Sie hätten unterschiedlicher nicht sein können. Der eine war Sohn eines Finanzbeamten, gebürtiger Unterfranke, vielfacher Familienvater, der andere stammte aus einem alten Grafengeschlecht, wurde im mittelfränkischen Ansbach geboren und war eher dem männlichen Geschlecht zugeneigt. Am 21. August 1820 war der eine 32 Jahre alt, der andere zählte zarte 23 Lenze. An jenem Tage vor 200 Jahren trafen sich die beiden in Ebern. Seitdem werden sie in der Literaturgeschichte, so wie etwa Goethe und Schiller, in einem Atemzug genannt.
Friedrich Johann Michael Rückert und Karl August Georg Maximilian Graf von Platen-Hallermund zählen unbestritten zu den besten und bekanntesten deutschen Lyrikern. Ihre Theaterstücke stehen heute auf keinem Theaterspielplan mehr, aber ihr lyrisches Schaffen gehört wohl zum Besten, was die deutsche Dichtung zu bieten hat.
Beide beschäftigten sich, wie ihr gemeinsames Vorbild Johann Wolfgang von Goethe, intensiv mit der persischen Sprache und Literatur, besonders die Gedichtform Ghasel hatte es ihnen angetan, deren ganz besonderes Reimschema sich in vielen Gedichten Rückerts und Platens wiederfindet. Man hat also eine schier endlose Zahl von gemeinsamen Interessen, man hat sich viel zu sagen.
Aus dem ersten Besuch entwickelt sich eine lebenslange Dichterfreundschaft, sie helfen sich gegenseitig, auf vielen Treffen in Erlangen tauschen sie sich über Literatur und Poesie aus, Platen unterstützt Rückert bei seiner Bewerbung um eine Professur an der Universität Erlangen.
Gründe genug, diesen Festtag auch in Ebern durch eine hochkarätige Veranstaltung würdig zu begehen. So war es für den Vorsitzenden der Schweinfurter Rückertgesellschaft, Eric Fergusson, Ehre und Vergnügen zugleich, am vergangenen Freitag im Hof des alten Rathauses in Ebern etwa 40 kulturbeflissene Menschen zu begrüßen. Auf dem Programm stand ein Vortrag des emeritierten Germanistikprofessors und ausgewiesenen Platenexperten Gunnar Och mit dem geheimnisvollen Titel „Als Salamander gelebt in Hafis Liedergluth“.
Eigentlich hätte Ochs Aufsatz schon im Mai in Erlangen Premiere haben sollen, coronabedingt ergab sich eine Verschiebung auf den 200. Jahrestag der Erstbegegnung der beiden Poeten. Eine knappe Stunde lang beleuchtete Och sehr detailreich und tiefgehend das dichterische Werk Rückerts und Platens, das intensive Mit- und Gegeneinander der beiden Autoren, die Rezeptionsgeschichte, die literaturwissenschaftliche Diskussion über Wert und Unwert ihres dichterischen Schaffens. Karl-Heinz Krebs, selbst studierter Germanist und Rückertkenner, fühlte sich „in seine Studienzeit zurückversetzt“.
1837 schrieb Rückert über den früh verstorbenen Freund: „Wir haben frisch einst miteinander/Als Salamander/Gelebt in Hafis Liedergluth;/Dann waren wir getrennte Gänger,/Mein Weg war länger,/Wann werd‘ ich ruhen, wie er ruht?"
Rückert sollte Platen 31 Jahre überleben. Hafis war einer der bekanntesten persischen Dichter und Mystiker. Er lebte im 14. Jahrhundert und hat mehr als 100 Ghaselen verfasst. Goethe hat sich bei ihm bedient, Platen und Rückert desgleichen. Rückerts Gedichtband „Östliche Rosen“ entstand in seiner Eberner Zeit – viele Details sind noch nicht untersucht.
„Man hat Rückert zu lange der Orientalistik überlassen, bei seiner Poetik gibt es noch viel zu erforschen“, so ein Fazit von Professor Och. Bei Eric Fergusson von der Rückert-Gesellschaft stößt er damit auf offene Ohren. Der Vorsitzende des internationalen Vereins mit 250 Mitgliedern in aller Welt, will er die Rückertforschung weiter voranbringen, auch in Zusammenarbeit mit dem Eberner Friedrich-Rückert-Gymnasium.