Als am Sonntag um Punkt 18 Uhr im Fernsehen die erste Prognose der Bundestagswahl 2017 veröffentlicht wurde, sprachen Kommentatoren in ersten Reaktionen bereits von einem Wahlbeben, von einem Verschieben tektonischer Platten. Auch im Wahlkreis Bad Kissingen, dem die Gemeinden in den Landkreisen Bad Kissingen, Rhön-Grabfeld und Haßberge zugeordnet sind, war dieses Beben zu spüren.
Die CSU hat im Wahlkreis mit nur noch 44,61 Prozent deutlich an Zustimmung eingebüßt. Es sind fast zehn Prozent weniger im Vergleich zu den 53,9 Prozent, die die Christsozialen noch bei der Bundestagswahl 2013 für sich verbuchen konnten.
Das Ergebnis der SPD mit nur 15,84 Prozent – und damit noch deutlich unter dem katastrophalen Bundesergebnis – gleicht einem Debakel. Vor vier Jahren hatten die Sozialdemokraten immerhin noch 18,2 Prozent erreicht.
Aufgrund ihrer guten Platzierung auf der bayerischen Landesliste der Grünen schaffte Manuela Rottmann den Einzug in den Bundestag. Damit ist der Wahlkreis nun mit drei Frauen als Abgeordnete in Berlin vertreten.
Die erstmals angetretene AfD erreicht auch im Wahlkreis Bad Kissingen mit 11,57 Prozent ein zweistelliges Ergebnis.
Die beiden Direktkandidatinnen der großen Volksparteien schnitten bei den Erststimmen jeweils besser ab als ihre Partei: Dorothee Bär (CSU) erreichte 51,12 Prozent. Das sind etwa sieben Prozent weniger als noch vor vier Jahren. Ausgerechnet in ihrem Heimatlandkreis Haßberge fuhr Bär mit 48,12 Prozent das mit Abstand schwächste Ergebnis innerhalb des Wahlkreises ein. Im Landkreis Bad Kissingen holte sie 50,26 Prozent und in Rhön-Grabfeld sogar 55,52 Prozent.
Sabine Dittmar (SPD) kam im Wahlkreis bei den Erststimmen insgesamt auf 19,12 Prozent. Das ist weniger als 2013, als die Ärztin aus Maßbach noch 19,9 Prozent errungen hatte. Im Landkreis Haßberge erhielt sie mit 21,16 Prozent das beste Ergebnis. In Rhön-Grabfeld kam sie nur auf 16,53 Prozent, in ihrem Heimatlandkreis Bad Kissingen auf 19,39 Prozent.
Die Reaktionen
„Wir müssen nicht lange herumreden: Das ist ein bitteres Ergebnis für die CSU in Bayern.“ Dorothee Bär klang am Sonntagabend ernüchtert. „Ich habe dies ehrlicherweise so nicht erwartet.“ Sie habe zwar mit rund 45 Prozent bayernweit gerechnet, dass es jetzt aber nur um die 40 Prozent seien, sei schon sehr enttäuschend. „Dies widerspricht aber der gefüllten Stimmung, wie ich sie im Wahlkampf erlebt habe.“ Auch das Wahlergebnis der SPD sei bitter, so Bär. „Ich hätte der SPD lieber zehn Prozent mehr gewünscht, wenn dafür die AfD nicht in den Bundestag eingezogen wäre.“
Mit ihrem persönlichen Ergebnis deutlich über dem Landesschnitt ist die 39-Jährige hingegen einigermaßen zufrieden. „Ich bin natürlich dankbar, dass ich den Wahlkreis wieder vertreten darf“, sagte sie am Telefon. Sie habe so viel Wahlkampf gemacht wie noch nie. „Und es war schon sehr anstrengend“, räumte Dorothee Bär ein. Was zum einen daran lag, dass die Staatssekretärin im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur seit Mitte Juni mit ihrer Aktion „#100Tage100Fragen“ quasi durchgearbeitet hatte.
Rauer Ton im Wahlkampf
Zum anderen machte ihr der raue Ton im Wahlkampf zu schaffen. „Es wurde an den Wahlkampfständen schon teilweise sehr viel Hass geschürt. Vor allem dann, wenn die AfD unterwegs war.“ Und dies in einer Zeit, in der die Arbeitslosigkeit halbiert worden sei, wo es Deutschland so gut gehe wie noch nie nach dem Zweiten Weltkrieg. „Von der tatsächlichen zur gefühlten Stimmung passt das nicht zusammen.“
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Sabine Dittmar freut sich über ihr Erststimmen-Ergebnis im Wahlkreis: Mit 19,12 Prozent liege es „deutlich über dem Zweitstimmen-Ergebnis“ (15,84 Prozent). Ihrer Ansicht nach drücke es die „Wertschätzung“ der heimischen Wähler für ihre persönliche Arbeit aus. Mit dem Zweitstimmen-Ergebnis liege die SPD „im Bayern-Trend“ (15,5 Prozent). Was sich daraus genau ablesen lässt, müsse die SPD laut Dittmar ab Montag genau analysieren. Das SPD-Bundesergebnis von 20,8 Prozent stellt Dittmar nicht zufrieden. „Es spiegelt nicht wider, was wir im Bundestag erarbeitet haben. Offenbar ist es uns nicht gelungen, den Wählern unsere Erfolge zu vermitteln.
“ Jetzt müsse die SPD in der Opposition zeigen, dass es auch anders geht. Für Dittmar ist klar: „Mit diesem Ergebnis hat der Wähler die Große Koalition abgewählt.“
Was die gebürtige Maßbacherin besonders freute: Dass sie in ihrem Heimatort Maßbach ihre Herausforderin Dorothee Bär (CSU, 36 Prozent) diesmal mit 38 Prozent übertrumpft hat. Und auch mit ihrem Stimmenergebnis in Bärs Heimatort Ebelsbach zeigte sich Dittmar recht zufrieden: Dort fuhr sie 24 Prozent ein, Bär hat 44 Prozent.
Neue Abgeordnete
Das Erststimmen-Ergebnis von 7,1 Prozent im Wahlkreis freut Manuela Rottmann (B‘90/Die Grünen) sehr. Auch das Zweitstimmen-Ergebnis findet sie „ganz ordentlich“. Das bayerische Grünen-Ergebnis von 9,9 Prozent wertet sie als „großen Erfolg“. „Wir haben zugelegt, und das nach all den kritischen Umfragen der letzten Zeit.“ Vor allem in den Städten wie Würzburg oder Aschaffenburg hätten die Grünen kräftig Stimmen abgezogen. „Wir hatten da auch viele tolle Gespräche mit Wählern, als wir im Wahlkampf unterwegs waren.“
Zum Bundesergebnis von 8,9 Prozent sagt die neue Bundestagsabgeordnete Rottmann: „Da bin ich sehr stolz auf meinen Laden.“ Viele hätten die Grünen nämlich zuvor schon auf sieben oder gar sechs Prozent heruntersacken sehen. „So gut wie wir abgeschnitten haben, waren wir zuvor in keiner Umfrage.“ Wenn sie die Ergebnisse der Wahl so betrachtet, sehe sie vor allem das Erstarken der AfD sehr kritisch. Die größte Herausforderung für alle im Bundestag sei es nun, weiter Sachpolitik zu machen und sich nicht von der Krisenstimmung der AfD anstecken zu lassen. Die „demokratischen Kräfte“ müssten jetzt gut zusammenarbeiten, um der „zerstörerischen Kraft der AfD“ den Boden zu entziehen.
FDP ist zufrieden
„Wir sind froh, dass wir wieder in den Bundestag eingezogen sind“, freute sich Nicolas Thoma von der FDP über das gute Zweitstimmenergebnis seiner Partei. Ganz ungetrübt ist seine Freude allerdings nicht. Das liege einerseits daran, dass er selbst als Direktkandidat im Wahlkreis Bad Kissingen weniger Erststimmen bekommen hat, als seine Partei an Zweitstimmen. Der andere Grund sei die Tatsache, dass es seine Partei verpasst hat, drittstärkste Kraft zu werden – zumal es ausgerechnet die rechtspopulistische AfD sei, die der FDP diesen Platz weggeschnappt habe.
Deren starkes Abschneiden bezeichnet er als „Herausforderung“.
Und genau mit diesem starken Abschneiden der AfD ist deren Direktkandidatin Andrea Klingen erwartungsgemäß sehr zufrieden, ebenso wie mit ihrem persönlichen Ergebnis. „Das ist so in etwa das, was ich erwartet hatte“, sagte die 47-jährige Diplomverwaltungswirtin, die nur als Direktkandidatin, nicht aber auf der Liste angetreten war. Es sei bei weitem nicht nur die Flüchtlingskrise gewesen, die der AfD Wähler zugetrieben habe, meint Klingen. Auch die ursprüngliche Politik ihrer Partei gegen die Eurorettung, gegen vermeintliche Demokratiedefizite, soziale Ungerechtigkeit und eine Schwächung des Mittelstands habe verfangen.
Durchaus positiv stimmt Frank Hertel von den Linken das Bundes-Ergebnis seiner Partei. „Angesichts dessen, dass die AfD zugelegt hat und die großen Parteien Verluste einstecken mussten, können wir zufrieden sein.“ Erschreckend sei jedoch das gute Abschneiden der AfD. Die Zahlen der Linken im Wahlkreis seien erfreulich, so Hertel. Sowohl bei den Erst- als auch bei den Zweitstimmen habe man sich steigern können.
Dass Doro Bär, dort wo sie "zuhause" ist am stärksten verloren hat, wundert mich nicht. Ihr Lebensstil und die CSU Folklore die sie vertritt wirken halt nun mal wenig authentisch. Ihr Totalversagen als Staatssekretärin im Verkehrsministerium spürt die CSU weit über den Wahlkreis hinaus.