Vieles über Zeil und seine Stadtteile ist in der Zeiler Chronik zu lesen. Unter dem Gesichtspunkt, dass Zeil in einigen Jahren (2018) sein 1000-jähriges Bestehen begehen kann, dürften viele den Mitarbeitern, die vor 40 Jahren an der mehrbändigen Chronik der Stadt und ihrer Ortsteile geschrieben haben, heute noch dankbar sein.
In vielen Beiträgen sind die einzelnen Zeitabschnitte im Rahmen des damaligen Wissens niedergeschrieben worden. Durch weitere Forschungen gibt es mittlerweile neue interessante Erkenntnisse. Ein solches Beispiel fand der Zeiler Heimatforscher Heinrich Weisel in den alten Kirchenrechnungen von Anfang des 19. Jahrhunderts. Es geht dabei um ein geheimes Gewölbe unter der Zeiler Stadtpfarrkirche, in dem mehrmals kostbare Dinge versteckt wurden.
Im Kapitel „Zeil in der Franzosenzeit 1796 bis 1813“ (Band II) beschrieb der Chronist Hermann Mauer die Zeiten und ihre Drangsale für die damaligen Menschen im Zusammenhang mit den Durchzügen der napoleonischen Truppen im Maintal und ganz speziell auch in Zeil. Aus den vorhandenen Archivalien dieser Zeit im Stadtarchiv geht vieles hervor, was im Detail noch unbekannt ist.
So fand Heimatforscher Heinrich Weisel in der Gotteshausrechnung von 1800/1801 unter dem Titel „Geldausgaben für Bau- und Besserungskosten im Gotteshaus, der Anna-Kapelle und der Kreuz-Kapelle“ einen interessanten Hinweis über eine Geldausgabe. Sie lautete „für Maurerarbeit, das Kirchengeräth bey dem Einfall der Franzosen einzumauern“, und dafür wurde an einen Maurer 1 Gulden 20 Kreuzer Arbeitslohn bezahlt. Weiterhin wurden dazu 2 Fuhren Steine und Sand besorgt zum Preis von 34 Kreuzern sowie auch noch 1 Butte Kalk für 32 Kreuzer zum Herstellen des zu den Maurerarbeiten notwendigen Kalkmörtels.
Außerdem ist noch eine Geldausgabe von 1 Gulden 30 Kreuzern verbucht mit dem Hinweis, „dem Maurer, das Gewölbe wieder aufzubrechen, um nach den (eingemauerten) Paramenten zu sehen, dann wieder zuzumauern“.
Was bedeutet dieser Eintrag? Die heranrückenden französischen Truppen „bedienten“ sich bei der Beschaffung von Lebensmitteln natürlich auch an Wertgegenständen in den Privathäusern und den Kirchen und davon hatte der Zeiler Pfarrer Joseph Müller rechtzeitig erfahren. Er veranlasste das Einmauern der wertvollen Kirchengeräte und Messgewänder.
Der Name des ausführenden Maurers wurde in der Kirchenrechnung nicht notiert, um mögliche Nachforschungen durch die Soldaten zu erschweren. Anscheinend hatten sich die Soldaten auf der Suche nach Beute im Bereich der Kirche und eines vorhandenen Kellergewölbes intensiv zu schaffen gemacht. Deswegen wurde das Versteck zwischenzeitlich wieder geöffnet, auf die Vollständigkeit der eingemauerten Gegenstände kontrolliert und sofort wieder durch den Maurer verschlossen. Nach dem Durchzug der Truppen wurde das Versteck endgültig wieder geöffnet und die unversehrten Kirchengeräte und Messgewänder zum weiteren Gebrauch in das Gotteshaus verbracht.
Auch im Jahr 1806 zogen wieder napoleonische Truppen durch das Maintal und es bestand erneut die Gefahr von Plünderungen. Pfarrer Joseph Müller reagierte wieder wie schon vor einigen Jahren, um die Kirchengüter sicherzustellen.
Er ließ in dem Gewölbe den vorhandenen Bauschutt von der ersten Maureraktion entfernen und alles wieder einmauern. Die Gotteshausrechnung 1806/07 enthält darüber den folgenden Hinweis: „Für ein verborgenes Gewölb in der Kirche, so voller Unrath war auszuräumen, und darin die besten Kirchen Sachen und Paramenten vor feindlicher Plünderung zu verwahren, dann solches zuzumauern, und hernach wieder aufzubrechen“ wurden dem Maurermeister Georg Kirchner von Zeil am 8. November 1806 laut Quittung 2 Gulden 56 Kreuzer ausgezahlt.
Der ausführende und nun schriftlich genannte Zeiler Maurermeister Georg Kirchner war sicherlich auch bei der ersten Versteckaktion der verlässliche Partner für den Zeiler Pfarrer und auch diesmal blieb das Versteck unentdeckt.
Schließlich drohte im Zeitraum 1808/09 nochmals Gefahr von heranrückenden französischen Truppen und wieder veranlasste der Zeiler Pfarrer Joseph Müller das Einmauern der gefährdeten Kirchengüter. In der Gotteshausrechnung von 1808/09 gibt es dazu wieder einen Hinweis vom 11. Januar 1809, der wie folgt lautete: „Ein geheimes Gewölbe in der Pfarrkirche zu Zeil aufzubrechen, und die besten Kirchen-Paramente dahin zu verbergen, dann wieder zu vermauern einschließlich der hiezu nöthigen Materialen, um bey gegenwärtig drohenden Feindes Gefahr nicht unglücklich zu seyn.“
Den Erhalt des Lohns von 1 Gulden 30 Kreuzer quittierte am 15. April 1809 der Maurermeister Georg Kirchner mit dem Zusatz, „sind mir von der K.L. Kirchen Administration zu Schweinfurt richtig ausbezahlt worden“.
In einem weiteren schriftlichen Zusatz durch den Zeiler Pfarrer wurde die Notwendigkeit dieser Geldausgabe bestätigt. Der couragierte Pfarrer schrieb: „Georg Kirchner, Maurermeister in Zeil hat die angesetzte Arbeit besorget auf meinen Geheiß, weilen ich es für räthlich, ja nothwendig gehalten habe. Zeil, den 15. April 1808 Joseph Müller, Pfarrer.“
Und wo war nun das mehrmals genannte „geheime Gewölbe“? Der Raum existiert noch heute unter der alten Sakristei im Turm und ist nur von der Ostseite außerhalb der Kirche über 7 Stufen abwärts und im Eingang nochmals durch drei Stufen hinab zugängig. Der Raum ist etwa 5,65 Meter lang, rund 2,8 Meter breit und etwa 2,6 Meter hoch mit einer tonnenförmig gewölbten Decke. Ein Lichtschacht auf der Nordseite sorgt für die Luftzufuhr.
Als im Jahr 1912 die Kunstdenkmäler von Zeil erfasst wurden, schrieben die Autoren über die Zeiler Stadtpfarrkirche St. Michael unter anderem folgende Bewertung: Eine eigenartige Anlage befindet sich unter der alten Sakristei in Form eines tonnengewölbten kellerartigen Raumes, der von der Ostseite über vier Stufen zugänglich ist. Eine schmale Lichtscharte nördlich erhellt den Raum. Jedenfalls diente der Keller ursprünglich als Beinhaus und stammt baulich wohl aus dem 15. Jahrhundert oder früher. In dem Keller wurden also die Totengebeine aus dem Friedhof rings um die erste kleine Kirche untergebracht. Als sich später die Stadt einwohnermäßig vergrößerte, reichte dieses Gewölbe nicht mehr aus und die Totengebeine aus dem erweiterten Friedhof um die größere Kirche wurden im Untergeschoss der St. Anna-Kapelle deponiert.
Der Zeiler Kirchturm, die angebaute alte Sakristei und das darunter befindliche „geheime Gewölbe“ sind Reste einer ersten Kirche, die erhalten blieben, als im Jahr 1713 das jetzige größere Kirchenschiff begonnen und angebaut wurde.
Der Maurermeister Georg Kirchner schuf das Versteck für die Kirchengegenstände durch die Vormauerung einer vorhanden seitlichen Mauer, die durch den Abstand dazwischen mehrere Hohlräume frei ließ für die Unterbringung der Wertsachen.
Viele Nachkommen des Maurermeisters Georg Kirchner (1755 bis 1834) sind nachweisbar bis in unsere Zeit. Vielen Zeilern sind noch Maurermeister Martin Kirchner und sein Bruder Christian in Erinnerung, die in den 1960er Jahren zahlreiche Wohnhäuser in Zeil erbauten, die im Zusammenhang mit dem Betrieb der Zuckerfabrik errichtet wurden.