Im Mittelpunkt des Dekanatsfrauentages, zu dem das Frauenteam des Dekanats Rügheim am Samstag eingeladen hatte, stand das Referat der Theologin Dr. Andrea König vom Amt für Gemeindedienst und dem "forum frauen". Ihr Ziel war es, an diesem geschichtsträchtigen Tag – Reichspogromnacht, Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus, Mauerfall – eine mutige Frau in Erinnerung zu rufen: Elisabeth Schmitz. Unter dem Titel "Gedenkt eurer Lehrerinnen" (nach einem Zitat aus dem Hebräerbrief) wurde beim Dekanatsfrauentag dieser vergessenen Heldin gedacht.
Nach der Begrüßung durch die Dekanatsfrauenbeauftragte Traudi Wießler stimmte Dekanin Anne Salzbrenner mit ihrer Andacht auf das Thema ein. Sie warf dabei einen Blick in die Bibel und zitierte einige alt- beziehungsweise neutestamentliche Stellen der Heiligen Schrift, wo Frauen Widerstand leisteten. Zum Beispiel Eva im Paradies, die mutigen Hebammen Schiffra und Pua, denen Mose das Leben verdankte, die fünf Töchter des Zilofhads, aber auch Ruth und Naomi, die salbende Frau, die Frau am Brunnen, Maria und Marta.
Salzbrenner wünschte allen den Mut und die Energie der genannten Frauen und die Erkenntnis, dass diese widerständische Seite, die sich für das Leben einsetzt, von Gott gewollt ist. Sie schloss mit einem Gebet, in dem sie Gott darum bat, dass "uns immer wieder Mut und Vernunft gegeben werde, um Gut und Böse zu unterscheiden sowie die Kraft, den Mund aufzutun, wo es nötig ist."
Im ersten Teil ihrer Ausführungen gab Andrea König einen detaillierten Einblick in den wechselvollen Lebensweg von Elisabeth Schmitz. Sie war eine von wenigen Frauen, die damals den universitären Weg einschlugen. Sie studierte Geschichte, Theologie und Germanistik und promovierte im Jahr 1920. Sie war danach als Lehrerin in Berlin tätig und unterrichtete neun Jahre später als Studienrätin an einem Lyzeum.
Schon bald musste sie erfahren, dass eine neue Zeit angebrochen war: jüdische sowie politisch andersdenkende Lehrer und Lehrerinnen wurden aus dem Schuldienst gedrängt oder entlassen, weil diese dem nationalsozialistischen Menschenbild entgegenwirkten. Ende 1938 gab Schmitz ihre Stelle als Lehrerin aufgrund "andauernder Gewissenskonflikte" ganz auf. 1943 kehrte sie in ihre Geburtsstadt Hanau zurück und arbeitete erst nach Kriegsende wieder als Lehrerin. Ihr bewegtes Leben endet Anfang September 1977; in Hanau wurde eine Schule nach ihr benannt und das Grab zur Gedenkstätte. In Yad Vaschem findet sie Aufnahme in der "Allee Gerechte unter den Völkern".
Im zweiten Teil ihres Referats befasste sich Andrea König schwerpunktmäßig mit der von Elisabeth Schmitz im Jahre 1935 herausgegebenen Denkschrift gegen die Judenverfolgung. Jene erkannte bereits früh die Zeichen der Zeit und begann schon 1933, Briefe an führende Theologen zu schreiben. Ihr Anliegen: Kirche muss laut werden gegen die Diskriminierung von Jüdinnen und Juden und der Verfolgung. Der Synode und allen führenden Prominenten der Bekennenden Kirche legte sie ihre Denkschrift zur Lage der deutschen Nicht-Arier vor. Gehör und Beachtung fand sie allerdings kaum. Selbst innerhalb der "Bekennenden Kirche" stieß Schmitz nur selten auf Gleichgesinnte, wie Dietrich Bonhoeffer und Helmut Gollwitzer. Nach dem Krieg wurde dieses Schriftstück quasi totgeschwiegen. Von ihren mutigen Aktionen wüssten auch heute nur wenige Menschen. Gemessen an der historischen Bedeutung der Denkschrift sei Elisabeth Schmitz immer noch vielen unbekannt.
Der Dekanatsfrauentag endete mit Lied, Gebet und Segen sowie einem "Mitgebsel", welches die Teilnehmerinnen an den Nachmittag und das Referat von Andrea König erinnern soll.