zurück
BAMBERG
Das „Fränkische Hollywood“
Vermittler: Drehorte ausfindig machen, mit den Bewohnern sprechen, Genehmigungen einholen – alles muss vor Ort koordiniert werden. Während der Dreharbeiten kann die „Telefonleitung“ von Locationscout Alexander Schimkus schon mal glühen.
Foto: laura berger | Vermittler: Drehorte ausfindig machen, mit den Bewohnern sprechen, Genehmigungen einholen – alles muss vor Ort koordiniert werden.
Von unserer Mitarbeiterin Laura Berger
 |  aktualisiert: 15.12.2020 15:34 Uhr

Im Herzen der Bamberger Altstadt: Alexander Schimkus, Bambergs Locationscout, schlendert durch die Gassen. Die herbstliche Sonne steht schräg über der Regnitz. Er bleibt vor der Concordiastraße 23 stehen, das Fachwerk-Häuschen mit der grün bepflanzten Terrasse über dem Wasser diente im aktuellen Frankenkrimi „Bamberger Reiter“ des BR als Drehort. Hier befand sich die Wohnung der verstorbenen Mutter von Hauptkommissar Peter Haller.

Bamberg und Umgebung ist immer häufiger Kulisse für Filmproduktionen wie „Resturlaub“, Geißendörfers „In der Welt habt ihr Angst“ oder den Hollywood-Streifen „Die drei Musketiere“. Frühere Produktionen waren „Das Sams“, „Pfarrer Braun“ und „Unsere Mütter, unsere Väter“.

Als Inhaber der Bamberger Filmproduktion koordiniert Schimkus die Dreharbeiten vor Ort. Er kümmert sich vom Anmieten der Büroräume über die Infrastruktur für das Filmteam sowie die Genehmigungen der Drehs bis hin zum Catering um alles. Neben dem Location-scouting managt er meist auch die Drehmotive. Durchschnittlich 30 bis 40 Motive schlägt er den Produzenten pro Film vor. Im Frankenkrimi spielen viele Szenen auf einer Ranch, so dass nicht allzu viele Motive benötigt wurden. Den Großteil hat Szenenbildner Andreas Schmid in wochenlanger Recherche ausgesucht, so auch die „Western-Tankstelle“. Schimkus Aufgabe war es vor allem, die Drehorte vorzubereiten, Genehmigungen einzuholen und Parkmöglichkeiten zu schaffen.

Leiche in der Küche

Doch einer seiner Vorschläge für den Krimi: eine ehemalige Metzgerei in der Langen Straße als Aufbahrungsort der Leiche. Heute befindet sich dort die Küche eines Cafés.

Für die Romanverfilmung „Resturlaub“ wählte er alle Motive selbst aus. So wurde die Holzterrasse für das Fischerstechen während der Sandkerwa zu einer Art Biergarten über der Regnitz umfunktioniert, in dem sich Pitschi und seine Freunde zuprosten. Auch die Antiquitäten-Buchhandlung Lorang an der Oberen Brücke beim Alten Rathaus kommt darin vor – mittlerweile beliebter Dauerbrenner. „Das Geschäft hatten wir jetzt schon mehrmals – bei fast jedem Film, den wir in Bamberg drehten“, sagt Schimkus. Er kennt Besitzer Robert Lorang inzwischen sehr gut.

Für das düstere Ambiente des Drogenmilieus der Geißendörfer-Produktion „In der Welt habt ihr Angst“ entdeckte der Locationscout die Alte Spinnerei, ein historisches Industriegebäude aus rotem Backstein. Kürzlich entstanden dort Studentenwohnheime und ein neues Universitätsgebäude. Um Motive für „Die Drei Musketiere“ ausfindig zu machen, irrte er sogar durch die Katakomben Bambergs.

Anwohner und Geschäftsleute kommen ihm meist sehr entgegen. „In der Regel zeigen die meisten Verständnis. Es gab kaum Beschwerden. Und die Leute sind extrem stolz auf ihr Bamberg“, so Schimkus. Für die Räumlichkeiten sowie Geschäftseinbußen wird ihnen eine Art Verdienstausfall gezahlt.

Die Zeit um die Sandkerwa 2010 stellte jedoch eine besondere Zerreißprobe für die Altstadtbewohner dar. Zum 60. „Geburtstag“ dauerte das Straßenfest sieben Tage. Zur extremen Lärmbelästigung kam hinzu, dass zuvor die Dreharbeiten zu „Resturlaub“ stattgefunden hatten. Dort hatte es etliche Sperrungen gegeben. Schon während der Kerwa musste Alexander Schimkus Vorbereitungen für die Hollywood-Produktion „Die drei Musketiere“ treffen. Man bat ihn, in der Nähe der Oberen Brücke dafür zu sorgen, dass während der Dreharbeiten keine elektrischen Lichter brennen. Das Paris im 17. Jahrhundert sollte möglichst authentisch wirken. „Ich hab gesagt: Ihr spinnt, ich kann doch jetzt nicht noch zu den Leuten gehen und sagen, sie sollen bitte ihre Lichter ausmachen.“ Schließlich hat es doch geklappt. Schimkus‘ Besonderheit: Er schafft den schwierigen Spagat zwischen der Filmcrew und den Anwohnern der Drehorte – dazu gehört jede Menge diplomatisches Geschick, Geduld und ein guter Draht zu den Bürgern.

Schimkus wünscht sich, weitere Filmproduktionen vom Drehort Franken begeistern zu können. Aber ihm ist klar, dass die positive Akzeptanz nicht so bleibt, wenn hier jährlich drei Filme gedreht würden. Umso wichtiger sei daher ein gutes Miteinander. Er selbst versteht sich vor Ort als eine Art „Vermittler zwischen Bürgern, Filmproduktion und Stadt“.

Schimkus hat noch ein anderes Standbein: Ihm gehört der Club Mojow im Zentrum. Im Jahr 2000 kam der Münchner als Tontechniker für die Dreharbeiten zu „Das Sams“ in die Stadt. Zuvor war er kreuz und quer in Deutschland auf Achse, schon seine Mutter war in der Filmszene aktiv. In Bamberg aber kam die Liebe ins Spiel – er blieb bis heute.

Der „Zugereiste“ knüpfte durch seine Tätigkeiten im Gastronomie- und Eventbereich viele Kontakte. Als Tonassistent stellte er in „Pfarrer Braun“ seine Ortskenntnisse zur Verfügung. Schnell merkte er, wie viel Spaß ihm „Organisationsgeschichten“ machten. Daraufhin machte er seine Leidenschaft zum Beruf. Mittlerweile nehmen regionale und internationale Filmteams seine Hilfe in Anspruch. Durch seine Kontakte, Ortskenntnisse und aufgrund seiner technischen Ausbildung beim Fernsehen konnte er bei Dreharbeiten in vielerlei Hinsicht behilflich sein. Mittlerweile fungiert er bei Dreharbeiten als „Mädchen für alles“. Bei großen Produktionen wie „Die drei Musketiere“ hat er auch schon mal „auf beiden Ohren telefoniert“. Sein Tag umfasste 18 Arbeitsstunden oder mehr.

Haus voller Filmleute

Schimkus muss für die Halloweenparty im Mojow noch etliche Dinge erledigen. Auf dem Rückweg schweift sein Blick über alte Innenhöfe und Hausfassaden. Womöglich auf der Suche nach neuen Motiven. Seine Motiv-Datenbank umfasst Hunderte von möglichen Drehorten in Form von Fotos. „Das meiste habe ich allerdings hier oben drin“, sagt er und tippt sich an den Kopf.

Reinhold Förtsch erinnert sich noch gut an die Dreharbeiten. Als ihn Filmausstatter Andreas Schmid am Telefon fragte, ob er sein Haus zur Verfügung stelle, überlegte er nicht lange. Wenige Tage später war seine Wohnung komplett voll: Tontechniker, Kameraleute, Schauspieler und Regisseur drängten sich mit unzähligen Scheinwerfern, Kamera und Kabel auf engstem Raum. Sie wurde ausstaffiert mit den Hinterlassenschaften der verstorbenen Mutter von Kommissar Haller. Die eine Wand zählt nun noch mehr Blumengemälde als zuvor. Während der vier Drehtage kam Förtsch bei einem befreundeten Nachbarn unter.

Er ist froh, sein Haus zur Verfügung gestellt zu haben. „Gleich bei der ersten Szene im Film sieht man mein Haus in Nahaufnahme, das ist schon wirklich toll“, sagt der ältere Herr stolz. Die Filmleute störten ihn kaum. Er verrät, dass sich in seinem Haus ursprünglich eine Schreinerei befand. Auch sie war während der 90er schon Filmkulisse in der Kriminalserie „Der König“ mit Günther Strack. Die Tradition setzt sich wohl fort. Bamberg – das fränkische Hollywood.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Filmproduktion
Hollywood
Leichen
Szenenbildnerinnen und Szenenbildner
Terrassen
Tontechnikerinnen und Tontechniker
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top