Das repräsentative Zeiler Caritashaus weckte bei den Machthabern während des Dritten Reiches Begehrlichkeiten und den Wunsch, die Räumlichkeiten für ihre Zwecke zu nutzen. Nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges belegte man es mit 43 Evakuierte, bei denen es sich um Mütter, Kinder und alte Leute handelte. Hier wurden sie betreut und mit dem Nötigsten versorgt.
Bei der Abfassung des Caritasvertrages ging man 1930 davon aus, dass – solange Recht und Gesetz in Deutschland gelten – die Zeiler Caritas für ihr stattliches Gebäude nichts zu befürchten hätte. "Wenn aber einmal rechtlose Zustände in Deutschland eintreten, wäre nach den Erfahrungen anderer Länder, der Besitztitel ebensowenig ein Schutz als die Nutznießungstitel: Über beide würde sich eine bolschewistische Regierung hinwegsetzen", fürchteten die Justiziare der Diözese Würzburg. Keiner der Juristen dachte damals daran, dass einmal eine rechtsradikale Regierung für das Caritashaus gefährlich werden könnte.
Das Zeiler Pfarramt legte Wert auf die Feststellung, dass die Caritas eine kirchliche Vereinigung ist und sich nicht unter Aufsicht und Bevormundung von politischen Behörden zu stellen gedenke. Nach der Machtergreifung durch die NSDAP empfahl der spätere Ortsgruppenleiter der NSDAP der Behörde in Haßfurt, die Vertragsbestimmungen zu löschen um dadurch die notwendigen Räume frei zu bekommen.
Die NSDAP wollte nämlich in Zeil eine Schwesternstation der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) errichten, die von linientreuen weltlichen, – sogenannten "braunen Schwestern" – geleitet werden sollte. Dabei war auch an ein Behandlungszimmer gedacht, das im Caritashaus bereits vorhanden war.
Pfarrer Bernhard Rüdenauer kämpfte gegen die Zweckentfremdung
Die laufenden Kosten sollte die Stadt tragen, beziehungsweise die Gemeinden Krum, Sand und Zell a. E., die zusammen die NSDAP-Ortsgruppe Zeil bildeten. Im Stadtratsprotokollbuch ist von einem besonderen Vorteil einer solchen braunen Schwesternstation die Rede. Die Kreisleitung in Haßfurt setzte damals alles daran, möglichst viele Gemeinden für die NSV-Kindergärten zu gewinnen. Im Jahr 1937 gab es im damaligen Kreis Haßfurt 13 derartige Kindergärten, die sich, wie der Kreisamtsleiter schrieb, aufs Beste bewährt hätten und mit denen die Bevölkerung sehr zufrieden sei. Irgendwie verstand es Pfarrer Bernhard Rüdenauer, die Einrichtung solange hinauszuzögern, bis mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges das Interesse schwand.
Am 1. Dezember 1937 entließ das nationalsozialistische Regime alle vier Caritas-Schulschwestern aus dem Schuldienst. Gehen mussten auch die Handarbeitslehrerin und die Musiklehrerin. Schwester Adora Baumbach, die spätere Ehrenbürgerin, widmete sich von nun an pfarrgemeindlichen Aufgaben im Seelsorgebereich, im Pfarrbüro und im Organistendienst. Während des Krieges war sie im Falle eines Fliegerangriffes nach einem Räumungsplan dafür zuständig, die Kinder aus dem Chorbereich der Pfarrkirche in einen Keller des Finanzamtsgebäudes zu geleiten.
Es kostete viel Kraft die Beschlagnahmung abzuwenden
Aufregung bei der Caritas gab es erneut, als die NS-Behörden 1941 die Räumung des Hauses für eine erweiterte Kinderlandverschickung verlangten. Es kostete viel Überzeugungskraft, mit Unterstützung des Zeiler Bürgermeisters Weinig sowie des damaligen Landrates die Beschlagnahmung abzuwenden.
Doch ein paar Jahre später, wurde zum Schutz der Kugellagerindustrie in Schweinfurt und Ebelsbach-Eltmann im Raum Zeil eine Flakeinheit einquartiert. Flakbatterien waren bei Sand, Breitbrunn und Stettfeld stationiert. Der Kommandeur, Major Awolin, hatte seinen Befehlsstand zunächst in die Zeiler Schule verlegt. Doch im März 1944 drang er darauf, den Kindergarten und das Altenheim der Caritas auszulagern. Er forderte insgesamt 40 geschlossene Räume. Einen ins Auge gefassten Neubau verwarf der Major wegen Mangels an Baumaterialien.
Geplant war die Unterbringung des Abteilungsstabes und Gefechtsstandes
Der kommandierende Offizier sprach von kriegswichtigen Umständen. Landrat Schreiber forderte daher seine Behörde dazu auf, die Freigabe des Caritasheimes für die Wehrmacht zu verfügen: "Das der Schule gegenüber gelegene Caritasheim ist räumlich für die Unterbringung des Abteilungsstabes und Gefechtsstandes mit allen Erfordernissen geeignet." Mit einer Bereitstellung dieses Gebäudes wären nach Meinung Schreibers sämtliche verstreut liegenden beschlagnahmten Räume frei und eine aufwendige Neubauanlage einzusparen. Den Kindergarten wollte der Kommandeur in dem zu dieser Zeit in Anspruch genommenen Flügel der Schule unterbringen lassen. Das Altersheim mit seinen 15 Bewohnern sollte nach seinen Vorstellungen "in eine für die Landesverteidigung weniger wichtige Ortschaft der Umgebung" verlegt werden.
Pfarrer Rüdenauer hatte offenbar in der Person von Bürgermeister Martin Weinig einen Vertrauten im Rathaus, der ihn rechtzeitig über die vom Militär gewünschte Beschlagnahmung informierte. In einer Stellungnahme an das Landratsamt führte der Stadtpfarrer namens der Caritas drei wichtige Funktionen des Heimes ins Feld:
Rücksichtnahme auf die Erregung unter der Bevölkerung
Im Kindergarten würden gegenwärtig 150 Kinder, hauptsächlich von Arbeiterinnen und Arbeitern der Kriegsindustrie betreut. Außerdem befand sich eine ambulante Krankenpflege für Zeil, Schmachtenberg und Ziegelanger in diesem Gebäude, die auch von der Belegschaft der hier ansässigen Kriegsindustrie in Anspruch genommen wurde. Eine Krankenschwester leistete sogar täglich ein bis zwei Stunden Dienst in der stillgelegten Weberei in welcher die Firma Bosch kriegswichtige Zündkerzen produzierte.
Schließlich erwähnte der Pfarrer die Betreuung der alten Leute, die ihren Haushalt aufgegeben und zum Teil ihr eigenes Heim vermietet hätten. Diese hätten mit dem Caritasheim einen lebenslänglichen Betreuungsvertrag abgeschlossen. Im Falle einer Beschlagnahme würden sie die ihnen von Rechts wegen zustehenden Wohnungen zurückfordern und damit die Wohnungsnot in Zeil vergrößern. Pfarrer Rüdenauer bot an, fünf Offiziere in seinem Pfarrhaus unterzubringen.
Angebot beim Bau von Baracken mitzuhelfen
In einer weiteren Eingabe bemerkte der Geistliche: "Schon mehrmals wurde versucht, das Caritashaus zu einem anderen Zweck zu verwenden. Immer wurde davon Abstand genommen. Vor allem auch mit Rücksicht auf die Erregung unter der Bevölkerung, die das Caritashaus wie einen Augapfel hütet." Falls das Heim nicht seiner Bestimmung entzogen werde, sah Rüdenauer eine große Bereitschaft in der Bevölkerung, beim Bau von Baracken und ähnlichem behilflich zu sein.
Ebenso energisch lehnte auch Bürgermeister Weinig eine Zweckentfremdung oder gar Beschlagnahmung ab. Er fürchtete u. a., dass bei einer Verlegung des Gefechtsstandes, die Schule und deren Hof nach wie vor in Anspruch genommen werden müssten. Der Kindergarten könne überhaupt nicht in die Schule verlegt werden. Klosetts und Waschmöglichkeiten für so kleine Kinder seien nicht vorhanden und die Schwestern und Betreuerinnen nicht unterzubringen. Schulrektor Eyrich befürchtete zudem die Störung des Schulbetriebes durch den Lärm von Kindern.
Zeiler Oberschüler waren als Luftwaffenhelfer im Einsatz
Die Flakbatterie in Sand war mit ihren Geschützen oberhalb des heutigen Friedhofes in Stellung. Mehrere junge Zeiler Oberschüler waren als Luftwaffenhelfer im Einsatz. Dafür konnte man erfahrene Flaksoldaten an die zusammenbrechende Front schicken. Die Schüler wurden täglich einige Stunden von Lehrern unterrichtet. Die jungen Burschen mussten in ihrem Lager auch des Nachts schlafen. Es waren auch einige Dutzend hilfswillige Russen (Hiwis) als Munitionshelfer eingesetzt. Der Jungbauer Ludwig Geisel transportierte mit seinen Pferden von der Schule aus Munition zu einem Geschütz im Maintal. Mehrere Flakhelferinnen wurden in der im Bau befindlichen Baracke am Eingang der heutigen Hohe-Wann-Straße verlegt. Dadurch sollten im Schulhaus Räume für den Gefechtstand frei werden.
Weil immer häufiger der Strom und damit die Sirene ausfielen, warnte man im April 1944 die Bürger durch die Abgabe von Schüssen durch die bei Sand, Stettfeld und Breitbrunn stationierten Flakbatterien. So gab Bürgermeister Weinig bekannt, dass die gleichzeitige Abgabe von drei Schüssen mit je 30 Sekunden Abstand Fliegeralarm bedeuteten und luftschutzmäßiges Verhalten notwendig und geboten ist.
Munitionslager im gewölbten Keller der Burgruin
Die bekannte Fotografin Groth-Schmachtenberger veröffentlichte nach Jahrzehnten, was sie während des Krieges bei einem Besuch in Schmachtenberg von dem Zeiler Gendarmen erfahren hatte. Danach war im gewölbten Keller der Burgruine ein Munitionslager für die Flakeinheiten untergebracht.
In seiner Stellungnahme verwies Bürgermeister Weinig auf einen militärischen Aspekt. Die Erfahrungen des Luftschutzes hätten gezeigt, dass eine Dezentralisierung militärischer Anlagen günstiger wäre. Bei einem Angriff und teilweiser Beschädigung wäre ein Weiterarbeiten leichter möglich.
Beschlagnahme der benachbarten Marienschule
Major Avolin hatte die Genehmigung für die Beschlagnahme des Caritashauses bereits in der Tasche. Doch dann bekam die "schwere Flakeinheit z. b. V" am 25. Juni 1944 den Befehl zum Abzug. Zu dieser Zeit gab es wohl noch wichtigere Objekte des Schutzes vor Angriffen aus der Luft. Kaum jemanden würde heute mehr das neue Einsatzgebiet der ehemaligen Flakgruppe Zeil besonders interessieren, wenn der Standort nicht das geschichtsträchtige Auschwitz gewesen wäre. Dort sollte sie die im Umkreis befindliche Rüstungsindustrie vor Fliegerangriffen schützen.
Seit Ende 1940 errichteten die I.G. Farben bei Auschwitz-Monowitz das sogenannte Buna-Werk um hier unter Einsatz von etwa 41 000 verschleppten Zwangsarbeitern synthetisch Kunstgummi für die Kriegsführung herzustellen. Möglicherweise sind die Flakeinheiten später auch beim Bodenkampf gegen die anrückende Rote Armee eingesetzt worden. Bei einem Verbleib der Flakstellungen im Raum Zeil, wären höchstwahrscheinlich die Stadt und die umliegenden Orte Ziel massiver alliierter Bombenangriffe geworden.
Am 19. und 21. Juli – vier Wochen nach dem Abzug der Flugabwehrkanonen – flogen die alliierten Bomber zwei schwere Angriffe auf das Kufiwerk in Ebelsbach. Die Piloten wussten bereits, dass die Flakgeschütze abgezogen worden sind.
Die am 10. April 1945 einmarschierten US-Einheiten beanspruchten ebenfalls Platz und Raum. Das Caritashaus blieb jedoch verschont. Man begnügte sich mit der Beschlagnahme der benachbarten Marienschule.