Sind es die Kirchen oder Gott selbst, der dieses Weihnachtswunder ermöglicht? Esel und Schafe sprechen, die größten Ganoven werden Friedensstifter, als sie das Kind in der Krippe sehen: "Dann muss alle Feindschaft schweigen", bekunden die Römer Gaius und Maius den vielen Besuchern dieses Familiengottesdienstes der St. Stephansgemeinde am Heiligen Abend auf der Altenburg.
Ja, "das ist echtes Weihnachten, wo wir erleben, dass Frieden einkehrt und Menschen geholfen wird", brachte Pfarrer Walter Neunhoeffer das Krippenspiel der Konfirmanden und Konfirmandinnen auf den Punkt. Mutige Menschen würden nach einem Streit Versöhnung suchen, zusammenrücken, dass alle Platz haben, Liebe wichtiger erachten als Zweifel und Leben ermöglichen, auch wenn ihres dadurch schwieriger werde. Die Geburt Jesu habe die Welt und ihre Geschichte verändert und sogar die, die Vertreter der größten Macht der damaligen Welt gewesen seien, so der Pfarrer. Auch heute wolle "Gott ein Teil unserer Geschichte werden", versicherte Neunhoeffer.
Dass Gott ein Teil auch der Bamberger Geschichte ist, bewiesen die vielen Gläubigen, die an den Weihnachtsfeiertagen die liebevoll vorbereiteten Gottesdienste besuchten – gleich ob in den wettergeschützten Kirchen oder Open-Air. So strömten Hunderte – darunter zahlreiche Kinder und Jugendliche - beispielsweise auf den Wilde Rose-Keller, um die Familienmette mitzufeiern.
Persönliche Gabe des Pfarrers
Helmut Hetzel, Leitender Pfarrer des katholischen Seelsorgebereichs Bamberger Westen, Pastoralreferent Christian Schneider, etliche Ministranten und die St. Urban’s Project Band gestalteten die berührende Feier, in der das Schlusslied "Stille Nacht, heilige Nacht" die Dunkelheit hell machte. Und jeder und jede das besondere Weihnachtsgeschenk als persönliche Gabe von Pfarrer Hetzel in den Händen hielt: Eine Walnuss als Bild der Härte, die der Mensch in der Familie, der Nachbarschaft, der Gemeinde aufgebaut hat und die "der Mensch gewordene Gott als Nussknacker in unserem Leben aufbricht". Gott habe "die Menschen geknackt und tut es auch heute, in dem er selbst Mensch wurde", erklärte Pfarrer Hetzel in seiner Predigt.
In der Christmette im übervollen Dom, der Diözesanadministrator Weihbischof Herwig Gössl vorstand, predigte sein Ständiger Vertreter, Prälat Georg Kestel. Er ging auf den Begriff "Zeitenwende" ein, der das Wort des Jahres 2022 geworden ist. Die Geburt Jesu sei eine Zeitenwende für die Menschheit: "In Bethlehem ist der Frieden auf Erden als Verheißung und Hoffnung proklamiert worden, die in Jerusalem mit dem Tod Jesu am Kreuz und der Auferstehung vollendet wurde", bilanzierte Kestel das Geschehen vor 2000 Jahren. Die Verkündigung durch die Jünger habe eine Zeitenwende in Gang gesetzt, die bis heute weltweit anhalte: "bei allen Schwächen und Fehlern der nachfolgenden Christengenerationen", so der Prediger. Umso tadelloser klangen die Domchöre, Solistinnen und Musiker der Bamberger Symphoniker sowie Organist Markus Willinger, die unter der Leitung von Domkapellmeister Vincent Heitzer die Missa pastoralis in D-Dur von F.X. Brixi zu Gehör brachten.
Gottesdienst für Kopf und Herz
Die Christmette in der St. Stephanskirche war ebenfalls ein Gottesdienst für Kopf und Herz. Meditativ mit Lesungen, Musik und kurzen Impulsen zum Mitfühlen und Nachdenken. "Die freudige und befreiende Botschaft von Weihnachten ist, dass Gott uns in unserem Menschsein als kleines verletzliches Baby ganz nah kommt", verkündete Vikarin Sophia Braun. Diese Botschaft sei ein Wunder, "von dem wir uns immer wieder neu anrühren lassen und worüber wir staunen können".
Am ersten Weihnachtsfeiertag beschwor Weihbischof Herwig Gössl im Dom den Frieden als "die große Sehnsucht dieser Tage". Friede komme jedoch nicht automatisch allein durch Ächtung von Krieg, durch das Schweigen der Waffen oder einen Friedensschluss: "Friede wächst vielmehr aus der inneren Zufriedenheit der Menschen, aus einer Haltung der Dankbarkeit, der Genügsamkeit und der Demut", betonte der Weihbischof. Wer immer mehr haben und sein wolle als die anderen, der werde nie zu einem friedlichen Menschen.
Gössl gab seiner Predigt auch einen gesellschaftspolitischen Anstrich, in dem er zur Wachsamkeit gegenüber allen Formen der Diskriminierung und Ausgrenzung aufrief. Er halte Wachsamkeit für wichtig, "damit sich bei uns nicht Verhaltensweisen einschleichen oder kultivieren, die Menschen ausgrenzen oder bedrohen", so der Weihbischof. Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit dürften keinen Platz haben: "nicht in unserer Gesellschaft und erst recht nicht unter Christen".