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HASSFURT
Das erste Lesen kommt aus der Tüte
Er und seine Mitarbeiter haben in den letzten Tagen 250 Lesetüten gepackt, die mit Beginn des neues Schuljahres Zweitklässler an Erstklässler verteilen dürfen: Buchhändler Franz Wölfl aus Haßfurt.
Foto: HT-Sage | Er und seine Mitarbeiter haben in den letzten Tagen 250 Lesetüten gepackt, die mit Beginn des neues Schuljahres Zweitklässler an Erstklässler verteilen dürfen: Buchhändler Franz Wölfl aus Haßfurt.
Von unserem Redaktionsmitglied Martin Sage
 |  aktualisiert: 15.12.2020 15:25 Uhr

„Es hat eine große Vorbildfunktion, wenn die etwas älteren Schüler den Schulanfängern ein Buch überreichen“, sagte am Montag Schulrätin Claudia Schmidt zu unserer Zeitung. Das sei ein enormer Anreiz für die Kleinen, es den Großen gleich zu tun und so schnell wie möglich das Lesen zu lernen. Das Schulamt Haßberge begrüßt deshalb ausdrücklich die Aktion „Lesetüte“, eine Initiative des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, die im Heimatkreis bei der Buchhandlung Glückstein in Haßfurt auf einen fruchtbaren Boden gefallen ist.

Zu Beginn des neues Schuljahres, mancherorts schon am ersten Schultag, überreicht ein jeder Zweitklässler der teilnehmenden Schulen einem ABC-Schützen eine von ihm selber bemalte, also individuell gestaltete Lesetüte. Wichtigster Inhalt der Tüte, zumindest aus Sicht des beschenkten Mädchens oder Buben: Ein Erstlesebuch, das die Lust am Lesen wecken soll. Vor allem aber geht von dem Präsent ein Signal aus: „Ich kann schon lesen – und Du kannst es bald auch“, ermutigt damit der ältere Schüler den jüngeren. Claudia Schmidt hebt hervor, wie wichtig es ist, dass Kinder von und mit anderen Kindern lernen. Franz Wölfl, Inhaber der Buchhandlung Glückstein, spricht von einer Art „Patenschaft“, die ein jeder Zweitklässler mit seinem Schulanfänger eingeht. Meistens kennen sich die „Partner“ ohnehin aus Kindergarten oder der Nachbarschaft. Das ist für die Kleinen ein weiterer Antrieb, den Größeren nachzueifern.

Neben Buch, Lesezeichen, Stundenplan und einigen Verlagsinformationen steckt in der Lesetüte ein Brief an die Eltern. Er führt Mamas und Papas vor Augen, dass Lesen der Schlüssel schlechthin zu allen Bereichen der Bildung ist. „Wer nicht oder nur schlecht lesen kann, bleibt in der Schule, aber auch im täglichen Leben benachteiligt, sogar im Erwachsenenalter“, steht hier schwarz auf weiß. „Lesen ist der Stein, um die Welt zu verstehen“, fiel Schulrätin Schmidt am Montag dazu ein – passend zum Welttag der Alphabetisierung.

Jährlich am 8. September erinnert die UNESCO daran, dass es in vielen Ländern noch immer ein Privileg ist, lesen und schreiben zu können. Auch im hoch entwickelten Bayern gebe es erschreckend viele Menschen mit Lese- und Schreibdefiziten, bedauert die Expertin. Der Freistaat habe in den letzten Jahren die Leseförderung an den Schulen forciert; im Landkreis gibt es heute an jeder Grund- und Mittelschule einen Lesepaten. Weil mancher Schulanfänger ausländische Eltern hat, gibt es den Elternbrief auch in Russisch, Arabisch oder Türkisch. Jeder Papa, jede Mama muss sein Kind dabei unterstützen, lesen zu lernen, lautete die Botschaft, egal in welcher Sprache. Und wie das geht, dafür stellt der Elternbrief ein paar Regeln auf – etwa diejenige, dass die Kinder die Lektüre selber auswählen sollten, weil die Neugierde auf die Geschichte das Durchhaltevermögen stärkt, auch wenn der Text einmal schwieriger wird.

Geschäftsmann Franz Wölfl teilt sich mit der Arbeitsgemeinschaft Leseförderung im Sortimenter-Ausschuss des Buchhändler-Börsenausschusses die Kosten für die „Lesetüten-Aktion“ im Heimatkreis. Das Projekt startete bundesweit im Jahr 2011, die Buchhandlung Glückstein ist jetzt zum ersten Mal dabei. Bei den Schulen und ihren Lehrkräften stieß das Projekt sofort auf großes Echo. Elf Klassen in Haßfurt, Sylbach, Gädheim, Theres, Zeil und Sand machten auf Anhieb mit und orderten im Mai die „Blanko-Lesetüten“ zum Bemalen, Bekleben und Beschreiben. Die Buchhandlung Glückstein bestellte Tüten nach, trotzdem meldete sich die eine oder andere Schule zu spät. Denn im Juli musste die Buchhandlung die 250 Tüten an den Schulen abholen, um sie rechtzeitig vor Ende der Sommerferien befüllen und an die Schulhäuser zurückliefern zu können. „Wir wollen die Aktion auf jeden Fall im nächsten Schuljahr weiterführen“, kündigte Franz Wölfl jetzt schon an.

Dann werden wohl noch viel mehr Buben und Mädchen eine allererste altersgerechte Lektüre in der Hand haben. Mamas und Papas bleiben insofern in der Pflicht, als sie sich auf keinen Fall vor dem abendlichen (gemeinsamen) Vorlesen drücken sollten, wünscht man sich am Schulamt. Denn so sehr sich die Lehrer im Unterricht auch bemühen, nichts geht über die kuschelige Geborgenheit einer Gute-Nacht-Geschichte.

Wem hier die Bücher alsbald ausgehen, für den hat Anette Haas, in der Buchhandlung Glückstein für das Lesetütenprojekt verantwortlich, noch ein paar Literaturtipps:

• Der kleine Drache Kokosnuss – eine Kinderbuchreihe von Ingo Siegner, erschienen im cbj-Verlag. Besonders ist hier die Aufteilung des Lesestoffs nach dem Motto: „Erst ich ein Stück dann du“ mit besonders markierten, kurzen und einfach gehaltenen Textpassagen für die kindlichen Leser.

• Lesemaus-Geschichten aus dem Carlsen-Verlag. Bei den leichten Lesegeschichten für Anfänger sind viele Hauptworte durch Symbole ersetzt.

• In der „Sonne, Mond und Sterne“-Reihe von Oetinger, jetzt „Büchersterne“, schreiben bekannte Autoren spannende, aber einfach gehaltene Texte in kurzen Sätzen.

Lesen eröffnet Horizonte – nicht nur diejenigen spannender Abenteuergeschichten, sondern jeglicher Form von Bildung.
Foto: DPA | Lesen eröffnet Horizonte – nicht nur diejenigen spannender Abenteuergeschichten, sondern jeglicher Form von Bildung.
 
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