Finanzkrise, Eurokrise, Griechenlandkrise. Für Thomas Krämer ist klar: „Es ist die gleiche Krise, sie wurde nur umbenannt, um etwas zu verschleiern.“ Am Montagabend stellten er und andere Teilnehmer sich bei einer Podiumsdiskussion im Zeiler Kino den Fragen der Öffentlichkeit.
Der Abend begann mit einer Vorführung des Dokumentarfilms „Wer rettet wen? – Die Krise als Gesellschaftsmodell auf Kosten von Demokratie und sozialer Sicherheit“. In diesem Film wurden viele negative Folgen der Krise aufgezeigt. So zum Beispiel, dass in Ländern wie Griechenland und Spanien viele Menschen entlassen wurden oder von ihren geringen Löhnen nicht mehr leben können.
Stark bemängelt wurde in dem Anfang 2015 erschienenen Streifen von Herdolor Lorenz und Leslie Franke auch, dass gerade die Bildung zu den staatlichen Aufgaben gehöre, die nun besonders unter der Krise leiden. „Die Universität ist nicht mehr betriebsfähig“, sagte eine griechische Professorin. Gezeigt wurden auch die Versuche, die Probleme abzufangen. So gibt es in Griechenland beispielsweise die Solidaritätskliniken, in denen Ärzte mit eigener Praxis an einem Tag in der Woche Patienten ohne Krankenversicherung versorgen.
Besonders scharf kritisierte der Film die Troika aus der Europäischen Zentralbank, dem Internationalen Währungsfond und der Europäischen Kommission. Der Vorwurf lautete, dass sie – und andere Organisationen, die selbst keine demokratische Legitimation hätten, Politikern vorschreiben dürfen, was sie zu tun haben. Zudem hieß es, in der Krise seien vor allem die Banken mit dem Geld der Steuerzahler gerettet worden. „In guten Zeiten machen die Banken Gewinne. In schlechten Zeiten verlassen sie sich auf den Staat“, lautete das Fazit von Wirtschaftswissenschaftler Prof. Hans-Werner Sinn vor der Kamera.
Auch Politiker kamen in dem Film zu Wort. Der ehemalige Finanzminister Oskar Lafontaine resümierte, die Finanzmärkte hätten die Demokratie ausgehebelt. Kritisiert wurde vor allem, dass viele Banken wüssten, dass sie als systemrelevant gelten und daher nicht fallen gelassen werden. Das verleite sie zu gefährlicher Zockerei. Das Risiko trage letztlich der Steuerzahler. Als Gegenbeispiel nannte der Film Island, wo nach der Finanzkrise die Banken jeweils in eine neue, staatlich geführte Bank und eine alte Bank aufgeteilt wurden. Die neue kümmerte sich darum, die Realwirtschaft am Laufen zu halten, die alte wickelte die Auslandsgeschäfte ab. Auch Kürzungen an Sozialleistungen und Schulen wurden in Island verhindert.
„Leider fehlen die zwei Gegenpole“, sagte Moderator Dr. Martin Sage bei der anschließenden Diskussion über den Film. Eigentlich hätte ein Vertreter der Nichtregierungsorganisation Attac dabei sein sollen, dieser hatte jedoch aus gesundheitlichen Gründen abgesagt. Auch die Politik war nicht vertreten. Die CSU-Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär war angekündigt, hatte dann aber aus terminlichen Gründen abgesagt, auch ein Ersatz wurde nicht gefunden.
Auf dem Podium saßen schließlich der wirtschaftswissenschaftliche Referent Thomas Krämer vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt der evangelischen Kirche, der katholische Betriebsseelsorger Rudi Reinhart, sowie Peter Schleich, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Ostunterfranken. „Aus Sicht eines Volkswirts kann ich dem Film zustimmen“, sagte Krämer. Peter Schleich hingegen bezeichnete den Film stellenweise als einseitig. Er erklärte jedoch auch, dass regionale Banken wie Raiffeisen oder die von ihm vertretene Sparkasse ein anderes Konzept verfolgen, als viele andere Banken. „Somit bin ich eigentlich der falsche Ansprechpartner. Ich verstehe mich nicht als Banker, sondern als Sparkassler“, meinte er. Eigentümer der Sparkasse Ostunterfranken seien die Stadt Königsberg und der Landkreis Haßberge. „Damit ist jeder Landkreisbewohner ein Miteigentümer“, sagte er. Die Sparkasse vertrete den Grundsatz: „Wir können auf Dauer nur überleben, wenn das Geld wieder zu uns zurückkommt.“ Auch wenn seine eigene Bank weit davon entfernt sei, staatliche Hilfe zu brauchen, verteidigte er die Politiker, die Geld ausgegeben hatten, um Banken zu retten. „Das Ziel war nicht in erster Linie die Bankenrettung“, sagte er. Vielmehr sei es um die Einlagen der Sparer gegangen, die mit einem Untergang der Banken ebenfalls weg gewesen wären.
Rudi Reinhard sagte, auch er sehe die Gefahr, die der Film angesprochen hatte. Er glaube nicht an den von Angela Merkel geprägten Begriff der „Alternativlosigkeit“. Aus eigener Erfahrung berichtete er, dass er sich beim Kauf seines Hauses von mehreren Banken beraten ließ. „Und das war auch gut“, meinte er. „Ich hätte schnell in eine Falle tappen können.“
Moderator Martin Sage sagte, was ihm im Film gefehlt habe, sei eine kritische Auseinandersetzung mit Griechenland und Spanien vor der Krise. Zwar könne er die Situation in Griechenland nicht beurteilen, doch Spanien kenne er selbst gut genug, um zu wissen, dass im Land selbst Fehler gemacht wurden, die die Krise begünstigten. Dies sei im Film nicht zur Sprache gekommen.
„Natürlich muss der Film vereinfachen. Mehr ist in 106 Minuten auch nicht möglich“, entgegnete Wirtschaftswissenschaftler Krämer. Dennoch sehe auch er, dass der Film Schwächen habe. So sei immer von „den Banken“ geredet worden, ohne zu erklären, wer hinter den Banken stehe. Auf die Frage, ob das isländische Modell auch in anderen Ländern möglich gewesen wäre, meinte er, es sei zwar möglich, doch je größer ein Land sei und je mehr internationale Beziehungen seine Banken hätten, desto schwieriger werde die Umsetzung einer solchen Idee.
Auch die Gäste kamen in dem gut besuchten Kino zu Wort. „Die Kasinospiele gehen weiter, weil die Banken wissen, dass sie gerettet werden“, meinte einer. Ein anderer betonte, es sei fahrlässig, nicht zu sehen, dass die gleichen Dinge, die in Spanien und Griechenland passierten, auch Deutschland treffen könnten. Viele sahen einen Angriff auf die Demokratie. „Je größer der Wirtschaftsraum, desto schlimmer ist es“, sagte einer und warnte, Freihandelsabkommen wie TTIP könnten das Problem weiter verschärfen. Auch dass die Krise dazu führe, dass viele junge Menschen keine Zukunft mehr haben, wurde angesprochen und eine Forderung lautete: „Einige Dinge darf die Regierung nicht hergeben.“ Dazu gehörten auch Erziehung und Bildung.
Auch Kreisrat Paul Hümmer meldete sich zu Wort. Er betonte, eigentlich müsse die Finanzwirtschaft der Realwirtschaft dienen, nicht umgekehrt. Als Fazit forderten sowohl Krämer als auch Reinhart, die Menschen sollten sich stärker einbringen. „Das Problem in unserer Demokratie ist, dass zu wenig Leute mitmachen“, meinte Krämer. Es sei wichtig, nicht am Stammtisch oder vor dem Fernseher zu motzen, sondern selbst etwas zu tun. Peter Schleich empfahl den Anlegern, ihr Geld eher bei regionalen Banken zu lassen. Martin Sage schloss die Veranstaltung mit einem Filmtipp. Er empfahl Michael Moores „Kapitalismus: Eine Liebesgeschichte“. Auch wenn man nicht mit allen Aussagen des Films übereinstimme, sei er in jedem Fall sehenswert. Eingeladen zum Kinoabend hatten die Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) und der DGB.