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WONFURT
Demonstration bei der Firma Loacker
Plakativ machten die Bürger auf die Gefährdung aufmerksam, die vom Betrieb der Firma Loacker in Wonfurt ausgeht.
Foto: Ulrike Langer | Plakativ machten die Bürger auf die Gefährdung aufmerksam, die vom Betrieb der Firma Loacker in Wonfurt ausgeht.
Von Ulrike Langer und Klaus Vogt
 |  aktualisiert: 22.06.2022 09:24 Uhr

„Das ist ein rabenschwarzer Tag für Wonfurt, seine Bürger und die umliegenden Gemeinden.“ Angesichts der hohen Werte von Schwermetallen, Dioxinen und Furanen in der Luft und im niedergegangenen Staub rund um den Recyclingbetrieb Loacker in Wonfurt forderte der Sprecher der Bürgerinitiative „Lebenswertes Wonfurt“, Peter Werner, die sofortige Schließung des Betriebs.

Am Samstag formierte sich eine Protestkundgebung aus gut 90 Bürgern, die mit Schildern ihrem Zorn, ihrer Enttäuschung und ihrer Wut Luft machten. Außerdem stellten sich zwei neue Gruppierungen vor, die die Bürgerinitiative unterstützen: die Gruppe „Mütter gegen Giftstaub“, vertreten durch Christine Fries und Sabine Krieg, sowie die Gruppe „Wohnen und Leben – ohne Giftstaub“ unter der Führung von Simone Wagenhäuser.

Seit 11. Januar lässt das Landratsamt an drei Stationen rund um die Firma Loacker mögliche Giftstoffe in der Luft und im Staubniederschlag messen. Die Messungen ergaben schon für den relativ kurzen Zeitraum von 11. Januar bis 2. Februar sehr hohe Belastungen im niedergegangenen Staub. Die Werte von Kadmium, Nickel und Blei lagen bis zu sechsmal höher als die für den ländlichen Raum geltenden Grenzwerte. Die Werte von Kupfer in den untersuchten Staubproben überstiegen den Grenzwert sogar um das 31-fache. Die Labor-Ergebnisse für die Belastung der Luft mit Schwermetallen liegen hingegen noch nicht vor.

Die Werte für Dioxine und Furane in der Luft gibt es schon. Sie sind ebenfalls sehr hoch. Dürfen ihre Werte in einem ganzen Jahr bei 150 liegen, so wurden alleine in den untersuchten zwei Wochen bereits Werte zwischen 57 und 65 ermittelt. Auch im niedergegangenen Staub sind Dioxine und Furane schon jetzt doppelt so hoch, wie es normalerweise in einem ganzen Jahr zulässig ist.

Aufgrund dieser Laborergebnisse hatte das Landratsamt am Freitag die Verwertung von Elektroschrott untersagt; der Betrieb darf aber weiterhin Kabelschrott recyceln.

„Es ist erschreckend, welchen Belastungen die Bevölkerung durch die Firma Loacker ausgesetzt ist. Wir fordern jetzt die komplette Stilllegung des Betriebs, bis die Ursachen für die Belastung der Umwelt ermittelt und abgestellt sind“, teilte Peter Werner mit. Die Ergebnisse der Messungen hätten die Befürchtungen der Bürgerinitiative noch weit übertroffen. „Was uns so sehr betroffen macht, ist die Vermutung, dass die Firma Loacker seit Januar dieses Jahres den Produktionsbetrieb eingeschränkt hat und bei einem vollen Betrieb die Messwerte sicher noch weitaus höher gewesen wären.“

Man befürchte zu Recht, dass bereits seit Jahren, wahrscheinlich schon zu Zeiten der Vorgängerfirma Fichtler, bis zum heutigen Tag die Menschen in der Umgebung schwersten Belastungen ausgesetzt seien. Dabei hätten Anrainer den Wonfurter Bürgermeister Dieter Zehendner und das Landratsamt Haßberge schon vor Jahren auf die Staubbelastungen hingewiesen. Ebenfalls besorgniserregend sei, dass trotz der strengen Überwachung des Betriebs und nach 40 verschiedenen Verbesserungen seitens der Firma Loacker immer noch erhebliche Belastungen vorhanden seien.

Die Bürgerinitiative geht davon aus, dass die Immissionen der Firma Loacker kein reines Wonfurter Problem, sondern ein Problem der gesamten Region sind. Obertheres, Wülflingen, Steinsfeld, das Osterfeld in Haßfurt und die Stadtmitte der Kreisstadt seien nur 1,3 bis 2,6 Kilometer Luftlinie entfernt und könnten ebenfalls betroffen sein, meinte Peter Werner. Weil bereits Personen Schwermetallvergiftungen aufwiesen, gehe die Bürgerinitiative von einer Gesundheitsgefährdung durch Loacker aus. Sie verlange, dass ein unabhängiger medizinischer Gutachter eine vollständige Gesundheitsuntersuchung von zehn ausgewählten Anrainern auf Kosten von Loacker vornimmt. Ebenso müsse durch unabhängige Oberbodenuntersuchungen festgestellt werden, ob dauerhafte Belastungen und Kontaminationen auf den umliegenden Grundstücken vorlägen.

Die Mitarbeiter der Firma Loacker müssten zur sofortigen medizinischen Untersuchung in die Obhut des Gesundheitsamtes Haßberge gegeben werden. „Denn unsere Kernforderung ist, dass keinerlei Belastungen für die Bewohner und die Umwelt von Wonfurt und Umgebung durch die Firma Loacker entstehen dürfen“, so Peter Werner. „Wir werden daher einen Antrag beim Landratsamt einreichen, um juristisch die Stilllegung des Betriebs zu erreichen.“ Denn niemand könne sagen, ob nicht von dem noch erlaubten Kabelschrottrecycling ebenfalls gesundheitliche Beeinträchtigungen ausgingen.

Steffen Vogel, Kreisrat, CSU-Kreisvorsitzender und Rechtsanwalt der Bürgerinitiative, monierte, dass bei der Genehmigung 2007 der TÜV eine Einhausung der Firma Loacker beziehungsweise eine Messung der Luft nach zwei Jahren empfohlen hatte, sollte der Betrieb nicht eingehaust werden. „Warum hat man die Einhausung nicht verlangt und warum wurden keine Messungen vorgenommen?“, fragte Vogel. Weiter sei ein Brandschutzkonzept verlangt worden, das, wie Firmenchef Michael Loacker selbst zugab, zunächst nicht umgesetzt worden sei. „Wieso hat das niemand geprüft?“ Dass das Vertrauen in die Behörden verloren gegangen sei, liege auch daran, dass sie immer wieder behauptet hätten, die Staubbelastung stamme nicht von der Firma Loacker.

Als ebenfalls erschreckend bewertete Vogel die Tatsache, dass Loacker in den letzten Monaten nicht mehr gegen die Vorgaben verstoßen habe und die Luft trotzdem so extrem belastet sei. „Das heißt doch, dass die Vorgaben nicht ausreichen“, so sein Fazit. „Die Firma sollte die Courage haben und schließen!“

Bernhard Walter, Bürger aus Wülflingen, forderte die Stadt Haßfurt auf, sich mit dem Thema zu befassen. „Denn es geht nicht nur um die Wonfurter Bürger, sondern um mindestens 20 000 Bürger im Landkreis“, sagte er.

Zum Schluss gesellte sich Peter Werner zu den protestierenden Bürgern und gab an: „Es ist Zeit, dass München hört, welche Sorgen die Bürger hier haben. Wir erwarten uns von der Bayerischen Regierung Unterstützung!“ Die Aufsichtsbehörde und die Gemeinde Wonfurt forderte er auf, den Schutz der Bevölkerung in den Mittelpunkt ihres Handelns zu stellen und konsequent jegliche Gefährdung auszuschließen. „Wir haben den berechtigten Eindruck, dass dies in der Vergangenheit nicht der Fall war. Es gilt verlorenes Vertrauen in die Behörden wieder herzustellen. Deshalb verlangen wir den sofortigen Stopp jeglicher Produktion.“

Die Ergebnisse

Gemessen wird in Wonfurt an drei verschiedenen Stellen:

- an der Ostseite des Loacker-Geländes (Messpunkt MP1)

- zwischen der Tempel Handels GmbH und Sägewerk Reitz (MP2)

- auf dem Grundstück der Firma IDM, südwestlich von Loacker (MP3).

Dioxine und Furane in der Luft: Der Zielwert für ein ganzes Jahr ist 150. Gemessen wurden an MP3 ein Wert von 65, an MP1 64 und an MP3 57.

Dioxine und Furane im Staub: Der Zielwert liegt hier bei 4, gemessen wurden an MP3 18, an MP1 5 und an MP3 ein Wert von 2.

Schwermetalle im Staub: Der Grenzwert von Kadmium liegt für ländliche Gegenden bei 0,2 bis 0,6. Gemessen wurden bei MP3 3,6, an MP1 2,2 und an MP2 0,92. Bei Blei (Grenzwert 10 bis 20): an MP3 128, an MP1 43 und an MP2 20. Bei Kupfer (Grenzwert 5 bis 10) an MP3 310, an MP1 197 und an MP2 57. Bei Nickel (Grenzwert 1 bis 3) an MP3 17, MP1 6,4 und an MP2 4,3.

 
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