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Haßfurt
Chatgruppe holt sechs junge Männer nach vier Jahren ein: Wegen Volksverhetzung vor Amtsgericht Haßfurt
Die Angeklagten distanzierten sich klar von den antisemitischen und diskriminierenden Posts von damals. Ihre Verfahren wurden gegen Auflagen eingestellt.
Dass einem Posts mit unerlaubten Inhalten auch nach Jahren auf die Füße fallen können, das haben vor dem Amtsgericht Haßfurt nun sechs junge Männer erfahren müssen. 
Foto: Martin Sage (Symbolfoto) | Dass einem Posts mit unerlaubten Inhalten auch nach Jahren auf die Füße fallen können, das haben vor dem Amtsgericht Haßfurt nun sechs junge Männer erfahren müssen. 
Martin Schweiger
 |  aktualisiert: 21.07.2024 08:51 Uhr

Als sechs junge Männer vor vier Jahren widerwärtige, antisemitische und den Holocaust verharmlosende Dateien in ihrer Chatgruppe per Whatsapp austauschten, ahnten sie nicht, dass sie vier Jahre später auf der Anklagebank des Amtsgerichts landen würden. Dort mussten sie sich am Dienstag wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung vor dem Jugendgericht verantworten.

Laut Anklageschrift posteten die damals 15- bis 20-jährigen Angeklagten Inhalte wie Hakenkreuze, Vergewaltigungsszenen oder Bilder, die Homosexuelle diskriminieren. Auf die Schliche kam ihnen die Kripo Bamberg, die bei Ermittlungen gegen Kinderpornographie ein Handy auswertete und dabei auf die Chatgruppe stieß.

Polizeibekannt ist nur einer der sechs Angeklagten. Im vergangenen Jahr kam er wegen eines Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz in Konflikt mit dem Gesetz.

Heute fassungslos über das, was sie einst posteten

Laut Bericht der Jugendgerichtshelferin wuchsen die Angeklagten zumeist in intakten familiären Verhältnissen auf. Alle seien erschrocken gewesen, als ihnen nach vier Jahren eine Vorladung zur Gerichtsverhandlung ins Haus flatterte. Als "peinlich, ekelhaft und verwerflich" bewertete einer der Angeklagten seine damalige Tat, als "dumm, respektlos und beschämend" ein anderer. Er sei "entsetzt und peinlich berührt", gab ein dritter Angeklagter zu Protokoll. Sein engster Freund sei ein Mexikaner, ließ der Vierte das Gericht wissen. Der Fünfte war ein Musterschüler. Der "Tragweite sei er sich nicht bewusst" gewesen. "Völlig perplex" zeigte sich der mit heute 23 Jahren älteste der Angeklagten. Man habe damals in einem Jugendzentrum zusammen viel Alkohol getrunken. Dabei sei die Chatgruppe entstanden.

Richter bezeichnet Posts als "unter aller Sau"

Als "unter aller Sau" bezeichnete der Vorsitzende Richter Christoph Gillot die verbotenen Posts. Diese seien nicht durch die freie Meinungsäußerung nach Artikel 5 des Grundgesetzes gedeckt, belehrte er die jungen Männer. Man müsse Menschen respektieren. Es sei strafbar, dies nicht zu tun. Da die Taten lange zurückliegen und die Sinneslage der Angeklagten sich offenbar wandelte, stellte das Gericht die Verfahren gegen Auflagen ein. Zwei der Angeklagten müssen je 500 Euro an eine gemeinnützige Organisation zahlen, ein Dritter 300 Euro. Der älteste Haupttäter muss 60 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Zwei Angeklagte, die jeweils nur einen Post tätigten, blieben ohne Auflage.

"Ich hoffe, Sie haben es kapiert", gab der Vorsitzende den Angeklagten mit auf den Heimweg, den sie mit den Eltern antraten, die im Gerichtssaal saßen.

 
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