-technischen Assistentin war an Parkinson erkrankt, und Ulrike Verleger pflegte ihn bis zu seinem Tod 2011.
Geblieben ist ihre Empathie für Parkinsonpatienten, die sich deutlich in einem Gespräch mit zwei Teilnehmern ihrer Gruppe zeigt: „Ulrike hat ihre Berufung gefunden!“ lobt Hans (63 Jahre) die rührige Frau. Sie habe ihm gezeigt, dass er mit seinem Schicksal nicht alleine ist: „Bei der Diagnose bricht anfangs ja die Welt zusammen“, sagt er. Seine Schicksalsgefährtin Ruth (73) bestätigt ihn: „Es ist ganz wichtig, Leidensgenossen zu finden, gerade am Anfang.“ Es sei für sie das Schlimmste gewesen, eine Krankheit zu haben, die nicht heilbar ist. Inzwischen habe sie durch die regelmäßigen Treffen der Parkinson-Gruppe erfahren, „wie schön es ist, normal behandelt zu werden und sich austauschen zu können“. Denn „wer sonst will denn über Krankheiten reden?“ ergänzt Hans nüchtern.
Noch bessere Zusammenarbeit
Für Ulrike Verleger bietet die Mitwirkung in der Arge die Chance, „über den Tellerrand zu schauen“. Zu erfahren, was das Leben mit chronischer Krankheit oder Behinderung aus Menschen machen kann. Wie Rudolf Zahn wünscht sie sich eine noch bessere Zusammenarbeit der verschiedenen Mitgliedsgruppen. Zumal vor Gründung der Arge „jede Selbsthilfegruppe allein für ihre Rechte kämpfen musste“, weiß Vorsitzender Zahn nur zu gut. Zusammenhalt bewirke eben mehr, auch im Bewusstsein der Bevölkerung für die Belange der chronisch Kranken und Behinderten.
Wer sich weiter über den Verein Bamberger Arbeitsgemeinschaft chronisch kranker und behinderter Menschen informieren möchte, findet Ausführliches unter www.arge-bamberg.de. Kontakt: Rudolf Zahn, Tel.: (0951) 18327670, E-Mail: info@arge-bamberg.de.