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Haßfurt
Das Neue Jahr mit Feuerwerk begrüßen? Da gehen die Meinungen der Menschen im Landkreis Haßberge auseinander
Liebgewordene Tradition oder Geldverschwendung und Umweltverschmutzung: Zehn Personen verraten ihre Einstellung zu Böllern und Raketen.
v.l.o.n.r.u.: Roland Ehrhardt, Rainer Fiedler, Anita Amend, Bernd Wagenhäuser, Jörg und Kerstin Nuffer, Annemarie Weber, Renate Ortloff, Geschwister Sebastian und Sandra Skorepa.
Foto: Wolfgang Aull | v.l.o.n.r.u.: Roland Ehrhardt, Rainer Fiedler, Anita Amend, Bernd Wagenhäuser, Jörg und Kerstin Nuffer, Annemarie Weber, Renate Ortloff, Geschwister Sebastian und Sandra Skorepa.
Wolfgang Aull
 |  aktualisiert: 09.02.2024 07:55 Uhr

Alle Jahre wieder: Das Thema Silvesterfeuerwerk polarisiert. Es gibt Menschen, für die Kanonenschläge und Raketen einfach zur Tradition gehören, die die vergängliche Schönheit des Feuerwerks lieben. Und es gibt jene, die das Abbrennen von Bengalos, Batterien oder Böllern für sinnlos herausgeworfenes Geld halten und zudem die damit verbundene Umweltverschmutzung anprangern. Die Redaktion hat sich im Landkreis Haßberge umgehört und folgende Meinungen aufgegriffen.

Annemarie Weber, Büroangestellte, 58 Jahre alt, wohnt in Eichelsdorf

In ihrer Brust, sagt Weber, schlügen zwei Herzen: Sie genieße es, das Neue Jahr feierlich mit buntem Licht und Geheule zu begrüßen. "Besonders wenn sich am Himmel die Sterne zeigen, ergibt sich in der Silvesternacht eine einmalige Atmosphäre, eine würdevolle Begrüßung des Neuen Jahres." Doch wenn man dem gegenüberstelle, welche Umweltverschmutzung, insbesondere der Luft, damit verbunden sei, so werde die Freude an dem Ereignis sichtlich getrübt. Das sei ihr erst in den vergangenen Jahren so richtig bewusst geworden. "Ich fände es am Besten, wenn es zentrale Feuerwerke gäbe, die man von der Ferne aus beobachten kann". Und so wird sie es auch bei dem anstehenden Jahreswechsel handhaben: "Silvesterknaller kaufen kommt für uns nicht in Frage, das haben wir auch in den vergangenen Jahren so gehandhabt, doch wir gehen zeitgerecht auf einen Hügel und beobachten von dort aus das riesige Feuerwerk über der Stadt Hofheim."

Renate Ortloff, Kulturführerin, wohnt in Haßfurt

"Ich bin gegen das Böllern, ich finde so was schlimm", sagt Ortloff, und begründet es: "Das Laute macht mir nichts aus, aber ich finde, alle reden davon, dass wir die Umwelt kaputt machen, und es ist einfach ein Widerspruch, einerseits zu böllern und andererseits zu wissen, dass es unsere Aufgabe ist, den Planeten nicht zu zerstören. Wir wollen doch alle, dass die Erde für unsere Enkel erhalten bleibt." Sie selbst habe sich noch nie an dem Geböllere beteiligt, einzig als die Kinder noch klein waren, hätten sie selbst auch, allerdings in sehr geringem Umfang, mitgemacht. Aber heute müsse man die Tradition mit anderen Augen sehen.

Vier Minuten nach Mitternacht, am 1. Januar 2021. Die Kreisstadt Haßfurt begrüßt das neue Jahr mit einem eher bescheidenen Feuerwerk.
Foto: René Ruprecht | Vier Minuten nach Mitternacht, am 1. Januar 2021. Die Kreisstadt Haßfurt begrüßt das neue Jahr mit einem eher bescheidenen Feuerwerk.

Eine Silvesternacht habe sie in Leipzig verbracht, erzählt sie, und durch das dort Erlebte sei ihr erstmalig richtig bewusst geworden, dass auch gesundheitliche Risiken mit der Böllerei einhergehen: "Das war richtig gefährlich, die Leute verhielten sich rücksichtslos." Und es sei für sie seitdem auch nicht mehr verwunderlich, dass von dem Geschehen eine große Brandgefahr ausgehe. In einem einfachen Statement fasst sie ihre Position zusammen: "Das muss nicht sein".

Rainer Fiedler, Steinfräser, 59 Jahre alt, wohnt in Kleinmünster

Fiedler berichtet, dass er die bunt leuchtende Silvesternacht genieße, er habe sich auch in früheren Zeiten, als die Kinder noch jünger waren, eigene Feuerwerkskörper gekauft. Seine Favoriten waren und sind bis heute Raketen. "Doch in den letzten Jahren habe ich von einem Kauf eigener Ware abgesehen", sagt er, und korrigiert sich sogleich: "Höchstens ein paar Knallfrösche für die Enkel." Wenn die Turmuhr das Neue Jahr ankündigt, sind er und seine Frau auf alle Fälle draußen: "Wir laufen a weng im Dorf rum", so sei ihr Plan, denn sie sähen sehr gerne die Raketen gen Himmel steigen. Den Lärm der Knaller bräuchte er nicht wirklich, aber das gehöre halt dazu, um die Zeit sei es eben ein wenig lauter. Er freue sich, dass das Knallen in diesem Jahr wieder erlaubt ist, doch dass das Feuerwerk im vergangenen Jahre ausgefallen ist, habe ihn nicht gestört, er nahm es gelassen hin: "Das war auch in Ordnung, das war halt so."

Anita Amend, Grundschullehrerin im Ruhestand, 69 Jahre alt, wohnt in Oberaurach

"Traditionsbewusst und heimatverbunden" bezeichnet sich Amend, doch das Silvesterfeuerwerk sei für sie mit erheblichen Zweifeln verknüpft: "Unsachgemäßer Umgang mit Feuerwerkskörpern führt alljährlich zu Bränden und zum Teil schwersten Verletzungen." Und sie habe noch weitere Bedenken: "Kleinkinder leiden unter dem Lärm, schrecken aus dem Schlaf, wissen nicht, was da gerade geschieht." Amend verweist auf Erlebtes im Rahmen ihrer freiwilligen Integrationsarbeit: "Bei Kindern aus Kriegsgebieten, ohnehin schon traumatisiert, tauchen schreckliche Erlebnisse und Ängste wieder auf". Auch Haustiere sollten nicht unerwähnt bleiben: "Ich kann mich noch gut erinnern, als unser junger Hund am ganzen Körper gezittert und sich auch nach dem Feuerwerk nicht beruhigt hat." Unter dem Strich seien die Ausgaben für das Feuerwerk reine Umweltverschmutzung und Geldverschwendung. Sie zieht ein Fazit: " Ich kann gut auf das Silvesterfeuerwerk verzichten, aber nicht darauf, mit lieben Menschen auf das neue Jahr anzustoßen, sich alles Gute zu wünschen und zuversichtlich in die Zukunft zu blicken".

Roland Ehrhardt, Verwaltungsangestellter im Ruhestand, 69 Jahre alt, wohnt in Königsberg

"Mit dem Abschießen von Raketen", sagt er, "konnte ich noch nie etwas anfangen". Und was das häufig formulierte Argument des Brauchtums beträfe, da müsste man wahrscheinlich die Zeit bis zum ausgehenden Mittelalter ergründen, wo im Zeitalter des Barock die Mächtigen und Reichen mit Hilfe des Feuerwerks ihren Status unter Beweis stellen wollten. Mittlerweile sei das ja genau umgekehrt.

Sähe man die Problematik, die mit dem Brauchtum in Bezug auf die Luftverschmutzung einher gehe, dann, sagt er, "sollte meiner Ansicht nach aus staatlicher Sicht etwas dagegen unternommen werden". Er begründet: "Einerseits ist man bemüht, Autoabgase und Industrieluft weitgehend sauber zu bekommen, und andererseits wird es hingenommen, dass innerhalb von ein paar Stunden allein in Deutschland mehr als 2000 Tonnen Feinstaub in die Luft abgegeben werden, ohne die schädlichen Abgase wie Kohlendioxid und Schwefeldioxid, die dabei auch entstehen, zu benennen."

Jörg Nuffer, (38) Metallbaumeister und Ehefrau Kerstin Nuffer (31) Nuffer, Steuerfachwirtin, wohnen in Hassfurt

"Angesichts dessen, dass unsere Tochter nur wenige Wochen alt ist, wird die Silvesterfeier ungewöhnlich ruhig werden", sagt Kerstin und fügt hinzu, dass sie nicht vollends auf das Feuerwerk verzichten wollen. "Es gehört für mich einfach dazu". Schon als Kind sei sie in die Tradition hineingewachsen, die Eltern hätten stets kräftig zu dem Silvesterknallen beigetragen, und grundsätzlich wolle sie es auch nicht anders. Jörg hat eine andere Einstellung: "Die Kracher müssen nicht sein, aber so Leuchtraketen sind doch sehr schön." Er stellt klar: "Die Frau ist hier die Triebfeder"! Ihm würde ein professionell durchgeführtes Feuerwerk völlig ausreichen, und er käme auch mit wenig eigenen Raketen gut zurecht. Kerstin nickte zu seiner Aussage, dass sie sicherlich einen guten Weg zwischen beiden Interessen finden werden. Bei ihr kamen zum Gesprächsende nochmals Erinnerungen hoch: "Ich komme aus Uchenhofen, und es war immer ganz toll, wenn wir auf die Feuerwerke der umliegenden Dörfer geschaut haben."

Sebastian Skorepa (36) Imbissbudenbetreiber, und seine Schwester Sandra Skorepa, 34, Einzelhandelskauffrau, wohnen beide in Ebern

"Die Eltern haben viel geböllert", berichtet Sebastian, "und wir setzen in meiner Familie diese Tradition fort. Sogar mit Leuchtkanonen hätten sie früher gerne hantiert, "ich weiss gar nicht, ob das heute noch erlaubt ist". Allerdings böllere er in geringerem Umfang, "da wir Haustiere haben, das Kind um 12 Uhr schon lange schläft, und ich früh wieder auf den Beinen sein muss". Aber ein Paket Raketen und ein Paket kleinere Böller werden schon in seinem Einkaufskorb landen. Früher sind wir gerne zum Eberner Käppele gefahren, haben dort Tee getrunken und den Berg hinuntergeschaut, das war immer sehr schön. Und diese Art der Begrüßung des neuen Jahres würde er auch nicht gerne vermissen wollen. Seine Schwester Sandra möchte das Feuerwerk ebenfalls nicht vermissen, freut sich, dass es wieder stattfindet, "einmal im Jahr kann man so etwas doch ruhig machen", und sie fügt hinzu: "Nur die Einzelböller, die gehören der Vergangenheit an, so richtige Batterien sind doch viel schöner und praktischer.

Bernd Wagenhäuser, 62 Jahre alt, ist Diakon in der Pfarreiengemeinschaft Theres im Pastoralen Raum Haßberge West und wohnt in Untertheres.

Wagenhäuser bezeichnet es als ein starkes Zeichen, wenn am letzten Tag des Jahres um Mitternacht die Silvesterkracher gemeinsam mit den Glocken der Kirchen ein neues Jahr einläuten.  Doch er hat auch die Umweltproblematik im Auge: "Wem Klimaziele und Feinstaubentlastungen wichtig sind, und nicht nur den Schein im Blick hat, der kommt um die Frage nach der Dimension eines Feuerwerks nicht herum. Da ist sicher weniger mehr. Das Glockenläuten ist dabei schon klimaneutraler und birgt für mich auch den Effekt in sich, auf das vergangene Jahr zurückzuschauen."

Mit den Glocken und auch den Böllern, so der Diakon, tauchten frohe Stunden und Momente auf, die sich im Glanz der Farben am Himmel noch einmal widerspiegeln und im Glockenklang widerhallen. Und es käme ihm Trauriges und Schweres in den Sinn, was sich mit keinen Lichtern am Himmel oder mit Kirchturmglocken so einfach vertreiben ließe.

"In Beidem", fasst er zusammen, " steckt das Vertrauen, das neue Jahr mit Gottes Segen anzugehen und anzunehmen und dabei auf die Lichtmomente des Lebens zu hoffen und sich auch in den Problemen des Lebens von Gott getragen zu wissen. Gott wird immer an unserer Seite sein".

 
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  • robert.hippeli@t-online.de
    Die logisch Konsequenz aus den überfüllten Kliniken ist: vom Staat, den Landratsämtern und Rathäusern:

    - ein sofortiges Böllerverbot an Silvester und Neujahr durch Privatpersonen oder
    - schaffen von Notversorgungseinrichtungen an Silvester durch das staatliche Technische Hilfswerk
    - Einschränkungen von gewerblichen Feuerwerken NUR zwischen Silvester 23:55 und Neujahr 00:15 Uhr mit Stellung von Notfalleinrichtungen durch den Gewerbetreibenden Feuerwerker oder Veranstalter!

    Es kann nicht sein, das durch diesen Umweltfrevel für die Klinken jetzt noch Notfälle bewusst in Kauf genommen werden und das Gesundheitssystem und die Rettungskräfte weiter belastet werden!

    Es geht nicht mehr um ein paar Kracherchen oder Raketchen, was im Handel angeboten wird sind inzwischen verletzende umweltschädliche WAFFEN !

    Ps.:
    Aber ich denke positiv, nachdem so viele über die hohen Heizkosten jammert haben, wird eh nicht geböllert!
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